Diese Covid-19-Medikamente sind vielversprechend |
Juliane Brüggen |
05.07.2021 10:30 Uhr |
Neutralisierende Antikörper sind eine vielversprechende Therapieoption im frühen Stadium einer Covid-19-Erkrankung. Sie docken an das Virus an und verhindern dadurch, dass das Virus in menschliche Zellen eindringt. / Foto: Adobe Stock/Kateryna_Kon
Experten der »Strategie für Covid-19-Therapeutika«, einem Teil der Europäischen Gesundheitsunion, haben am vergangenen Dienstag fünf Medikamente gegen Covid-19 vorgestellt, denen eine Zulassung bevorstehen könnte. „Das ist die Europäische Gesundheitsunion in Aktion“, sagte Stella Kyriakides, als Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit der EU-Kommission. Ziel der Gesundheitsunion ist es, Gesundheitskrisen wie die jetzige Pandemie in der EU gemeinsam zu meistern.
Alle fünf Kandidaten sind schon in einem fortgeschrittenen Stadium der Entwicklung. Bei vier davon handelt es sich um monoklonale Antikörper, teils zwei in Kombination, die sich im Rolling-Review-Verfahren der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) befinden. Zusätzlich ist ein Immunsuppressivum unter den Kandidaten, das bereits bei Rheumatoider Arthritis und Neurodermitis zugelassen ist. Hier wäre also nur eine Erweiterung der Indikationen erforderlich.
Dies sind die fünf Wirkstoffe oder Wirkstoffkombinationen im Detail:
Die neutralisierenden monoklonalen Antikörper richten sich jeweils gegen eine bestimmte Domäne des Spike-Proteins und verhindern nach der Bindung, dass das SARS-Coronavirus-2 in menschliche Zellen eindringt und diese infiziert. Studiendaten weisen darauf hin, dass die Therapie im frühen Krankheitsstadium die Viruslast reduzieren könnte. Laut Paul-Ehrlich-Institut (PEI) sind die Antikörper dementsprechend für Patienten geeignet, die an Covid-19 erkrankt sind, noch keinen Sauerstoff erhalten, aber Risikofaktoren für einen schweren Verlauf haben. Vor dem Hintergrund der Virusvarianten und bei immunsupprimierten Patienten kann es erforderlich sein, zwei verschiedene Antikörper zu kombinieren, um Resistenzen zu umgehen.
In Deutschland werden die neutralisierenden monoklonalen Antikörper zum Teil schon eingesetzt – jedoch nur nach individueller Entscheidung des behandelnden Arztes. Basis ist eine wissenschaftliche Empfehlung der EMA, die offizielle Zulassung fehlt noch. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) kauft seit Anfang des Jahres verschiedene Antikörper ein (Casirivimab/Imdevimab und Bamlanivimab, zunächst als Monopräparat, dann nur noch in Kombination mit Etesevimab).
Baricitinib ist kein Antikörper, sondern ein Wirkstoff aus der Gruppe der Januskinase-Inhibitoren. Er dämpft das Immunsystem und könnte so der überschießenden Immunreaktion bei Covid-19 entgegenwirken. Studiendaten deuten auf eine Wirksamkeit bei bestimmten hospitalisierten Patienten hin.
Die EU-Kommission stellt bis Oktober 2021 ein Portfolio aus mindestens 10 potenziellen Covid-19-Therapeutika zusammen. Experten wählen die Mittel rein objektiv und nach wissenschaftlichen Kriterien aus, die die EU-Mitgliedsstaaten vereinbart haben. Da Schweregrad, Krankheitsstadium und Patientenpopulation jeweils unterschiedliche Therapieansätze erfordern, ermittelt die Expertengruppe verschiedene Kategorien und identifiziert dann die vielversprechendsten Kandidaten für jede Kategorie. Ziel ist es, bis Oktober 2021 mindestens drei neue Therapeutika gegen Covid-19 zugelassen zu haben und möglicherweise zwei weitere bis zum Ende des Jahres.
Das Rolling-Review-Verfahren dient dazu, die Zulassung von dringend benötigten Medikamenten wie Covid-19-Impfstoffen oder Therapeutika zu beschleunigen. Die Hersteller können immer wieder Datenpakete bei der EMA einreichen, sobald sie verfügbar sind. So können verschiedene Prozesse parallel stattfinden: Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA kann so beispielsweise die Daten zur Herstellung und Qualität oder die Daten aus nicht-klinischen Studienphasen bereits prüfen, noch während die klinischen Studien laufen. Das führt zu einer Zeitersparnis, nicht aber zu Abstrichen bei der Qualität der Bewertung. Eine Zulassung ist auch bei einem Rolling Review nur möglich, wenn der Hersteller die Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit des Arzneimittels nachweisen konnte und die Experten der Arzneimittelbehörden das Nutzen-Risiko-Verhältnis als positiv einstufen.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.