Die Pandemie wirkt nach |
Junge Menschen haben laut einer Studie das Gefühl, ihre sozialen Beziehungen hätten sich verschlechtert. / © Getty Images/MementoJpeg
In den Industrieländern greift eine wachsende Einsamkeit unter jungen Leuten und Senioren um sich, wie eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ergeben hat. Unter den 16- bis 24-Jährigen sank der Anteil mit täglichen Kontakten zu Freunden zwischen 2015 und 2022 von 44 auf 36 Prozent, nachdem es bereits zwischen 2006 und 2015 einen Rückgang um neun Prozentpunkte gegeben hatte, wie die Industriestaatenorganisation in Paris mitteilte.
Die jüngste Altersgruppe sei auch die Einzige gewesen, die keinen Anstieg täglicher Kontakte zu Freunden über Telefon oder soziale Medien zu verzeichnen hatte. Zusammen mit den 25- bis 49-Jährigen trugen sie auch zum allgemeinen Anstieg des Anteils der Befragten bei, die nie Kontakt zu Freunden aufnehmen, so die OECD.
Von dem Gefühl, dass sich die sozialen Beziehungen verschlechtert hätten, seien junge Menschen zwischen 2018 und 2022 die am stärksten betroffene Gruppe. Sie verzeichneten Verschlechterungen in fast allen Bereichen der sozialen Beziehungen.
Unter älteren Menschen ab 65 Jahren wurde unterdessen unter allen Altersgruppen der stärkste Anstieg an sozialer Isolation festgestellt – dabei geht es um den Anteil der Menschen, der angibt, sich nie mit Freunden zu treffen. Der Anteil stieg zwischen 2015 und 2022 um 5,5 Prozentpunkte auf 11,4 Prozent.
Allerdings gab die OECD zu bedenken, dass bei diesen Zahlen noch die Zurückhaltung bei direkten Kontakten während der Corona-Pandemie eingeflossen sein dürfte. Insbesondere ältere Menschen seien während der Hochphase der Pandemie vor den Gefahren persönlicher Treffen mit anderen Menschen gewarnt worden.
Insgesamt kam die OECD-Studie zu dem Ergebnis, dass der Anteil der Menschen in den Industrieländern, die sich persönlich mit anderen treffen, in den letzten 15 Jahren stetig zurückgegangen ist, während der häufige Kontakt mit Freunden und Familie über Telefon oder soziale Netzwerke zugenommen hat. Eine wachsende Minderheit bleibe sozial isoliert – sie treffe sich nie mit Freunden und habe keinen Kontakt zu ihnen. Dieser Trend habe sich in den Jahren nach der Corona-Pandemie noch beschleunigt.
Trotz ihrer Verbreitung bleibt Einsamkeit oft unausgesprochen, etwa weil Betroffene die Schuld auf sich selbst schieben. »Keiner sagt gerne: ›Ich bin einsam‹. Es schwingt oft die Angst mit, nicht liebenswert genug zu sein«, so die Beobachtung der Sozialpädagogin Salome Möhrer-Nolte von der Telefonseelsorge Deutschland. Gerade deshalb sei es wichtig, sich das Gefühl einzugestehen.
Anonyme Anlaufstellen wie die Telefonseelsorge bieten einen niedrigschwelligen Zugang. »Allein das Zuhören hilft schon vielen weiter«, berichtet Salome Möhrer-Nolte. Für manche ist es der erste Schritt zurück ins soziale Leben.
Wer selbst aktiv werden möchte, kann damit beginnen alte Kontakte zu reaktivieren, hier ist das Risiko der Ablehnung geringer. Aber auch die eigene Wahrnehmung spielt eine Rolle: Es hilft, vermehrt auf Gemeinsamkeiten mit anderen Menschen zu achten und Positives in den Fokus zu rücken.
Wer es auf Dauer nicht schafft, sich aus der Einsamkeit zu befreien, wer sich immer mehr zurückzieht und das Gefühl hat, das eigene Leben und man selbst habe keine Relevanz, sollte sich professionelle Hilfe suchen: Angefangen von der Telefon-Seelsorge (0800 1110111 oder 0800 1110222) oder Chat-Seelsorge über den Hausarzt oder eine Sozialberatungsstelle bis zur Akut-Sprechstunde einer psychotherapeutischen Praxis.