Die Leber entfetten |
Barbara Döring |
15.04.2024 08:30 Uhr |
Einen Haferkur hilft bei nicht alkoholischer Fettleber, überflüssige Pfunde abzubauen. Kaffee kann der Fibrose entgegenwirken. / Foto: Getty Images/Elena Medoks
Sie ist das größte innere Organ und die produktivste Drüse des Körpers: Die Leber hilft bei der Verdauung, indem sie täglich bis zu 1 Liter Gallenflüssigkeit bildet, sie ist an der Regulation des Blutzuckers beteiligt, stellt körpereigenes Eiweiß her und ist ein wichtiger Eisenspeicher. Doch bekannt ist die Leber vor allem als Entgiftungszentrale des Körpers. Sie baut Alkohol und Medikamente ab und filtert Schadstoffe aus dem Blut, die anderen Organen wie dem Gehirn gefährlich werden könnten.
Doch auch der Leber kann es zu viel werden, wenn ihre Zellen permanent mit giftigen Produkten wie Azetaldehyd, das beim Abbau von Alkohol entsteht, konfrontiert werden. Dann laufen wichtige Stoffwechselprozesse nicht mehr rund, die Leberzellen lagern vermehrt Fett ein und können fibrosieren. Von einer Fettleber (Steatosis hepatis) ist die Rede, wenn mehr als 5 Prozent der Hepatozyten zu viel Fett angesammelt haben.
Nicht immer ist Alkohol die Ursache dafür. Weltweit ist die nicht alkoholische Fettleber (NAFLD) bezeichnet, inzwischen häufiger als die alkoholische Fettleber (AFLD). Laut Deutscher Leberstiftung ist hierzulande davon jeder dritte Bundesbürger über 40 Jahren betroffen. Auch jedes dritte übergewichtige Kind weist bereits eine entsprechende Organveränderung auf.
Eine ungesunde Ernährungsweise mit dauerhaft erhöhten Blutzuckerwerten sowie Übergewicht, gepaart mit Bewegungsmangel, sind die größten Risikofaktoren. Werden dem Körper permanent mehr Kalorien zugeführt, als er verbrennen kann, lagert sich die überschüssige Energie in Form von Fett in den Leberzellen ein. Eine genetische Prädisposition kann dabei eine Rolle spielen. So haben Forscher der Universität Würzburg kürzlich herausgefunden, dass eine Genvariante, die eine Fetteinlagerung in die Leber begünstig, schon bei Neandertalern auftrat. Bei ihnen war die Fähigkeit, schnell Fett einzulagern, ein Überlebensvorteil.
Heute ist aus dem Vorteil ein gesundheitliches Risiko geworden. Denn nicht nur das Überangebot an fettreichen Speisen begünstigt eine Fettleber. Auch ein hoher Verzehr von Kohlenhydraten, vor allem kurzkettigen wie Zucker, gilt als maßgeblicher Auslöser. Erhält der Körper permanent zu viel davon, ist der Insulinspiegel dauerhaft erhöht, was die Fettneubildung in der Leber steigert. Ob alkohol- oder ernährungsbedingt: Durch die vermehrte Fetteinlagerung kann es in der Leber zu Entzündungen kommen. Bei etwa jedem fünften Patienten ist das der Fall. Ändert sich die Lebensweise nicht, droht eine Fibrose, bei der Lebergewebe zunehmend durch Bindegewebe ersetzt wird. Sie kann zu einer irreversiblen Zirrhose und letztlich zu Leberkrebs führen .
Das Fatale: Eine Fettleber wird oft lange nicht bemerkt, denn sie bereitet in der Regel keine Beschwerden. Allenfalls können anhaltende Müdigkeit, ein Druckgefühl im rechten Oberbauch oder häufiges Völlegefühl Hinweise sein. Betroffene erhalten die Diagnose meist bei einer Routineuntersuchung oder einem Diabetes-Check, bei dem der Arzt auch die Leberwerte bestimmt. Diese sind jedoch bei einer Fettleber nicht zwangsläufig verändert. Sicherer – wenn auch oft erst bei mittelgradiger Verfettung – lässt sich die Organveränderung mithilfe einer Ultraschalluntersuchung feststellen.
