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Darmflora

Die Macht des Mikrobioms

Nach und nach deckt die Forschung auf, welchen Einfluss das Milieu im Darm auf die Entstehung der verschiedensten Krankheiten und auch auf deren Heilung hat. Zunehmend rücken die Bewohner des Verdauungstraktes in den Fokus, das sind Viren oder Einzeller wie Bakterien und verschiedene Pilze.
Edith Schettler
18.09.2019  16:00 Uhr

Die auf der Haut und im Verdauungstrakt lebenden Billionen Bakterien, Viren und Pilze wiegen beim Erwachsenen zusammen etwa 1,5 Kilogramm. Ein Teil von ihnen wird täglich mit dem Stuhl ausgeschieden. Die Differenz gleichen die Mikroben durch ihre Vermehrung selbst wieder aus, falls sie optimale Bedingungen vorfinden: genügend präbiotische Nährstoffe wie unverdauliche Polysaccharide aus Vollkorn, Gemüse und Obst, ein gesundes, von Entzündungen freies Darmmilieu und eine intakte Symbiose untereinander.

Einen Teil der täglich ausgeschiedenen Mikroorganismen nehmen Menschen über die Nahrung wieder zu sich, denn auch Tiere und Pflanzen verfügen über ein Mikrobiom. Äpfel enthalten beispielsweise neuesten Erkenntnissen zufolge im Kerngehäuse und im Fruchtfleisch mehr als 100 Millionen Bakterien. In frischen Bio-Äpfeln leben deutlich mehr verschiedene Spezies als in Äpfeln aus konventionellem Anbau.

Jede Mikroben-Spezies braucht ein optimales Milieu, in dem sie sich gut vermehren kann. Ihre Stoffwechselprodukte, zum Beispiel kurzkettige Fettsäuren, tragen dazu bei, dieses Milieu aufrecht zu erhalten und beeinflussen damit auch die Beschaffenheit der Darmschleimhaut. Über das Kreislaufsystem können sich die mikrobiellen Stoffwechselprodukte im ganzen Körper verteilen. Die vom Mikrobiom produzierten Stoffe können für den Menschen sehr hilfreich sein, wie zum Beispiel die Vitamine K und B12. Andererseits kann das Mikrobiom auch schädlich Substanzen bilden, wie beispielsweise bestimmte Toxine.

Das Mikrobiom, der Fingerprint des Darms

Die Mikrobiome der einzelnen Menschen sind so unterschiedlich wie deren Fingerabdrücke. So unterscheidet sich die Darmflora eines Veganers deutlich von der eines Fleischessers. Naturvölker haben zudem eine wesentlich reichere Vielfalt an Keimen als Menschen in Industriestaaten. Die Nahrung bestimmt die Zusammensetzung der Darmflora mit, ebenso Alter und Geschlecht, Lebensumstände und Medikamente.

Einen noch größeren Einfluss nimmt nach neuesten Untersuchungen jedoch die Funktion der Bauchspeicheldrüse ein. Eine verminderte Konzentration eines Verdauungsenzyms des Pankreas, der Elastase, bringt zum Beispiel starke Veränderungen von Zusammensetzung und Artenvielfalt des Mikrobioms mit sich, so eine neue Erkenntnis von Wissenschaftlern der Universität Greifswald. Die Konzentration gesundheitsschädlicher Bakterien nahm zu, die gesundheitsfördernder hingegen ab.

Ungleichgewichte des Darmmikrobioms können sich in Verstopfung, Blähungen oder Durchfällen zeigen, aber auch in allgemeinen Symptomen wie Müdigkeit und Infektanfälligkeit. Bestimmte Variationen der Darmmikrobiota stehen darüber hinaus im Verdacht, am Ausbruch von Autoimmunerkrankungen, Autismus und an der Entwicklung einer Adipositas beteiligt zu sein.

Futter für das Mikrobiom

Das Mikrobiom profitiert von Rohkost, mindestens 30 Gramm Ballaststoffen pro Tag, von milchsauren Produkten wie Joghurt und Sauerkraut, die präbiotisch wirken. Zucker, rotes Fleisch und einige Arzneimittel wirken kontraproduktiv, hier in erster Linie Antibiotika, Protonenpumpenhemmer, Antidepressiva, Corticoide und Steroide. Antibiotika im frühen Kindesalter könnten sich negativ auf das Mikrobiom auswirken. Daneben sehen Forscher den Einsatz von künstlicher Säuglingsnahrung und chloriertem Trinkwasser kritisch.

