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Medizingeschichte

Die Geschichte der Menstruation

Die Menstruation ist unweigerlich mit der Menschheit verbunden, dennoch wird sie im historischen Kontext kaum thematisiert. Das liegt in erster Linie daran, dass Geschichtsschreiber meist männlich waren und die Menstruation lange als weiblicher Makel galt. Eine Fehleinschätzung, die bis heute nachwirkt.
Carina Steyer
18.01.2024  16:00 Uhr

Schätzungen zufolge gibt es aktuell rund zwei Milliarden menstruierende Menschen auf der Erde. Ganz unabhängig davon, wie sie selbst zu ihrer Periode stehen, trifft sie noch immer viel zu häufig dasselbe Stigma. Seit der Antike wird die Menstruation als etwas Negatives und Fehlerhaftes gesehen. Sie löst bis heute Scham- und Ekelgefühle aus, weckt Assoziationen zur Unreinheit, wird verschwiegen und nicht thematisiert.

Verantwortlich dafür sind vor allem religiöse Ansichten, falsche wissenschaftliche Theorien und das Patriarchat. So galt der weibliche Körper in der Antike im Vergleich zum männlichen nicht nur als schwächer, sondern auch noch als feuchter und weniger dicht. Die Periode wurde als Möglichkeit gesehen, diese überschüssigen Körperflüssigkeiten abzugeben. Mit dem Christentum kam die Unreinheit dazu. Im Alten Testament heißt es: »Hat eine Frau Blutfluss und ist solches Blut an ihrem Körper, soll sie sieben Tage lang in der Unreinheit ihrer Regel verbleiben. Wer sie berührt, ist unrein bis zum Abend.« In den patriarchalen Weltreligionen wurde und wird noch heute dieser Unreinheitsgedanke als Legitimation benutzt, Frauen systematisch zu unterdrücken und nicht nur während der Periode auszuschließen.

Im 1. Jahrhundert nach Christus verbreitete sich zudem das Falschwissen, dass Menstruationsblut ein giftiger Stoff sei. Diese Annahme hielt sich in Europa ebenso wie der Glaube, dass menstruierende Frauen einen schädlichen Einfluss auf die Ernte, die Herstellung von Butter, das Pökeln von Fleisch, das Aufgehen von Teig oder das Gären von Bier hätten bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts. In Indien ist der Glaube, dass menstruierende Frauen Kühe unfruchtbar machen, bis heute verbreitet.

Wolle, Papyrus, Holz

Über den weiblichen Umgang mit der Menstruation oder die Verwendung von Periodenartikeln finden sich in historischen Aufzeichnungen dementsprechend wenig Informationen. Überliefert ist lediglich, dass Binden und Tampons im alten römischen Reich aus Wolle und in Ägypten aus aufgeweichtem Papyrus gefertigt worden sein sollen. Die alten Griechinnen sollen kleine Holzstückchen mit Stoff umwickelte haben. Zum Teil sollen auch Moos, Wolle, Tierhäute oder Gräser verwendet worden sein. Aufgrund der organischen Materialien sind archäologische Funde sehr selten. Einen überraschenden Zufallsfund konnten Archäologen allerdings bei Ausgrabungsarbeiten einer steinzeitlichen Pfahlbausiedlung in Süddeutschland machen. Die vermeintliche Damenbinde aus Lindenbast wird auf die Zeit um 3000 vor Christus datiert.

In der langen Zeit des Mittelalters war es gängige Praxis, keinerlei Menstruationsprodukte zu verwenden. Abgeleitet aus der Vorstellung des giftigen Periodenbluts wurde angenommen, dass eine Behinderung des Abflusses Entzündungen verursachen könne. Als Sichtschutz dienten lediglich die zahlreichen Kleidungsschichten aus Unter- und Überröcken sowie Hemden und Überhemden, die Frauen damals trugen. Da diese meist tagelang getragen wurden, kam es häufig zu Infektionen.

Die »moderne« Frau

Erst Veränderungen der Mode im 19. Jahrhundert und das Aufkommen von Unterhosen führten zu einer Rückkehr von Menstruationsartikeln. Den Anfang machten Binden aus Stoffbahnen mit verstärkter Einlage, die mit einem Bindengürtel um die Hüfte befestigt wurden. Zugang hatten vor allem Frauen aus der Oberschicht sowie Tänzerinnen und Schauspielerinnen. Später wurden Binden selbst genäht, gestrickt oder gehäkelt. Zudem gab es Menstruationshosen, in die Binden eingeknöpft werden konnten. Die Hygieneanweisungen aus dieser Zeit waren allerdings noch widersprüchlich: Während einige dazu rieten, Binden während der gesamten Zeit der Periode nicht zu wechseln, empfahlen andere mehrmals tägliche Waschungen, die durch Scheidenspülungen ergänzt werden sollten.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war die Industrialisierung so weit fortgeschritten, dass einfache Damenbinden günstig und im großen Stil maschinell gefertigt werden konnten. Die meisten Mädchen und Frauen hatten nun Zugang zu ihnen. Da es sich nach wie vor jedoch um waschbare Materialien handelte, wurden die Binden meist von mehreren Haushaltsmitgliedern benutzt. Die Markteinführung der Einwegbinde erfolgte 1926 und wurde von einer massiven Werbekampagne begleitet. Slogans lauteten etwa: »Was eine moderne Frau nicht mehr wäscht.«

