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Suizidprävention

»Der wichtigste Schritt ist, das Gespräch zu suchen«

Jedes Jahr am 10. September steht der Welttag für Suizidprävention im Zeichen der Aufklärung und Unterstützung für Menschen mit Suizidgedanken. Ein Experte gibt Rat für Betroffene und Angehörige.
dpa
10.09.2024  11:45 Uhr

In Deutschland starben im vergangenen Jahr über 10.000 Menschen durch Suizid, viele weitere unternahmen Versuche. Aber: Bei Suizidalität ist Hilfe möglich und ein Suizid vermeidbar, sagt Professor Dr. Reinhard Lindner, einer der beiden Leiter des Nationalen Suizidpräventionsprogramms für Deutschland (NaSPro).

Er erklärt, wie Menschen mit Selbstmordgedanken in ihrer extremen Verzweiflung Hilfe bekommen und wie Angehörige sie unterstützen können.

Was sollte man tun, wenn man Suizidgedanken hat?

»Der erste Schritt sollte immer sein: Hol dir Hilfe«, sagt Lindner. Also nicht alleine in der aussichtslos scheinenden Situation zu bleiben, sondern sich jemandem anzuvertrauen und über die Suizidalität zu sprechen, also über »die eigene Verzweiflung, die so weit geht, dass man sich töten will«.

Und das hilft? In den meisten Fällen ja, berichtet der Facharzt für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie und Psychotherapeutische Medizin. »Tatsächlich wenden sich die allermeisten Menschen, die darüber nachdenken, Suizid zu machen, auf die eine oder andere Weise an andere. Und: Sie machen es dann nicht.« Denn zusammen komme man auf Lösungsoptionen und Verbesserungsmöglichkeiten.

Wer und was kann helfen?

Es gibt viele Wege, Unterstützung zu bekommen: Etwa Beratung, Krisenintervention, Psychotherapie oder auch psychiatrische Behandlung. Dabei komme es auch darauf an, wie akut der Suizidgedanke oder -wunsch ist, so Lindner.

Sein Rat: Wenn es einem sehr schlecht gehe, weil man eine Situation oder ein Problem überhaupt nicht bewältigen kann – etwa weil eine geliebte Person einen verlassen und man das Gefühl hat, ohne diesen Menschen nicht leben zu können –, könne man überlegen: Mit wem kann ich darüber reden, auch im eigenen Umfeld, der nicht in Angst oder Stress verfällt, sondern mit mir auf Augenhöhe darüber sprechen kann, warum ich so verzweifelt bin.

Anonyme Gespräche und Beratung bieten Krisen-Hotlines wie die Telefonseelsorge (0800 1110111 oder 0800 1110222) an. Die Anonymität sei oft sehr hilfreich, so Lindner: »Denn ich kann mit dieser einen Person reden und kann ihr Sachen sagen, die ich sonst niemandem sagen würde.«

Hausärzte und Psychotherapeuten (Sprechstundentermine unter Telefon 116 117 oder online) kommen natürlich auch infrage, und manchmal könnten auch religiöse Ansprechpartner eine Hilfe sein.

Was, wenn die Gedanken ganz akut sind?

Wenn man aber konkret den Suizid plant und dazu gar keinen Abstand finden kann, dann ist das Allerbeste: Man begibt sich in eine psychiatrische Klinik, sagt Lindner. Das geht über die Notaufnahme oder eine psychiatrische Ambulanz und zu jeder Tages- und Nachtzeit. »Da kann man erst mal mit der aufnehmenden Ärztin und anderen Fachpersonen sprechen und meist bleibt man im Rahmen einer Krisenintervention ein paar Tage da, um sich zu beruhigen und aus der Situation zu gehen.«

Diese Basisversorgung sei in einer akuten Krise »sehr wirksam und hilfreich, dass man überlebt«, so der Experte. In der Psychiatrie kann man sinnvolle nächste Schritte besprechen.

Was genau sinnvoll ist, hänge von individuellen, aber auch von Versorgungsfaktoren ab, erklärt Lindner. »Wenn man auf dem Land mit einer eher schlechten Versorgungssituation und wenig Beratungs- und Psychotherapie-Angeboten lebt, empfiehlt er die Institutsambulanz einer psychiatrischen Klinik, »weil man da auf Leute trifft, die etwas von der Lage, in der man ist, verstehen«.

Was können Angehörige und Menschen im Umfeld tun?

Es kann nur ein Gefühl sein oder konkrete Anzeichen: Wenn man sich Sorgen macht und Angst hat, jemand überlegt, sich das Leben zu nehmen, sollte man nicht abwarten. Auch hier gilt: »Der wichtigste Schritt ist, das Gespräch zu suchen«, sagt Lindner. Dabei sollte man die Situation durchaus konkret ansprechen. »Davor scheuen sich viele. Aber es ist wichtig, etwa nachzufragen: ›Geht es dir schlecht? Hast du manchmal das Gefühl, aufgeben zu wollen?‹.«

Dass man durch das Ansprechen die Suizidalität verstärke oder Menschen überhaupt erst auf den Gedanken bringe, ist falsch, so Lindner. »Sondern fast alle suizidalen Menschen haben dadurch das Gefühl: Da will jemand wirklich wissen, was in mir los ist. Und die Suizidalität ist ja da – die wird weder durch Nachfragen hervorgerufen noch geht sie weg dadurch, dass man nichts sagt.«

Die zentrale Botschaft, die vermittelt werden sollte, wenn man die offensichtliche Not und Verzweiflung des anderen anspricht: »Dir geht es schlecht, aber es gibt Hilfe. Du musst nicht alles aushalten. Es muss nicht so bleiben.« Einen Gesprächsleitfaden und Informationen dazu, was man bei so einem Gespräch vermeiden sollte, gibt es etwa bei der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention (DGS).

So könne man auch anbieten, gemeinsam nach Hilfsangeboten zu suchen, aber auch vorschlagen, zusammen in die Psychiatrie zu fahren, so Lindner. Wenn jemand aber sagt, er bringe sich um: Dann sollte man den Notruf der Polizei unter 110 anrufen, damit die gegebenenfalls die Fahndung auslösen kann, wenn man mit dem Menschen nicht zusammen ist.

Was tun, wenn der andere abblockt?

Wenn man sieht, dass die Person über lange Zeit sehr verzweifelt und suizidal ist, sollte man immer wieder einmal die eigene Angst formulieren, sagt Lindner. Und etwa sagen: »Du, ich mache mir einfach Sorgen. Ich möchte auch nicht, dass du stirbst.«

Auch wenn man nicht davon ausgehen könne, dass es bei allen Betroffenen wirkt, lohne es sich oft, hartnäckig zu sein, erklärt der Experte. Viele hätten nicht unbedingt den Wunsch zu sterben, heißt es auch von der Telefonseelsorge: Sie wollen nur nicht so weiterleben, wie sie es gerade tun müssen.

»Man muss im Leben nicht alles aushalten, muss sich aber nicht unbedingt umbringen«, sagt Professor Lindner. »Es geht darum, mit den Belastungen des Lebens einen Umgang zu finden. Dazu braucht man manchmal Hilfe. Sich Hilfe zu holen ist nicht schlimm. Und es gibt gute Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung, wenn man darüber nachdenkt, sich das Leben zu nehmen.« Auch und gerade, wenn die Gedanken als Teil psychischer Erkrankungen auftreten. Die meisten sind gut behandelbar.

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