Jede Bearbeitung der Nahrung verringert die Anzahl der von Natur aus enthaltenen Mikroorganismen. Die meisten Einzeller werden unter dem Einfluss von Hitze zerstört. Am Ende der Kette einer industriellen Bearbeitung von Nahrung mit Emulgatoren, Süßstoffen, Farb- und Konservierungsmitteln bleibt nichts mehr von den ursprünglich vorhandenen Mikroben übrig, was ja aus Gründen der Haltbarkeit auch so gewollt ist.

Gezielte Bakterien-Gabe schwierig

Probiotika sind lebende Mikroben, die bei Aufnahme in den Darm günstige Wirkungen für den Körper hervorrufen sollen. Das Konzept, schädliche Bakterien der Darmflora durch nützliche zu verdrängen, geht auf den russischen Bakteriologen Ilja Metschnikoff (1845-1916) zurück. Etwa 1000 Bakterienspezies wurden im Dickdarm bisher identifiziert. Sie alle zu ersetzen, ist gegenwärtig unmöglich und wahrscheinlich auch nicht sinnvoll. Bis dato ist nur teilweise bekannt, welche Bakterien bei welcher Indikation helfen könnten, und auch hier gibt es Menschen, die von einem Bakterienstamm zu profitieren scheinen, wohingegen dieser bei einem anderen Patienten keine wahrnehmbare Wirkung zeigt.

Eine gezielte Gabe mit Hilfe einer Vorab-Stuhluntersuchung zu spezifizieren, ist schwierig, denn das Spektrum der Mikroben im Stuhl weicht von dem im Darm deutlich ab. Die Hauptvertreter der Bakterien im Stuhl sind Spezies der Gattungen Bacteroides, Eubacterium, Bifidobacterium, Peptostreptoccocus, Fusobacterium, Ruminococcus, Clostridium und Lactobacillus. Als dominierende Arten im Dickdarm haben Forscher an Hand von DNA- und RNA-Analysen Firmicutes, Bacteroidetes, Proteobacteria und Actinobacteria ausgemacht.

Nicht alle Bakterienstämme probiotisch

In Studien konnten positive Ergebnisse gefunden werden für die Wirkung von Faecalibacterium prausnitzii bei Morbus Crohn, Escherichia coli Nissle 1917 bei Colitis ulcerosa sowie Lacto- und Bifidobakterien, um die Immunität gegen Rotaviren zu verbessern. Die letzten beiden Bakterienstämme sind die bisher am besten untersuchten Probiotika. Vielfach haben nur bestimmte Stämme die günstigen probiotischen Eigenschaften, nicht dagegen nahe Verwandte.

So sind bei den Bifidobakterien nur Bifidobacterium bifidum, Bifidobacterium lactis, Bifidobacterium infantis 35624 sowie Bifidobacterium breve BR03 und bei den Laktobazillen Lactobacillus acidophilus, Lactobacillus plantarum, Lactobacillus salivarius LS01 und Lactobacillus rhamnosus GG probiotisch wirksam.

Probiotika kommen zur Behandlung von Darmproblemen wie Durchfällen und Verstopfung zum Einsatz, zur Stabilisierung der Barrierefunktion der Darmmukosa, bei Hautkrankheiten wie atopischer Dermatitis, bei allergischem Asthma, Diabetes mellitus und erhöhtem Cholesterinspiegel.

Sie werden 90 bis spätestens 30 Minuten vor den Mahlzeiten geschluckt, damit möglichst viele Mikroben den Dickdarm erreichen. Eine ausgewogene und naturbelassene Ernährung sorgt dafür, dass die Ansiedelung auch gelingt. Die Produkte haben meist den Status eines Nahrungsergänzungsmittels oder eines Medizinproduktes. Trotzdem sollte eine unkritische Verwendung unterbleiben.

US-amerikanische Forscher haben herausgefunden, dass durch eine langfristige Anwendung von Probiotika Fehlbesiedelungen des Darmes entstehen können, die ihrerseits wieder Beschwerden wie Blähungen und sogar kognitive Probleme verursachen können. Sie fordern deshalb für diese Produkte die Zulassung als Arzneimittel. Auch für immunsupprimierte Patienten sind Probiotika nicht geeignet.

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