Diabetes-Fälle durch Corona nicht gestiegen |
Der Lockdowns im Frühjahr bedeutete für die meisten Menschen psychischen Stress. Und obwohl das unter anderem zu den Risikofaktoren der Entstehung von Diabetes Typ 1 gehört, sind die Fallzahlen diesbezüglich nicht gestiegen. Das gilt auch für Typ-2-Diabetes. / Foto: Adobe Stock/IvSky
Die Autoren griffen für ihre Untersuchung auf alle Neudiagnosen in 216 deutschen Diabeteszentren aus der Zeit des Lockdowns, also zwischen Mitte März und Mai 2020, zurück. Dabei verglichen sie die Zahlen mit den Neuerkrankungsraten der entsprechenden Monate in den Jahren 2011 bis 2019.
Wurden im März-Mai-Intervall des vergangenen Jahres 503 Neuerkrankungen registriert, so belaufen sich diese im gleichen Zeitraum für 2020 auf 531 Fälle. Das, so die Studienautoren, entspricht dem normalen jährlichen Anstieg. Die Inzidenz sei durch den Corona-Lockdown im Gegensatz zu den Diabetesraten nach Katastrophen wie dem Gau im Kernkraftwerk Tschernobyl 1986 oder dem Erdbeben in Los Angeles 1994 nicht erhöht.
Die Autoren weisen jedoch darauf hin, dass es lediglich gelungen sei, einen ersten Eindruck zu gewinnen. Weitere Untersuchungen sollen folgen, um mittel- und langfristige Effekte der Corona-Pandemie auf die Erkrankungsrate zu erkunden.
In einer Stellungnahme der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) zeigt sich deren Vizepräsident Professor Andreas Neu erfreut über die Tatsache, dass die Extremsituation durch Corona offenbar nicht zu einer Vermehrung der Typ-1-Diabetes-Fälle bei Kindern und Jugendlichen geführt hat. Denn: Generell zähle psychischer Stress neben anderen Ursachen wie Infektionen zu den Risikofaktoren bei der Entstehung von Diabetes Typ 1.
Doch nicht nur der Typ-1-, sondern auch Typ-2-Diabetes werde durch die Zunahme von Übergewicht, Fehlernährung und mangelnder Bewegung immer häufiger diagnostiziert. Das hat die DDG als Mitherausgeberin in ihrem bereits Ende des vergangenen Jahres erschienenen »Deutschen Gesundheitsbericht Diabetes 2020« deutlich gemacht und auf signifikant steigende Prävalenzen verwiesen.
Ob jung oder alt – hinsichtlich Vorbeugung und Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Therapie und Versorgung auch in der Zukunft bestehe großer Handlungsbedarf. »Es ist fünf vor zwölf«: Das gelte wie beim Klima auch für die aktuelle Diabetesbekämpfung bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Die Gesamt-Situation sei brisant. Vor 50 Jahren noch eine Randerscheinung, habe Diabetes mellitus heute bereits eine wachsende ökonomische Bedeutung mit gleichermaßen zunehmenden gesamtgesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen erlangt. »Eine Krankheit wird politisch«, warnen die Autoren der aktuellen DDG-Bestandsaufnahme.
Aktuell leiden in Deutschland etwa 7 Millionen Menschen an einem Typ-2- sowie 340.000 Erwachsene und 32.000 Kinder- und Jugendliche an einem Typ-1-Diabetes. Die Dunkelziffern sind hoch. Gegenwärtig kämen pro Jahr mehr als 500.000 Neuerkrankungen hinzu. Nicht zuletzt aufgrund der allgemein höheren Lebenserwartung werde die Zahl der Diabeteserkrankungen bis 2040 auf bis zu 12 Millionen ansteigen.
In Deutschland liegt das mittlere Alter bei einer Typ-2-Diabetes-Diagnose derzeit bei 61 Jahren bei Männern und 63 Jahren bei Frauen. Mit Blick auf Therapie- und Präventionskonzepte seien nicht nur Familien, private und öffentliche Gesundheitsanbieter, Arbeitgeber, Kommunen, Städte und Länder, Sportvereine, Medien und Gesundheitspolitiker, sondern auch jeder Einzelne gefragt. Es gelte mit Blick auf das individuelle Krankheits- und Gesundheitsmanagement, vermehrt auch Eigenverantwortung zu übernehmen.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.