Bisher gibt es keine medikamentöse Therapie, um die Leber vom überschüssigen Fett zu befreien. Die gute Nachricht ist jedoch, dass die Umstellung des Lebensstils der Fettleber effektiv entgegenwirkt. Während bei der AFL die Alkoholabstinenz im Vordergrund steht, kommt es bei einer NAFLD darauf an, Übergewicht abzubauen, die Ernährung anzupassen und für mehr Bewegung zu sorgen. Übergewichtige oder adipöse Patienten sollten laut der NAFLD-Leitlinie ihr Gewicht um mindestens 5 Prozent senken, um die Leberverfettung und Entzündungen, die damit einhergehen, entgegenzuwirken. Besteht bereits eine Leberfibrose, ist eine Gewichtsreduktion von mindestens 10 Prozent anzustreben.
Um Gewicht abzunehmen und die Leber zu entfetten, empfehlen die Leitlinienautoren eine hypokalorische Diät mit 1200 kcal pro Tag für Frauen und 1400 bis 1500 kcal pro Tag für Männer, was einer Kalorienreduktion von 500 bis 1000 Kalorien pro Tag entspricht. Geeignet sind dafür zum Beispiel Low-Carb-Diäten. Indem Kohlenhydrate wie Zucker eingespart werden, steigt der Insulinspiegel im Laufe des Tages nicht zu stark an, sodass die Fettneubildung in der Leber nicht permanent auf Hochtouren. Als Low-Carb-Diät ist zum Beispiel eine mediterrane Ernährungsweise geeignet, mit viel Gemüse und Salaten, zuckerarmem Obst wie Beeren, pflanzlichen Fetten aus Olivenöl sowie Nüssen und Samen (circa 30 g pro Tag) sowie ballaststoffreichen Hülsenfrüchten und ein bis zwei Portionen Fisch pro Woche. Zurückhaltung geboten ist bei einfachen Kohlenhydraten wie isoliertem Zucker, zuckerhaltigen Speisen und Getränken sowie bei Fleisch und Wurstwaren. Zusätzlich sollten Patienten mit Übergewicht pro Woche drei Stunden Ausdauertraining in moderater bis mittlerer Intensität einplanen.
Eine weitere effektive Möglichkeit, um die Fettleber schnell zu entlasten, sind Formulardiäten über sechs bis acht Wochen, Heilfasten oder regelmäßige Stoffwechselentlastungstage, zum Beispiel mit einer Haferkur. Der positive Effekt von Formulardiäten auf die Leber ist in Studien nachgewiesen. Dabei sind 800 bis 1200 kcal pro Tag erlaubt. Eine kalorienreduzierte Diät mit 600 kcal aus Formularprodukten und 200 kcal in Form von Gemüse konnte in einer Studie den Fettgehalt der Leber innerhalb von einer Woche um 30 Prozent und nach acht Wochen um 70 Prozent reduzieren.
Auch Heil- oder Intervallfasten sowie Haferkuren entfetten die Leber mithilfe eines reduzierten Nahrungsangebots und Essenspausen. Bei der Haferkur essen die Patienten regelmäßig, zum Beispiel einmal im Monat, über zwei bis vier Tage ausschließlich Haferspeisen. Jede Diätmaßnahme sollte mit dem behandelnden Arzt besprochen und möglichst von einem Ernährungsberater begleitet werden, um individuelle Bedürfnisse der Patienten zu berücksichtigen.
Heilfastenkuren ohne feste Kost und mit maximal 500 kcal am Tag über zwei bis drei Wochen werden in der Regel in einer Fastenklinik durchgeführt, da hier bei Vorerkrankungen eine ärztliche Aufsicht erforderlich ist. Auch Intervallfasten, das sich meist besser als Heilfasten im Alltag realisieren lässt, kann sich positiv auf den Leberstoffwechsel auswirken. Vor allem für Diabetiker ist auch hier eine ärztliche Abstimmung wichtig, da sich der Medikamentenbedarf ändern kann.
