Duo im Juli erweitert Therapieoptionen |
Sven Siebenand |
16.07.2025 16:00 Uhr |
Der neue Wirkstoff Givinostat wird bei Patienten mit Duchenne-Muskeldystrophie eingesetzt. Die seltene neuromuskuläre Erkrankung betrifft meist Männer und führt zu einer fortschreitenden Muskelschwäche. / © Imago Images/Design Pics Editorial
Die Duchenne-Muskeldystrophie (DMD) ist eine seltene neuromuskuläre Erkrankung, die durch Mutationen im Dystrophin-Gen ausgelöst wird und vor allem Männer betrifft. Dystrophin ist ein für die Stabilität der Muskelfasern essenzielles Protein. Fehlt es, sind die Muskeln anfälliger für Schäden. Gleichzeitig steigen die Konzentrationen sogenannter Histon-Deacetylasen (HDAC), was die Aktivierung muskelrelevanter Gene hemmt. Die Folge: Muskelzellen werden geschädigt, Entzündungsprozesse verstärken sich und die natürliche Regeneration der Muskeln wird behindert.
Im Verlauf der Erkrankung sterben zunehmend Muskelzellen ab. Sie werden durch Fett- und Bindegewebe ersetzt, was zu einer fortschreitenden Muskelschwäche führt. Die Patienten verlieren allmählich die Gehfähigkeit. Mit der Zeit werden auch Herz- und Atemmuskulatur angegriffen – der häufigste Grund für den frühzeitigen Tod bei DMD.
Givinostat (Duvyzat®, Italfarmaco) ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der HDAC-Inhibitoren. Durch die Hemmung dieser Enzyme kann der Krankheitsprozess positiv beeinflusst werden. Entzündliche Reaktionen werden verringert, Muskelfaserschäden reduziert und die Bildung von Narbengewebe und Fetteinlagerungen einschränkt. Givinostat wird bei gehfähigen DMD-Patienten ab einem Alter von sechs Jahren zusammen mit einer Corticosteroid-Behandlung angewendet. Die Dosierung richtet sich nach dem Körpergewicht und erfolgt zweimal täglich.
Duvyzat ist eine Suspension zum Einnehmen. PTA und Apotheker sollten Patienten informieren, die Flasche vor jeder Anwendung mindestens 30 Sekunden zu schütteln (circa 40-mal kippen um 180°). Eine unzureichend geschüttelte Suspension kann zu Über- oder Unterdosierung führen. Die Suspension soll nicht mit Flüssigkeiten verdünnt werden und sie sollte mit einer Mahlzeit eingenommen werden, um den bitteren Geschmack zu überdecken.
Vor Therapiebeginn müssen Thrombozytenzahl und Triglyceride bestimmt werden. Eine Behandlung mit Givinostat darf nur erfolgen, wenn die Thrombozyten bei mindestens 150 × 10⁹/l liegen. Beide Parameter sind auch im Behandlungsverlauf regelmäßig zu kontrollieren, da gegebenenfalls Dosisanpassungen notwendig sein können.
Zudem sollte bei Patienten mit Herzerkrankung oder Begleitmedikation, die eine QT-Verlängerung verursacht, ein EKG zu Beginn der Behandlung mit Givinostat, bei Anwendung von Begleitmedikation und wenn klinisch indiziert erstellt werden. Sehr häufig berichtete Nebenwirkungen sind Durchfall, Bauchschmerzen, Thrombozytopenie, Erbrechen, erhöhte Triglyceridwerte und Fieber.
Das zweite neue Medikament des Monats ist Sepiapterin (Sephience™, PTC Therapeutics International). Es wird angewendet für die Behandlung von Hyperphenylalaninämie bei erwachsenen und pädiatrischen Patienten mit Phenylketonurie (PKU).
Ursache der PKU ist die nicht ausreichende Verfügbarkeit von funktioneller Phenylalanin-Hydroxylase (PAH). Dieses Enzym wird für den Stoffwechsel von Phenylalanin benötigt, das in Lebensmitteln vorkommt, die Proteine enthalten. Wenn das aktive Enzym nicht in ausreichender Menge vorhanden ist, steigt der Phenylalanin-Spiegel im Blut und im Gehirn auf abnorm hohe Werte. Dies führt zu einer Reihe von Komplikationen wie schwerer Entwicklungsverzögerung und Schädigungen des Gehirns und Krämpfen.
Sepiapterin hat ein duales Wirkprinzip. Erstens ist es eine Vorläuferverbindung, die rasch absorbiert und intrazellulär in Tetrahydrobiopterin (BH4) umgewandelt wird. BH4 ist ein wichtiges Coenzym der PAH, das die Eiweißtoleranz von Patienten mit PKU verbessern kann. Damit sinken die Phenylalanin-Spiegel im Blut. Zudem wirkt der neue Wirkstoff als sogenanntes Chaperon, das eine PAH-Fehlfaltung korrigiert und so die Stabilität und Funktion des Enzyms verbessert.
Die empfohlene Dosis für die einmal tägliche orale Verabreichung hängt vom Alter und Körpergewicht ab. Nähere Details finden sich dazu in der Fachinformation. Sephience sollte mit Wasser, Apfelsaft oder einer kleinen Menge weicher Nahrung wie Apfelmus oder Marmelade vermischt und dann eingenommen werden.
Jede Dosis sollte sofort nach der Rekonstitution verabreicht werden. Die rekonstituierte Lösung ist zu entsorgen, wenn sie bei Aufbewahrung im Kühlschrank (2 bis 8 °C) nicht innerhalb von 24 Stunden oder bei Aufbewahrung unter 25 °C nicht innerhalb von sechs Stunden verwendet wird. Die gleichzeitige Verabreichung von Sepiapterin mit Hemmern der Dihydrofolatreduktase, etwa Trimethoprim und Methotrexat, kann eine häufigere Überwachung der Phenylalanin-Spiegel im Blut erfordern.
Vorsicht ist geboten bei der gleichzeitigen Anwendung von Sepiapterin mit Arzneimitteln, die eine Vasodilatation durch Beeinflussung des Stickstoffmonoxid-(NO-)Stoffwechsels oder der NO-Wirkung erzeugen, etwa Glyceroltrinitrat, Molsidomin, PDE-5-Hemmer und Minoxidil. Zudem ist bei der Verschreibung von Sephience an Patienten, die mit Levodopa behandelt werden, Vorsicht geboten, um neurologische Störungen wie Verschlimmerung von Krämpfen, erhöhte Erregbarkeit und Reizbarkeit, Krampfanfälle und Verschlimmerung von Krampfanfällen zu vermeiden.
Infektionen der oberen Atemwege, Kopfschmerz, Durchfall und Abdominalschmerz sind sehr häufig berichtete Nebenwirkungen des neuen Wirkstoffs. Aus Vorsichtsgründen sollten Schwangere kein Sepiapterin einnehmen, und bei Stillenden ist zu entscheiden, ob sie das Stillen unterbrechen oder auf die Behandlung mit dem neuen Arzneimittel verzichten.