| Caroline Wendt |
| 24.11.2025 12:00 Uhr |
Bei einer Endometriose wächst Gebärmutter-artiges Gewebe außerhalb des Uterus. Das verursacht Schmerzen und kann in einigen Fällen zu Organschäden oder einer eingeschränkten Fruchtbarkeit führen. / © AdobeStock/Jo Panuwat D
Krampfartige Schmerzen vor und während der Periode, Beschwerden beim Geschlechtsverkehr oder Zwischenblutungen: Die Symptome der Endometriose sind vielfältig und für viele Frauen eine Belastung. Ursache ist Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut ähnelt, sich aber außerhalb der Gebärmutter ansiedelt – etwa an den Eierstöcken, im Bauchraum oder am Darm. Diese gutartigen Wucherungen können Entzündungen, Vernarbungen und Verwachsungen auslösen und – zumeist zyklusabhängig – starke Schmerzen verursachen. Auch Müdigkeit, Verdauungsprobleme oder ein allgemeines Krankheitsgefühl sind möglich. Zudem kann Endometriose die Fruchtbarkeit beeinträchtigen; viele Betroffene kämpfen mit einem unerfüllten Kinderwunsch.
Die aktualisierte S2k-Leitlinie »Diagnostik und Therapie der Endometriose« – ein Gemeinschaftswerk der gynäkologischen Fachgesellschaften Deutschlands, Österreichs und der Schweiz – macht deutlich: Endometriose ist mehr als eine lokale Erkrankung. Sie kann den ganzen Körper betreffen und wirkt sich nicht nur auf Organe, sondern auch auf das Immunsystem, die Psyche und die Lebensqualität aus.
Im Schnitt dauert es aktuell rund zehn Jahre vom Auftreten der ersten Symptome bis zur richtigen Diagnose. Das ist lang – zu lang – finden die Leitlinienautoren. Daher soll die Diagnostik künftig praxisnäher, symptomorientiert und möglichst schonend erfolgen.
Um dies zu ermöglichen, wurde ein Endometriose-spezifischer Fragebogen entwickelt. Dieser erste Schritt hin zu einer Therapie kann auch durch den eigenen Gynäkologen oder Hausarzt durchgeführt werden. So lässt sich frühzeitig klären, ob eine weiterführende Diagnostik sinnvoll ist.
Als bildgebendes Verfahren empfiehlt die Leitlinie nun in erster Linie eine transvaginale Sonografie – eine Untersuchung, die grundsätzlich in jeder gynäkologischen Praxis durchgeführt werden kann. Wichtig ist jedoch: Die Aussagekraft der Untersuchung hängt stark von der Erfahrung der Untersuchenden ab. Daher sollten bei Verdacht auf Endometriose Patientinnen möglichst frühzeitig an spezialisierte Zentren überwiesen werden.
Führt die Ultraschalluntersuchung nicht zu einem eindeutigen Ergebnis, kann ergänzend eine Magnetresonanztomografie (MRT) durchgeführt werden. In vielen Fällen lässt sich dadurch eine Laparoskopie, also ein minimalinvasiver Eingriff, vermeiden. Die Diagnose einer Endometriose lässt sich durch die Sonografie oder MRT oft ausreichend zuverlässig stellen. Oberflächliche Herde auf dem Bauchfell bleiben bildgebend jedoch häufig unsichtbar. Eine Laparoskopie bleibt daher in bestimmten Fällen notwendig, etwa bei anhaltenden Schmerzen, zur Abklärung einer Sterilität oder wenn Herde vermutet werden, die mit bildgebenden Verfahren nicht sicher nachgewiesen werden können.
Für viele Frauen ist es schon eine große Erleichterung, endlich zu wissen, woher ihre teils unerträglichen Schmerzen kommen. Doch was passiert nach der Diagnose? Muss sofort operiert werden? Nicht unbedingt. Die neue Leitlinie betont, dass es keinen festen Therapieplan gibt. Stattdessen soll die Behandlung individuell auf die Patientin abgestimmt werden, und zwar je nach Symptomen, Schmerzintensität, Kinderwunsch und dem Risiko für Organschäden.
