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Psychokardiologie

Die Beziehung von Herz und Psyche

Stress, Angst und Depressionen beeinflussen Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Und umgekehrt begünstigen Herz-Kreislauf-Erkrankungen die Entstehung psychischer Symptome. Diese starke Verbindung sollte in der Patientenversorgung noch mehr Berücksichtigung finden, sagen Psychokardiologen.
Datum 17.08.2021  08:30 Uhr

Das Broken-Heart-Syndrom, auch bekannt als Tako-Tsubo-Syndrom oder Tako-Tsubo-Kardiomyopathie, ist wohl eines der besten Beispiele dafür, welche enormen Auswirkungen Stress auf das Herz haben kann. Betroffene zeigen klassische Symptome eines Herzinfarkts mit plötzlich einsetzenden Brustschmerzen und Atemnot. Sie haben ein verändertes EKG und eine erhöhte Konzentration von Herzenzymen. Einzig ein verschlossenes Herzkranzgefäß ist nicht zu finden. Dafür ist die linke Herzkammer bauchig erweitert, der Ausflusstrakt verengt und die Pumpfunktion eingeschränkt.

Übereinstimmend berichten die Betroffenen von einem vorausgegangenen emotional oder körperlich stressigen Ereignis. Häufig genannt werden Trennungen, der Tod eines nahestehenden Menschen, traumatische Erlebnisse, Lampenfieber, die Diagnose einer schweren Erkrankung, starke Schmerzen oder eine Operation sowie ungewohnte körperliche Anstrengung. Aber auch positive Aufregung wie ein Lottogewinn oder eine Hochzeit können das Broken-Heart-Syndrom auslösen. Ursächlich ist vermutlich die große Menge an Stresshormonen, die in diesen Situationen ausgeschüttet wird. Wissenschaftler gehen derzeit davon aus, dass sie die Herzmuskelzellen schädigen und einen vorübergehenden Funktionsverlust bewirken.

Eine einheitliche Behandlungsmethode ist bisher nicht etabliert. Empfohlen werden Acetylsalicylsäure, Beta-Blocker und ACE-Hemmer, dazu Bettruhe und ausreichend Flüssigkeit. Bei vielen Patienten erholt sich die Pumpfunktion des Herzens innerhalb weniger Tage bis Wochen. Allerdings darf das Broken-Heart-Syndrom auch nicht unterschätzt werden. Es kann lebensbedrohende Komplikationen wie Kammerflimmern, schwere Rhythmusstörungen oder einen kardiogenen Schock verursachen. Etwa 3 Prozent der Betroffenen versterben.

Anfälliger für emotionalen Stress

Das Broken-Heart-Syndrom tritt fast ausschließlich bei Frauen zwischen 50 und 70 Jahren auf. Nur etwa jeder zehnte Patient ist ein Mann. Warum das so ist, ist nach wie vor unklar. Wissenschaftler vermuten, dass der geringere Östrogenspiegel nach der Menopause das Herz von Frauen anfälliger für Stresshormone machen könnte. Und das scheint auch bei anderen Erkrankungen eine Rolle zu spielen. So konnte das Team um Dr. Conglong Wang von der Drexel University in Philadelphia zeigen, dass psychosozialer Stress bei Frauen eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung der koronaren Herzkrankheit (KHK) spielt.

In ihrer Studie haben die Forscher die Daten von mehr als 80.000 Teilnehmerinnen einer großen Gesundheitsstudie (Women´s Health Initiative Observational Study) hinsichtlich einzelner Stressoren untersucht. Dabei zeigte sich, dass besonders belastende Lebensereignisse wie schwerwiegende Erkrankungen oder der Tod des Partners das Risiko einer KHK um 12 Prozent steigerte. Starker sozialer Stress durch negativ wahrgenommene Sozialkontakte steigerte das Risiko um 9 Prozent. Beruflicher Stress alleine war bei Frauen hingegen nicht mit einem erhöhten KHK-Risiko assoziiert. Erst die Kombination aus einem Beruf mit geringen Anforderungen und Kontrolle sowie hohem sozialen Stress ergab eine Risikoerhöhung um 21 Prozent.

So gefährlich wie Adipositas und erhöhte Cholesterolspiegel

Die fortschreitende Forschung im Bereich der Psychokardiologie hat in den vergangenen Jahren immer deutlicher gemacht, dass die Beziehung zwischen psychischer Gesundheit und Herzerkrankungen eng ist. Patienten mit einer Herzinsuffizienz leiden zwei- bis viermal so häufig unter einer depressiven Symptomatik wie gesunde Menschen. Etwa 20 bis 50 Prozent der KHK-Patienten zeigen depressive Symptome wie Niedergeschlagenheit, Antriebs- oder Hoffnungslosigkeit. 15 bis 20 Prozent haben eine ausgeprägte Depression.

