Duo zum Start des vierten Quartals |
Sven Siebenand |
17.10.2024 08:00 Uhr |
Herbstzeit ist Kürbiszeit – mit zwei neuen Arzneistoffen auf dem deutschen Markt. / © Getty Images/Wavebreakmedia
Im Alter von 40 bis 79 Jahren sind in Deutschland 9 bis 14 Prozent der Frauen von einer überaktiven Blase betroffen, ab 80 Jahren steigt der Anteil auf 33 Prozent. Bei Männern liegt der Anteil über alle Altersgruppen Schätzungen zufolge deutlich niedriger bei 8 Prozent. Eine überaktive Blase kann die Lebensqualität deutlich beeinträchtigen. Der neue Wirkstoff Vibegron (Obgemsa® Filmtabletten, Pierre Fabre Pharma) ist zur symptomatischen Behandlung der überaktiven Blase bei Erwachsenen zugelassen, etwa bei Harndrang, erhöhter Miktionsfrequenz und Dranginkontinenz.
Mit Mirabegron kam vor einigen Jahren bereits ein sehr ähnlicher Wirkstoff für diese Indikation in den Handel. Sowohl Mirabegron als auch Vibegron wirken als β3-Adrenorezeptor-Agonisten. Die Wirkstoffe aktivieren β3-Rezeptoren im Detrusormuskel der Blase, was zu dessen Entspannung führt. Das soll die Blasenkapazität steigern und Symptome einer überaktiven Blase reduzieren.
Die empfohlene Dosierung von Vibegron beträgt 75 mg einmal täglich. Die Patienten sollen die Filmtablette mit Wasser schlucken. Sie kann auch zerkleinert, mit einem Esslöffel weicher Nahrung wie Apfelmus gemischt und dann mit Wasser eingenommen werden.
Nicht empfohlen wird der Einsatz von Vibegron bei terminaler Niereninsuffizienz oder stark eingeschränkter Leberfunktion. Einen Warnhinweis in der Fachinformation gibt es zum Thema Harnverhalt. Das Risiko dafür kann bei Patienten mit Blasenausgangsobstruktion und bei Patienten, die gleichzeitig Muskarin-Antagonisten erhalten, erhöht sein.
Häufige Nebenwirkungen sind Harnwegsinfektionen, Kopfschmerzen, Durchfall, Übelkeit, Verstopfung und ein erhöhtes Restharnvolumen.
Die Anwendung von Vibegron bei Frauen im gebärfähigen Alter, die nicht verhüten, wird nicht empfohlen. Auch in der Schwangerschaft gibt es keine Empfehlung für die Einnahme. Bei geplanter oder diagnostizierter Schwangerschaft sollten Frauen Vibegron absetzen. Auch Stillende sollen den Wirkstoff nicht einnehmen.
Capivasertib (Truqap® Filmtabletten, Astra-Zeneca) ist der erste Vertreter einer neuen Wirkstoffklasse. Es ist ein Hemmstoff der Kinase AKT. Diese spielt eine bedeutende Rolle in der sogenannten Phosphatidylinositol-3-Kinase-(PI3K-)Signalkaskade. Ist dieser Signalweg dauerhaft aktiv, wird die Proliferation von Zellen angekurbelt, die Apoptose ausgebremst und damit ein Krebswachstum begünstigt. Capivasertib hemmt selektiv alle Isoformen der Kinase (AKT1, AKT2, AKT3) und sorgt dafür, dass der überaktive PI3K-Signalweg herunterreguliert wird.
Zugelassen ist der neue Wirkstoff in Kombination mit Fulvestrant zur Behandlung von Erwachsenen mit Estrogenrezeptor-(ER-)positivem, HER2-negativem, lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Mammakarzinom nach Rezidiv oder Progression der Erkrankung während oder nach einer endokrinen Therapie. Die Krebszellen müssen zudem eine oder mehrere Mutationen in den Genen PIK3CA, AKT1 oder PTEN aufweisen.
Bei prä- oder perimenopausalen Frauen sollte Capivasertib plus Fulvestrant mit einem Luteinisierungshormon-Releasinghormon-(LHRH-)Agonisten kombiniert werden. Bei Männern sollte die Anwendung eines LHRH-Agonisten gemäß aktueller klinischer Standardpraxis in Betracht gezogen werden.
Die empfohlene Dosis beträgt 400 mg, die vier Tage lang jeweils zweimal täglich im Abstand von zwölf Stunden eingenommen werden. Danach folgt eine Einnahmepause von drei Tagen. Die Behandlung sollte bis zur Progression der Erkrankung oder bis zum Auftreten einer inakzeptablen Toxizität fortgesetzt werden. Bei schwerer Nieren- oder Leberfunktionsstörung wird Capivasertib nicht empfohlen.
Sehr häufig beobachtete Nebenwirkungen des neuen Wirkstoffs sind zum Beispiel Durchfall, Hautausschlag, Übelkeit, Fatigue, Erbrechen, Stomatitis, Hyperglykämie, Kopfschmerzen und verminderter Appetit.
In der Fachinformation gibt es Details zu Dosisanpassungen aufgrund von Nebenwirkungen und es finden sich verschiedene Warnhinweise, etwa zu den Themen Durchfall sowie Hautausschlag. Vor Therapiestart sollte ferner zum Beispiel darüber informiert werden, dass der neue Wirkstoff eine Hyperglykämie auslösen kann. Der Blutzucker sollte daher unter der Behandlung kontrolliert werden. Menschen mit Diabetes benötigen möglicherweise eine intensivierte Diabetes-Therapie und sollten engmaschig überwacht werden. Bei vorbestehendem insulinpflichtigen Diabetes ist Capivasertib nicht untersucht, heißt es in der Fachinformation.
Auch zu möglichen Wechselwirkungen gibt es einen Warnhinweis. Die gleichzeitige Anwendung von starken oder moderaten CYP3A4-Inhibitoren mit Capivasertib kann zu einer erhöhten Exposition mit dem neuen AKT-Hemmer und somit zu einem höheren Risiko für eine Toxizität führen. Die Kombination mit starken CYP3A4-Hemmern ist zu vermeiden. Wenn dies nicht möglich ist sowie bei Anwendung mit moderaten CYP3A4-Hemmern sollte die Capivasertib-Dosis reduziert werden. Umgekehrt kann eine gleichzeitige Anwendung von starken und moderaten CYP3A4-Induktoren zu einer verminderten Capivasertib-Exposition führen. Sie sollte deshalb vermieden werden.
Frauen im gebärfähigen Alter sind darauf hinzuweisen, dass sie während der Behandlung mit Truqap eine Schwangerschaft vermeiden. Nach Beendigung der Behandlung sollten sie mindestens vier Wochen eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden. Erhalten Männer mit Brustkrebs Capivasertib, dann wird ihnen empfohlen, 16 Wochen nach Ende der Therapie eine zuverlässige Verhütungsmethode zu verwenden.
In der Schwangerschaft und bei Frauen im gebärfähigen Alter, die keine Verhütungsmethode anwenden, wird Capivasertib nicht empfohlen. Während der Behandlung mit dem Krebsmedikament sollten Frauen das Stillen unterbrechen.