Die beste Qualität gibt es in der Apotheke |
Phytopharmaka sind extraktspezifisch zu testen. Erst klinische Studien machen das evidenzbasierte Arzneimittel aus. / Foto: Adobe Stock/Marina
Pflanzliche Zubereitungen gehören den unterschiedlichsten Produktkategorien an. Pflanzliche Inhaltsstoffe können sowohl in Arzneimitteln, Lebensmitteln/Nahrungsergänzungsmitteln, Medizinprodukten, Homöopathika oder auch Kosmetika sein. Dem Kunden sei jedoch bezüglich der Qualität und des Wirksamkeitsnachweises in der Regel kein Unterschied zwischen den Präparaten bewusst. »Der Verbraucher muss erst verstehen, dass er das beste Produkt dann erhält, wenn Pflanzen als Arzneimittel verarbeitet sind. Droge und Extrakt müssen dabei nach Arzneibuch funktionieren, was die entsprechenden Prüfungen betrifft. Das hat freilich Auswirkungen auf den Gehalt der Inhaltsstoffe«, erklärt Professor Dr. Robert Fürst vom Department Pharmazie der Universität München im Gespräch mit PTA-Forum.
Der Apotheker nannte beispielhaft den unterschiedlichen Gehalt von ätherischen Ölen in Arznei- und Lebensmitteltees. »Das Arzneibuch fordert einen deutlich höheren Gehalt an ätherischen Ölen.« Beispiel Pfefferminztee: Das Europäische Arzneibuch schreibt vor, dass Pfefferminze als Arzneitee mindestens 0,9 Prozent ätherisches Öl enthalten muss. Für Lebensmitteltees sind lediglich 0,6 Prozent ätherische Öle vorgeschrieben. »Das Mehr an Wirkstoffen in einem Arzneitee riecht man schon beim Aufmachen der Kuverts.«
Diese Unterschiede in der Qualität und dem Wirkungsvermögen der Präparate machen es laut Fürst dem pharmazeutischen Personal in der Beratung nicht gerade einfach. »PTA und Apotheker kommen bei pflanzlichen Präparaten schnell in einen Erklärungsnotstand und sie sind sofort in einer Verteidigungshaltung. Der Patient fragt natürlich, warum er das Johanniskraut-Präparat in der Apotheke für so viel mehr Geld kaufen soll als im Drogeriemarkt. PTA und Apotheker müssen viele Schritte erklären, die Beratung ist zeitintensiv.«
Das Apothekenteam müsse vor allem nahebringen, dass es sich bei einem geprüften Phytopharmakon meist nicht um eine zerkleinerte Droge, sondern um einen Extrakt handelt. »Johanniskraut-Präparate aus dem Drogeriemarkt enthalten pulverisierte Droge, was überhaupt nichts mit dem Schritt der Anreicherung wirksamkeitsrelevanter Anteile eines Extrakts zu tun hat. Aber nur so kommt man überhaupt auf die Menge der benötigten Inhaltsstoffe. Diese Prozesse machen das Präparat eben teurer.« Das werde auch in der Beschreibung des Einsatzgebietes deutlich. Bei einem Drogeriemarkt-Präparat ist eben nicht von »gegen depressive Episoden« die Rede, sondern etwa von »Einsatz bei nervöser Unruhe oder mentaler Erschöpfung«, macht der Professor für Pharmazeutische Biologie aufmerksam.
Der Markt von pflanzlichen Präparaten sei extrem intransparent, merkt Fürst kritisch an. »Das zweite große Stichwort ist neben der pharmazeutischen Qualität die Evidenz beziehungsweise damit zusammenhängend der rechtliche Status. Evidenz durch klinische Studien ist zwar nicht für jede Pflanze vorhanden. Aber bezüglich etwa des Erkältungsbereichs können eine Menge Phytopharmaka wirklich etwas herzeigen. Das sind alles Arzneimittel.«
Derzeit beinhalten aus regulatorischer Sicht die HMPC-Monographien (HMPC: Committee on Herbal Medicinal Products) des Ausschusses für pflanzliche Arzneimittel bei der Europäischen Arzneimittelzulassungsbehörde EMA den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand. Die nationalen Behörden der EU-Mitgliedstaaten sollen sie bei der Bewertung von Anträgen auf Zulassung (well-established use) beziehungsweise Registrierung (traditional use) von pflanzlichen Arzneimitteln zugrunde legen. Die Monographien sind nicht unmittelbar bindend, werden aber rechtlich als Empfehlung angesehen.
Daneben gibt es traditionelle Präparate, die auf der Basis tradierten Wissens nach dem ehemaligen § 109a Arzneimittelgesetz registriert wurden. »Per Gesetz darf alles, was in den freiverkäuflichen Ecken der Supermärkte möglich ist, nur traditional use haben. Pharmazeutisch boshaft formuliert könnte man sagen: Dort ist alles unterdosiert für die eigentlichen Anwendungsgebiete«, informiert der Phytopharmaka-Experte.
Und noch einen dritten Vorteil nennt Fürst, den Pflanzen-Präparate aus der Apotheke bieten: die Pharmakovigilanz. »Wenn ein Arzneimittel ein Risiko aufweisen würde, würde das im etablierten Pharmakovigilanzsystem auffallen. Bei einem NEM müsste schon viel passieren, dass im Fall des Falles die Behörden aktiv würden.«
Basis für die Qualität eines Phytopharmakons ist die Qualität der Rohstoffe und der verwendete Teil der Arzneipflanze. »Während noch vor zehn Jahren der überwiegende Anteil an Drogen, die verwendet wurden, aus Wildsammlungen stammte, haben sich heute die Verhältnisse ziemlich geändert. Nach meinen Recherchen wird heute der größere Teil an Pflanzenmaterial durch Anbau gewonnen. Die Firmen investieren, um in Deutschland oder dem europäischen Ausland auch selbst anbauen zu können. Dabei sind eigenes Saatgut und eigener Anbau zwar viel Arbeit. Doch die lohnt sich, weil das pharmazeutische Unternehmen somit die Qualität der Ausgangsware selbst in der Hand hat. Dieser Weg sollte, wann immer möglich, beschritten werden«, so der Phytopharmaka-Experte.
Der in Arzneimitteln verwendete Weißdorn stamme etwa zu einem großen Anteil aus dem Balkan, zum Beispiel aus Rumänien, berichtet Fürst. Dort gebe es noch viele industriell unberührte Landstriche, was sich positiv auf den Schadstoffgehalt der Pflanze und Droge auswirke.