Die Inflation frisst Gehaltszuwächse |
Die Inflationsrate steigt und steigt: Das bedeutet, dass sich viele Arbeitnehmer immer weniger leisten können. / Foto: Getty Images/Guido Mieth
Dass derzeit gerade Familien, aber auch Singles mit kleinen Gehältern beziehungsweise Ausbildungsvergütungen oder BAföG jeden Euro mehrfach umdrehen müssen und sich bei den drastischen Preissprüngen vieles einfach nicht mehr leisten können, ist bekannt. Auch bei den Apotheken schlagen die Energiepreise und Preiserhöhungen im Logistikbereich zu Buche. Noch ist keine Entspannung durch ein Ende der Kriegshandlungen in der Ukraine abzusehen. Unternehmen, Angestellte und Berufsnachwuchs müssen sich darauf einstellen, dass die Inflation hoch bleibt.
Auch Tarifverhandlungen werden natürlich branchenübergreifend vom Inflationsgeschehen beeinflusst. Manche Experten wie Michael Hüther vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) warnen, dass steigende Gehälter die Preissteigerung weiter anheizen. Andere wie Marcel Fratscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), sehen dagegen in hohen Tarifabschlüssen keine Gefahr und halten sie für angemessen.
Was lässt sich also tun, damit die Gehälter weiter gut zum Leben reichen, ohne dass die Lohn-Preis-Spirale angeheizt wird? Generell empfehlen Experten, die unterschiedlichen Gehaltsgruppen nicht durch rein prozentuale Steigerungen immer weiter »auseinanderzudividieren«. In ihrem Kommentar bei Haufe.de nennen Stefanie Hornung und Sven Franke zwei Beispiele: In dem einen Fall bekommen alle Mitarbeitenden, unabhängig von ihrem Grundgehalt, eine einheitliche Inflationspauschale ausgezahlt. In einem anderen Betrieb bekommen Angestellte im unteren Gehaltsdrittel 6 Prozent, im mittleren Drittel 5 Prozent und im oberen Drittel 4 Prozent mehr. Hier sind Fantasie und Fingerspitzengefühl, aber auch Transparenz gefragt, damit alle Teammitglieder sich fair behandelt fühlen.
Das gilt natürlich auch für die Tarifparteien. Im Apothekenbereich ist so ein Schritt Anfang 2022 sogar schon zweimal geglückt – im Tarifbereich des Arbeitgeberverbands Deutscher Apotheken (ADA) und der Tarifgemeinschaft der Apothekenleiter (TGL) Nordrhein. Für 16 von 17 Kammerbezirken gelten damit Gehaltstarifverträge mit zweijähriger Laufzeit bis Ende 2023. Auch hier gab es keine linearen Steigerungen, sondern ein monatliches Plus, das in der niedrigsten Gehaltsstufe, nämlich bei den PKA, am größten ausfiel.
Neben der Art und Höhe von Gehaltssteigerungen geht es in vielen Tarifabschlüssen heute auch um mehr Freizeit oder die Flexibilität, zwischen Geld oder freien Tagen zu wählen. Ein Beispiel ist der aktuelle Tarifabschluss für die Erziehenden. Er schafft die Möglichkeit, einen Gehaltsbestandteil in zwei zusätzliche Entlastungstage umzuwandeln. Denn Fakt ist: Je nach Lebensphase und individuellen Umständen kann das eine oder das andere attraktiver sein.
Tanja Kratt, Bundesvorstand der Apothekengewerkschaft Adexa / Foto: Adexa
»Den Gürtel enger schnallen«: Das müssen in diesen Zeiten wieder deutlich mehr Menschen. Zum Beispiel die alleinerziehende PTA, die bis Februar gerade so hinkam und sich nun wieder den Kinobesuch mit ihren Kindern verkneifen muss. Oder der PTA, der seine Doppelhaushälfte noch abbezahlt und für den längeren Arbeitsweg auf das Auto angewiesen ist. Boten, Reinigungspersonal und Rentnerinnen dürften in den meisten Fällen ebenso unter den heftigen Preissteigerungen leiden. Viele Einsparmöglichkeiten bestehen nicht, wenn man schon vor der aktuellen Krise die Sonderangebote beim Discounter genutzt hat und Urlaube – nicht nur coronabedingt – Wunschträume bleiben mussten.
Apothekenleitungen haben verschiedene Optionen, um Existenzsorgen in ihrem Team zu begegnen. Dem PTA könnte ein Tankgutschein das Leben erleichtern. Der PKA hilft eine vorerst bis Jahresende befristete monatliche Inflationszulage.
Oder hat sich nicht doch das ganze Team eine Einmalzahlung verdient? Weil Geld laut Studien darüber entscheidet, ob man geht oder bleibt, ist die Gehaltsfrage wichtig für die Apotheken. Denn sie brauchen neben Nachwuchs und Wiedereinsteigerinnen und -einsteigern auch erfahrene Teamplayer, die nicht wegen der besseren Verdienstaussichten in andere Bereiche wechseln.
Und ja, natürlich haben auch Inhaberinnen und Inhaber jetzt höhere Betriebskosten. Es hilft dann meist, dies offen zu kommunizieren und anschließend im Team mögliche Lösungen zu diskutieren.
Auch bei den Rahmentarifverhandlungen ist Offenheit und Fantasie von beiden Seiten gefragt. Denkverbote helfen gerade in Krisen nicht weiter – jetzt ist Zeit für neue Ideen und moderne, familienfreundliche Arbeitsbedingungen!