Wissenschaftler um Professor Dr. Karl-Heinz Ladwig vom Helmholtz-Zentrum in München konnten inzwischen nachweisen, dass Depressionen das Risiko für eine KHK ebenso stark steigern wie hohe Cholesterolwerte und Adipositas. Dafür haben sie die Daten von rund 3500 Männern zwischen 45 und 74 Jahren, die über eine Zeitspanne von zehn Jahren erhoben wurden, analysiert und das Auftreten von Depressionen mit vier Risikofaktoren verglichen: hohe Cholesterolwerte, Adipositas, Bluthochdruck und Rauchen. Lediglich Rauchen und Bluthochdruck haben ein noch höheres Risiko. Über die Bevölkerung verteilt nehme der Anteil an Herzkreislauftodesfällen aufgrund von Depressionen etwa 15 Prozent ein, schreiben die Autoren in ihrer Studie.

Warum Depressionen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen, ist bisher nicht klar. Möglicherweise begünstigen verschiedene Veränderungen wie Dysfunktionen des endokrinen Systems das Fortschreiten einer Arteriosklerose. Auch inflammatorische Prozesse, die mit Depressionen assoziiert sind, könnten zu einem ungünstigen Verlauf beitragen. Dazu kommen Faktoren wie soziale Isolation, Bewegungsmangel, ungünstige Ernährung, erhöhter Alkohol- und Tabakkonsum. All diese sind als eigenständige Risikofaktoren bekannt und können verstärkt bei psychischen Erkrankungen auftreten.

Neben Depressionen spielen weitere psychische Erkrankungen und Faktoren bei der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine Rolle. So konnte das Team um Annelieke Roest von der Tilburg Universität in den Niederlanden zeigen, dass Angsterkrankungen das KHK-Risiko um 26 Prozent erhöhen, das Mortalitätsrisiko der Betroffenen steigt sogar um 48 Prozent. Patienten mit Schizophrenie versterben laut einer schwedischen Registerstudie im Durchschnitt zehn Jahre früher an einer KHK als die Normalbevölkerung.

Herzerkrankung kann Depressionen begünstigen

Allerdings schließt sich der Kreis auch anders herum. Herzerkrankungen werden von Betroffenen oft als so belastend und bedrohlich erlebt, dass sie sich auf die psychische Gesundheit auswirken können. Forscher um Eyal Shemesh vom Mount Sinai Medical Center in New York haben 73 Herzinfarkt-Patienten über ein Jahr lang hinsichtlich der Entwicklung einer Anpassungsstörung oder posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) untersucht. Hier war jeder vierte bis fünfte Patient betroffen.

In ihrem Positionspapier »Bedeutung von psychosozialen Faktoren« schreibt die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie, dass 30 von 100 Herzinfarkt-Patienten im Anschluss eine Depression entwickeln. Vor allem Frauen unter 60 haben ein besonders hohes Risiko. Bis zu 40 Prozent betrug es in einer Studie von Medizinern um Susmita Mallik von der Emory University School of Medicine in Atlanta, die knapp 2500 Herzinfarkt-Patienten nachbeobachtet haben.

Auch die Psyche behandeln

Aufgrund des engen Zusammenhangs von psychischen und kardialen Faktoren empfiehlt die Nationale Versorgungsleitlinie »Chronische KHK« bereits, psychische und soziale Informationen sowie das Vorliegen einer relevanten psychischen Erkrankung bei allen KHK-Patienten zu erheben. Psychokardiologen sprechen sich allgemein dafür aus, die psychische Gesundheit von allen Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen stärker zu berücksichtigen. In der kardiologischen Praxis umgesetzt werden die Empfehlungen bisher jedoch noch nicht ausreichend. Das zeigen die Daten der EUROASPIRE IV-Studie, einer großangelegten Studie, die die Versorgung von KHK-Patienten in 24 europäischen Ländern untersucht hat. Als Ursache sieht die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie vor allem die mangelnde Honorierung von Screening- und Beratungsleistungen, Arzt-Patienten-Kommunikation und Patientenschulungen. In der stationären kardiologischen Versorgung sei vor allem die kurze Verweildauer ein Problem.

Erste Kliniken haben jedoch inzwischen Psychokardiologie-Stationen eingerichtet. Hier werden vor allem Patienten mit schweren psychischen Erkrankungen sowohl kardiologisch als auch psychosomatisch behandelt. Und auch in vielen Rehabilitationskliniken findet bereits eine fachübergreifende Betreuung der Patienten statt.

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