Die Bedeutung des Küssens |
Die Studie ist nur eine von vielen wissenschaftlichen Untersuchungen rund ums Küssen. Mit der Philematologie gibt es sogar einen ganzen Wissenschaftszweig, der sich mit dem Knutschen beschäftigt. Schon in den 1960er-Jahren hat eine deutsche Langzeitstudie erstaunliche Ergebnisse zutage gefördert. Ehemänner, die ihrer Frau morgens einen Abschiedskuss geben, lebten durchschnittlich fünf Jahre länger, schrieben die Forscher damals. Neuere Studien haben etwa herausgefunden, dass die meisten Küsser ihren Kopf nach rechts neigen und dass Küssen Heuschnupfen und Dermatitis verringern kann.
Warum Menschen mit dem Küssen angefangen haben, ist dagegen nicht abschließend geklärt. Der inzwischen verstorbene Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibesfeldt vermutete dahinter einen wenig romantischen Grund: Die frühen Menschen hätten Nahrung vorgekaut und sie anschließend ihrem Nachwuchs in den Mund geschoben. Andere Forscher meinen dagegen, dass sich unsere Vorfahren ähnlich wie Tiere im Intimbereich beschnüffelt hätten – und ihre Kontaktversuche mit der aufrechten Haltung nach oben verlagert hätten.
Heute ist bekannt, dass sich auch einige Tiere küssen. Affen und einige Fisch-Arten pressen ihre Münder gegeneinander. Das sei dennoch etwas ganz Anderes als bei Menschen, ist sich Wolfgang Krüger sicher. Für sie seien Kussrituale vor dem Einschlafen oder zum Abschied genauso wichtig wie leidenschaftliche Küsse.
Und wie sieht es mit dem Knutschen in Zeiten von Corona, den Abstandsgeboten und Gesichtsmasken aus? Krüger beobachtet in Therapiesitzungen zumindest bei Paaren zwei gegenläufige Auswirkungen. «Manche reden wieder viel mehr miteinander und küssen sich auch häufiger.» Andere kämen mit der Zwangsnähe dagegen nicht klar, stritten sich ständig und hätten keinen Körperkontakt mehr. «Das ist ein Problem. Eine Beziehung, in der nicht mehr geküsst wird, hat den Charme einer Jugendherberge», sagt Krüger. Paaren, die sich wieder nahekommen wollen, gebe er daher eine Aufgabe: Sie sollen sich küssen, «bis ihnen vor Leidenschaft der Kopf wegfliegt.»