Hat sich die Leber etwas erholt und das Gewicht reguliert, gilt es, einer erneuten Leberverfettung vorzubeugen. Das gelingt am besten, wenn die tägliche Kalorienaufnahme nicht über dem individuellen Bedarf liegt und schnell verfügbare, einfache Kohlenhydrate gemieden werden. Auch dafür ist eine mediterrane Kost oder eine ausgewogene, pflanzenbetonte Ernährungsweise geeignet, wie sie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt: reichlich Gemüse und Obst (fünf Portionen pro Tag). Hülsenfrüchte und Vollkornprodukte, Nüsse und Samen, kaltgepresste pflanzliche Öle, täglich zwei Portionen Milchprodukte, ein bis zwei Portionen Fisch pro Woche, frische Kräuter und Gewürze. Maximal 300 g Fleisch und Wurst sowie ein Hühnerei sollten es pro Woche sein.
Zu meiden sind weiterhin einfache Kohlenhydrate wie Zucker, zuckerhaltige Speisen und Getränke wie Softdrinks sowie Weißmehlprodukte. Pro Tag sind maximal 50 g Zucker erlaubt (pur und in Fertigprodukten). Dazu zählen auch Fructose und Glucose sowie Sirupe, die besonders in Verdacht stehen, eine Fettleber anzuheizen. Sie sind vor allem in Säften, Softdrinks, Süßigkeiten, Fertigmüslis und Fruchtjoghurts enthalten. Da Insulin die Fettaufnahme in die Leber fördert, gilt es, den Insulinspiegel nicht durch ständiges Naschen hoch zu halten. Ideal sind zwei bis vier Mahlzeiten am Tag mit Essenspausen, in denen sich der Zuckerstoffwechsel stabilisieren kann.
Und wie steht es mit dem Alkoholkonsum, wenn eine Fettleber nicht durch geistige Getränke, sondern ernährungsbedingt entstanden ist? Studien zeigen, dass Alkohol auch bei NAFLD die Fibrose beschleunigen kann und ein wichtiger Risikofaktor für die Entwicklung einer Leberzirrhose ist. Patienten mit moderatem Alkoholkonsum sollten diesen weiter reduzieren, bei fortgeschrittener Erkrankung ist zur kompletten Abstinenz zu raten.
Kaffee darf sich dagegen jeder Patient gerne schmecken lassen. Er reduzierte in Studien das Risiko für eine Fibrosierung und die Entwicklung einer NAFLD. Ergänzend zur ausgewogenen Ernährung empfehlen Experten 150 bis 300 Minuten Ausdauersport pro Woche. Diese langfristigen Anpassungen des Lebensstils gelten auch für NAFLD-Patienten, die normalgewichtig sind. Nicht immer geht die Erkrankung mit Übergewicht einher. Studien zeigen, dass bei gleichem Body-Mass-Index Körper unterschiedliche Fettgehalte aufweisen können. Für sie steht nicht die Kalorienreduktion, sondern die Änderung des Lebensstils im Vordergrund.
Um eine Stigmatisierung von Erkrankten zu vermeiden und Diagnosen treffsicherer zu machen, haben internationale Leberfachgesellschaften im vergangenen Jahr eine präzisere Nomenklatur für Fettlebererkrankungen beschlossen. Offizielle deutsche Begriffe stehen jedoch noch nicht fest, weshalb an dieser Stelle die englischen Begriffe vorgestellt werden.
Im Englischen lautet der neue Oberbegriff für Fettlebererkrankungen nun »steatotic liver disease (SLD)«, was wörtlich übersetzt so viel wie »steatotische Lebererkrankung« bedeutet. Dieser Oberbegriff schließt alle Fettlebererkrankungen unabhängig von der Ursache ein.
Die neuen Unterbegriffe orientieren sich an den jeweiligen Ursachen:
Quelle: Deutsche Leberhilfe