Öffentlich thematisiert wurde die Menstruation jedoch weiterhin nicht und auch der Verkauf von Binden erfolgte unter großer Diskretion. So wurden Einwegbinden ebenso wie Stoffbinden über den Textilhandel vertrieben. Die Käuferinnen bestellten diese nicht mündlich, sondern per vorgefertigter Zettel. So hieß es beispielsweise auf einem der Bestellzettel: »Bitte geben Sie mir eine diskret verpackte Camelia®-Schachtel.« Die Händler erhielten für den Verkauf gesondertes weißes Papier, mit dem die blauen Schachteln blicksicher eingeschlagen wurden.

Mehr Vielfalt

Aufschwung in den Markt der Periodenartikel brachte schließlich noch einmal die Mode. Unterwäsche wurde enger und anliegender. Statt der auftragenden Bindengürtel wurden Binden zunehmend mit Klammern und Sicherheitsnadeln in der Unterwäsche fixiert. Diese Technik hielt sich bis in die 1960er- und 1970er-Jahre und wurde erst durch die Einführung selbstklebender Binden endgültig abgelöst. Später folgten Artikel mit Flügeln und Duft für mehr Hygiene sowie neue Materialien, die es erlaubten, die Produkte dünner zu gestalten.

Auch an Alternativen zur Binde wurde recht schnell getüftelt. So wurde das Patent für Tampons in den USA bereits Anfang der 1930er-Jahre erteilt. Wenige Jahre später war das Produkt massentauglich. In Deutschland war es Carl Hahn, der 1947 den ersten Tampon zum Patent anmeldete. Das Produkt hieß o.b.® – »ohne Binde«.

Weniger durchsetzungsstark war die Menstruationstasse. Schon in den 1860er- und 1870er-Jahren wurden in den USA erste Prototypen patentiert. Einen langfristigen Markteintritt schafften sie ebenso wie bei erneuten Markteinführungen in den 1930er- und 1950er-Jahren nicht. Erst mit den Frauen- und Umweltschutzbewegungen der 1980er-Jahre wurden neben Naturschwämmen auch die Menstruationstassen populär. Heute stehen Stoffbinden, Menstruationstassen, Schwämmchen und Periodenunterwäsche neben Umweltschutz und Nachhaltigkeit auch für einen bewussteren und offeneren Umgang mit der Menstruation.

Nicht für alle zugänglich

Heute ist der Markt an Menstruationsprodukten so breit gefächert und umfangreich wie nie zuvor. Mädchen und Frauen können theoretisch nicht nur zwischen verschiedenen Menstruationsartikeln, sondern auch zwischen Ein- und Mehrwegprodukten, unterschiedlichen Materialien und Preisklassen wählen. In der Praxis sieht das oft jedoch noch anders aus. Nach wie vor gibt es Länder, in denen Menstruationsartikel nicht für alle Mädchen und Frauen zugänglich sind. Das Einsetzen der Periode ist noch immer ein Grund, nicht am Schulunterricht teilzunehmen oder diesen gänzlich abzubrechen.

In Deutschland hat nach Angaben der Organisation Plan International knapp jede vierte menstruierende Frau Schwierigkeiten, Periodenprodukte zu finanzieren. Die Zahl der Frauen, die aus finanziellen Gründen das Wechseln von Binden und Tampons herauszögern, liegt laut einer Studie der Organisation bei 12 Prozent. Bei den unter 24-Jährigen sind es sogar 18 Prozent.

Hochgerechnet auf das ganze Leben müssen Frauen für Menstruationsartikel rund 3400 Euro ausgeben. Eine geschlechtsspezifische finanzielle Mehrbelastung, die zunehmend kritisiert wird und die Forderung nach kostenlosen Periodenprodukten laut werden lässt. Als erstes europäisches Land ist Schottland dem nachgekommen und hat Bildungs- und städtische Einrichtungen gesetzlich dazu verpflichtet, kostenlose Periodenprodukte zur Verfügung zu stellen. Auch in Deutschland finden sich bereits einige Städte wie Tübingen oder Würzburg, die diesem Beispiel folgen. Die Erfahrungen aller Beteiligten sind in der Regel positiv.

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