Die Basis bildet meist eine medikamentöse Therapie. Mittel der ersten Wahl sind in der Hormontherapie Gestagene wie Dienogest oder – nach gesicherter Diagnose – GnRH-Antagonisten in Kombination mit einer sogenannten Add-back-Therapie (siehe Kasten). Weitere Optionen wie kombinierte orale Kontrazeptiva, andere Gestagene oder GnRH-Agonisten gelten als Zweitlinientherapie.
GnRH (Gonadotropin-Releasing-Hormon) steuert die Freisetzung der Hormone FSH und LH und damit die Estrogenproduktion. Wird die Wirkung durch GnRH-Antagonisten gehemmt, sinkt der Estrogenspiegel deutlich. Das kann das Wachstum der Endometrioseherde stoppen und Beschwerden lindern.
Da der Estrogenmangel Nebenwirkungen wie Hitzewallungen, Scheidentrockenheit oder Knochenmasseverlust verursachen kann, erhalten Patientinnen im Rahmen der Add-back-Therapie eine geringe Menge Estrogen und Gestagen. Ziel ist es, die Nebenwirkungen zu reduzieren, ohne das Endometriosewachstum erneut anzuregen.
GnRH-Agonisten hingegen stimulieren die Hirnanhangsdrüse dauerhaft, was langfristig zu einer Downregulation führt: Die Hormonproduktion wird eingestellt, der Estrogenspiegel sinkt stark ab. Auch hier kann eine Add-back-Therapie sinnvoll sein.
In bestimmten Fällen ist eine Operation jedoch unumgänglich, etwa bei Darmbeteiligung oder wenn ein Kinderwunsch besteht.
Starke Schmerzen sind für viele Frauen das Hauptsymptom. Anfangs treten sie meist zyklusabhängig auf, können aber im Verlauf auch dauerhaft und unabhängig von der Menstruation bestehen sowie chronisch werden.
Die Leitlinie unterscheidet erstmals zwischen verschiedenen Schmerzmechanismen:
Diese Differenzierung ist bedeutend, da es je nach Schmerztyp unterschiedliche Behandlungsansätze braucht.
Bei akuten Schmerzen – vor allem nozizeptiven – empfiehlt die Leitlinie zunächst nicht steroidale
Antiphlogistika (NSAR) wie Ibuprofen, Naproxen oder Diclofenac. Auch Paracetamol kann eingesetzt werden.
Bei chronischen Verläufen kommen andere Wirkstoffklassen infrage, darunter trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin, Metamizol, Paracetamol, Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, cannabisbasierte Präparate sowie Antikonvulsiva wie Gabapentin oder Pregabalin. Opioide sollen nur in Ausnahmefällen und unter strenger Indikationsstellung verordnet werden.
Neben Medikamenten und Operationen berücksichtigt die aktualisierte Leitlinie auch nicht medikamentöse Verfahren deutlich stärker. Sie sollen multimodal – also kombiniert und aufeinander abgestimmt – eingesetzt werden.
Da viele Patientinnen unter psychischen Belastungen leiden – etwa durch chronische Schmerzen, Begleiterkrankungen oder einen unerfüllten Kinderwunsch –, erhalten psychotherapeutische Verfahren wie kognitive Verhaltenstherapie oder Schmerzbewältigungstraining mehr Gewicht. Auch Entspannungsverfahren wie progressive Muskelrelaxation, autogenes Training und Atemtechniken sind jetzt fester Bestandteil des Analgesiekonzepts. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Gynäkologie, Schmerzmedizin, Psychotherapie und Physiotherapie wird ausdrücklich empfohlen.
Neu aufgenommen in die Leitlinie wurden auch Verfahren wie Yoga und anaerobes Training. Sie können helfen, Menstruationsschmerzen zu lindern. Eine Ernährungsberatung wird besonders dann empfohlen, wenn die Endometriose den Darm betrifft. Ergänzend kommen auch Akupunktur, transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) und vaginale Elektrostimulation infrage. Bei sexuellen Beschwerden sollte zudem eine sexualmedizinische Beratung angeboten werden.
Viele Patientinnen fühlen sich mit ihrer Erkrankung allein und unverstanden. Die Leitlinie betont daher erstmals, wie wichtig der Austausch mit anderen Betroffenen ist. Selbsthilfegruppen können helfen, die psychischen Belastungen zu mindern und die Fähigkeit zu stärken, Beschwerden eigenständig zu bewältigen – also das Selbstmanagement zu verbessern.