Die Vielfalt verstehen |
Dass nicht jeder Mensch nur weiblich oder männlich ist, stößt oft noch auf Unverständnis. / Foto: Adobe Stock/ink drop
Wird ein Kind geboren, entscheidet das Aussehen seiner Geschlechtsorgane, ob es als weiblich oder männlich registriert wird. Bei sogenannten Cismenschen passt diese Zuordnung mit ihrem inneren Wissen und Empfinden über die eigene Geschlechtszugehörigkeit, der sogenannten Geschlechtsidentität, überein. Bei trans* Menschen ist das nicht so. Ihre Geschlechtsidentität weicht von dem bei der Geburt eingetragenen Geschlecht ab. Sie gehören entweder dem anderen Geschlecht an oder können sich nicht in das Zwei-Geschlechtersystem, das in unserer Gesellschaft noch verankert ist, einordnen.
Ist die Geschlechtsidentität eindeutig weiblich oder männlich, wird das als binär bezeichnet. Daneben existiert die Beschreibung nicht binär (auch non-binary), in die verschiedene Ausprägungen und Geschlechtsidentitäten von Menschen zusammengefasst werden, die sich nicht oder nur teilweise in den Kategorien weiblich oder männlich einordnen. So gibt es zum Beispiel »genderfluid«, was bedeutet, dass das Geschlechtsempfinden fließend ist und sich immer wieder verändert. Der Begriff »agender« steht für Menschen, die sich ohne Geschlecht fühlen, »bigender« beschreibt, dass sich jemand zweigeschlechtlich erlebt. Aus Studien zur Geschlechtsidentität geht hervor, dass etwa 2/3 der trans* Menschen sich als binär, 1/3 als non binär definieren.
Trans* zu sein ist keine Krankheit und keine psychische Störung. Nach derzeitigem Stand der Wissenschaft ist die Geschlechtsidentität eines Menschen spätestens im Kleinkindalter vollständig ausgebildet. Trans* Menschen sind dabei in ihrer Geschlechtsidentität ebenso gefestigt wie Cismenschen, sehen sich aber mit der Tatsache konfrontiert, dass diese in einer Gesellschaft, die von der Annahme geprägt ist, dass jeder Mensch ausschließlich weiblich oder männlich mit eindeutigen körperlichen Merkmalen ist, auf Unverständnis stößt. Viele von ihnen warten deshalb lange, bis sie ihre geschlechtliche Identität ihrem Umfeld preisgeben.
Wie die Geschlechtsidentität nach dem Coming-out gelebt wird, ist individuell und ganz verschieden. Es gibt keine Abläufe, Regeln oder vorgegebenen Schritte. Manche trans* Menschen leben eindeutig als Frau, andere als Mann, nehmen eine offizielle Änderung des Namens oder Personenstandes vor. Manchen ist es wichtig, sich ihrer Geschlechtsidentität körperlich so weit wie möglich anzugleichen. Sie nutzen dafür medizinisch verfügbare Methoden wie die Einnahme von Sexualhormonen, chirurgische Eingriffe, Epilation zur Entfernung der Körper- und Gesichtsbehaarung oder logopädische Techniken, um die Stimme anzupassen. Andere nehmen nur einen Teil der medizinischen Möglichkeiten wahr oder empfinden den eigenen Körper genau richtig wie er ist.
Wie viele trans* Menschen es gibt, lässt sich statistisch schwer erheben. Die Gründe liegen zum einen an uneinheitlichen trans* Definitionen (siehe Kasten) und zum anderen an fehlenden Messinstrumenten. Dennoch gibt es Schätzungen. So geht die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti) davon aus, dass etwa 0,6 Prozent der Gesamtbevölkerung in Deutschland trans* sind.
Viele von ihnen erleben in ihrem alltäglichen Umfeld massive Diskriminierung in Form von Drohungen, Ausgrenzung, sozialem Ausschluss, Spott, Beleidigungen oder Gewalt. Ein großer Teil hat auch im Gesundheitssystem bereits negative Erfahrungen gemacht. Damit die Apotheke für alle Menschen eine vertraute und sichere Atmosphäre bieten kann, ist es hilfreich, sich mit verschiedenen Begrifflichkeiten rund um trans* auseinanderzusetzen. So kann man Formulierungen und Verhaltensweisen, die ungewollt zur Diskriminierung von trans* Menschen beitragen, gezielt vermeiden. Folgende Auflistung bietet einen Überblick und alternative Ausdrucksweisen:
Trans* Menschen in ihrer geschlechtlichen Identität anzuerkennen, auch wenn körperliches Erscheinungsbild, Stimme oder Personaldokumente nicht (völlig) mit der Geschlechtsidentität übereinstimmen oder sie nicht gängigen Stereotypen entsprechen, kann trainiert werden.
In der Broschüre »Trans* in den Medien« von TransInterQueer e. V. wird folgende Übung empfohlen: Beantworten Sie sich die Frage, woher Sie wissen, ein Mann oder eine Frau zu sein. Argumentieren Sie dabei nicht mit primären und sekundären Geschlechtsmerkmalen. Egal wie leicht oder schwer Ihnen die Beantwortung der Frage fällt, Sie teilen in diesem Moment jene »Beweislast«, die trans* Menschen unfreiwillig dutzendfach liefern sollen.