Die ersten neuen Arzneistoffe 2024 |
Sven Siebenand |
26.01.2024 08:00 Uhr |
Drei zum Jahresstart: So viele neue Arzneistoffe kamen im Januar auf den Markt. / Foto: Adobe Stock/Akin Ozcan
Das erste neue Medikament ist das Orphan Drug Agamree® Suspension zum Einnehmen von Santhera Pharmaceuticals. Darin ist der neue Arzneistoff Vamorolon enthalten. Es wird zur Behandlung der Duchenne-Muskeldystrophie (DMD) ab einem Alter von vier Jahren eingesetzt. DMD ist eine seltene Erbkrankheit, die fast ausschließlich Männer betrifft. Das wichtige Muskelprotein Dystrophin fehlt oder ist in der Funktion eingeschränkt. Bei der Geburt oder kurz danach kommt es im Zuge der Erkrankung zu einem Entzündungsgeschehen, das zur Fibrose der Muskeln führt und sich klinisch durch fortschreitende Muskeldegeneration und -schwäche äußert. Es kommt im Laufe der Erkrankung zum Verlust des Gehvermögens, irgendwann wird eine assistierte Beatmung notwendig. Die DMD reduziert die Lebenserwartung aufgrund von Atem- und/oder Herzversagen deutlich. Corticoide sind der derzeitige Standard für die Behandlung von DMD.
Vamorolon stellt nun eine Alternative zu den vorhandenen Glucocorticoiden dar. Der neue Wirkstoff bindet zwar an denselben Rezeptor wie die Glucocorticoide. Seine nachgeschaltete Aktivität ist aber modifiziert und er ist kein Substrat für 11-β-Hydroxysteroid-Dehydrogenasen, was für die lokale Erhöhung im Gewebe und für eine corticosteroid-assoziierte Toxizität in lokalen Geweben notwendig wäre. Der Wirkstoff wird daher auch als dissoziativer Entzündungshemmer bezeichnet. Das heißt, er soll die Wirksamkeit von den Nebenwirkungen abkoppeln.
Die empfohlene Dosis beträgt 6 mg Vamorolon pro Kilogramm Körpergewicht einmal täglich bei Patienten mit einem Körpergewicht bis zu 40 kg. Bei einem Körpergewicht über 40 kg beträgt die empfohlene Dosis 240 mg Vamorolon pro Tag. Die Suspension muss vor der Einnahme durch Schütteln der Flasche redispergiert werden. Zum Abmessen der Dosis sollte nur die mitgelieferte Applikationsspritze verwendet werden. Sehr häufig beobachtete Nebenwirkungen sind cushingoide Gesichtszüge, Erbrechen, Gewichtszunahme und Reizbarkeit.
Das zweite neue Präparat, das Orphan Drug Loargys® Injektions-/Infusionslösung von Immedica Pharma, enthält den Arzneistoff Pegzilarginase. Zugelassen ist das Medikament zur Behandlung von Arginase-1-Mangel, auch bekannt als Hyperargininämie, ab einem Alter von zwei Jahren. Patienten mit Hyperargininämie sind nicht in der Lage, die Aminosäure Arginin abzubauen, da ihnen das Leberenzym Arginase-1 fehlt. Infolgedessen sammelt sich Arginin im Körper an. Dies kann zu neurologischen Problemen führen, einschließlich Krampfanfällen und Steifheit in den Beinen.
Pegzilarginase soll die mangelhafte Arginase-1-Enzymaktivität bei Betroffenen ausgleichen. Es wurde nachgewiesen, dass Pegzilarginase Arginin im Plasma rasch und nachhaltig reduziert und es in Harnstoff und Ornithin umwandelt. Der Wirkstoff ist pegyliert, um die Halbwertszeit zu verlängern.
Loargys sollte durch intravenöse Infusion oder subkutane Injektion gegeben werden, wobei die Dosis gleich ist. Die empfohlene Anfangsdosis sind 0,1 mg/kg pro Woche. Die Dosis kann in Schritten von 0,05 mg/kg erhöht oder verringert werden, um die therapeutischen Ziele zu erreichen. Die am häufigsten berichtete Nebenwirkung war in Studien Überempfindlichkeit.
Das multiple Myelom ist eine aggressive und bislang nicht heilbare Form von Blutkrebs. Die im Knochenmark gebildeten Plasmazellen werden dabei angegriffen. Zur Behandlung sind in den vergangenen Jahren einige neue Medikamente hinzugekommen. Seit Anfang 2024 gibt es mit Elranatamab (Elrexfio® Injektionslösung, Pfizer) nun ein weiteres Präparat. Es ist zugelassen zur Behandlung erwachsener Patienten mit rezidiviertem und refraktärem multiplen Myelom, die zuvor bereits mindestens drei Therapien erhalten haben, darunter einen immunmodulatorischen Wirkstoff, einen Proteasom-Inhibitor und einen Anti-CD38-Antikörper, und die während der letzten Therapie eine Krankheitsprogression gezeigt haben.
Als sogenannter bispezifischer Antikörper bindet Elranatamab zum einen an das B-Zell-Reifungsantigen (B-cell maturation antigen, BCMA) auf Plasmazellen und zum anderen an das Protein CD3 auf T-Zellen. Dadurch werden die beiden Zellen einander angenähert und die T-Zellen zur Abtötung der Myelomzellen stimuliert. Dieser Wirkmechanismus ist nicht neu. Auch das 2023 eingeführte Teclistamab (Tecvayli®) wirkt auf diese Weise.
Elranatamab wird subkutan von medizinischem Personal injiziert. Die empfohlene Dosis beträgt 12 mg an Tag 1 mit stufenweiser Erhöhung auf 32 mg an Tag 4, gefolgt von der vollständigen Behandlungsdosis von 76 mg wöchentlich von Woche 2 bis Woche 24. Bei Patienten, die mindestens 24 Wochen lang behandelt wurden und auf die Behandlung angesprochen haben, soll das Dosierungsintervall auf ein zweiwöchentliches Behandlungsschema umgestellt werden.
Zu den sehr häufigen Nebenwirkungen zählen unter anderem Zytokinfreisetzungssyndrom, Anämie, Neutropenie, Ermüdung/Fatigue und Infektion der oberen Atemwege.