Ein neuer Impfstoff gegen Tollwut |
Verena Schmidt |
25.01.2024 08:00 Uhr |
In Deutschland sind Fledermäuse mögliche Überträger von Tollwut-Viren. Experten warnen daher davor, flugunfähige Fledermäuse oder solche, die ein auffälliges Verhalten zeigen, anzufassen. / Foto: Adobe Stock/arrowsmith2
Wer in den vergangenen Monaten einen Tollwut-Impfstoff besorgen wollte, hatte es schwer: Rabipur® von der Firma Bavarian Nordic war nicht zu bekommen, die zweite Vakzine Tollwut-Impfstoff (HDC) inaktiviert von Sanofi ist seit Dezember nicht mehr im Verkehr. Die Belieferung der Notfalldepots der Landesapothekerkammern sei sichergestellt, in der Peripherie könne es jedoch zu Lieferengpässen kommen, hatte das Robert-Koch-Institut (RKI) Mitte Dezember dazu mitgeteilt.
Die Situation wird sich wohl bald entspannen: Rabipur soll nach Herstellerangaben ab Ende Januar wieder verfügbar sein. Sanofi hat in Deutschland Mitte Januar außerdem einen neuen Impfstoff auf den Markt gebracht. Verorab® (Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionssuspension) ist bereits seit Juni 2023 zugelassen und enthält wie der alte Sanofi-Impfstoff inaktivierte Tollwut-Viren vom Stamm WISTAR PM/WI 38-1503-3M. Die Viren werden in sogenannten Vero-Zellen gezüchtet, das ist eine Zelllinie abgeleitet von Nierenzellen der grünen Meerkatze. Der alte Impfstoff wurde in humanen diploiden Zellen (HDC) gezüchtet und enthielt Humanalbumin. Verorab ist ebenso wie Rabipur indiziert zur präexpositionellen und postexpositionellen Prophylaxe von Tollwut für Menschen jeden Alters.
Als präexpositionelle Schutzimpfung wird eine Tollwut-Vakzine vor allem vor Fernreisen gegeben, insbesondere wenn der Reisende wahrscheinlich mit Tieren in Kontakt kommt und/oder ein längerer Aufenthalt in Gebieten mit schlechter Gesundheitsversorgung geplant ist. Die Tollwut ist weltweit verbreitet, laut Auswärtigem Amt sind hauptsächlich Asien und Afrika betroffen.
Eine Ansteckungsgefahr für Menschen besteht bei Bissen infizierter Tiere oder Wund- beziehungsweise Schleimhautkontakt mit infiziertem Speichel. Zu den wichtigsten Reservoiren zählen laut RKI Hunde, außerdem Füchse, Marderhunde, Waschbären und Stinktiere sowie Fledermäuse. Deutschland ist seit 2008 frei von terrestrischer Tollwut, die Erkrankung tritt also nicht mehr bei Wild- und Haustieren, die an Land leben, auf. Hierzulande sind Fledermäuse die einzigen möglichen Überträger. Die Impfung wird daher auch Menschen in Deutschland empfohlen, wenn sie etwa beruflich engen Kontakt zu Fledermäusen haben.
Für die Grundimmunisierung erhalten Personen drei aufeinanderfolgende Injektionen an den Tagen 0, 7 und 21 bis 28. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt auch ein verkürztes Schnellimpfschema mit Gaben an den Tagen 0, 3 und 7; in Deutschland ist das allerdings nur im Off-Lable-Use möglich. Bei weiter bestehendem Risiko sollten Auffrischimpfungen alle zwei bis fünf Jahre erfolgen.
Das Besondere beim Tollwut-Impfstoff: Er wird auch nach der Exposition, also wenn ein gefährlicher Tierkontakt stattgefunden hat, eingesetzt. Diese Postexpositionsprophylaxe (PEP) sollte dann so schnell wie möglich – nach einer sofortigen gründlichen Reinigung der Wunde – erfolgen (siehe auch Tabelle). Nicht oder nur unvollständig geimpfte Personen erhalten etwa nach dem Kratzen, Lecken oder Knabbern durch ein (möglicherweise) infiziertes Tier die vollständige Impfserie mit einem Tollwut-Impfstoff. Handelt es sich um eine Bissverletzung, Kratzwunde oder Kontakt von Schleimhäuten oder Wunden mit Speichel, bekommen die Betroffenen zusätzlich zur Impfung ein Tollwut-Immunglobulin verabreicht.
Grad der Exposition | Art der Exposition durch ein Tollwut-verdächtiges oder tollwütiges Wild- oder Haustier oder Fledermaus | Postexpositionelle Immunprophylaxe |
---|---|---|
I | Berühren/Füttern von Tieren, Belecken der intakten Haut | Keine Impfung |
II | Nicht blutende, oberflächliche Kratzer oder Hautabschürfungen, Lecken oder Knabbern an der nicht intakten Haut |
• Nicht oder nur unvollständig vorgeimpfte Personen: Tollwut-Impfserie • Vollständig grundimmunisierte Personen: Immunisierung mit zwei Impfstoffdosen im Abstand von drei Tagen |
III | Bissverletzungen oder Kratzwunden, Kontakt von Schleimhäuten oder Wunden mit Speichel (zum Beispiel durch Lecken), Verdacht auf Biss oder Kratzer durch eine Fledermaus oder Kontakt der Schleimhäute mit einer Fledermaus |
• Nicht oder nur unvollständig vorgeimpfte Personen: Tollwut-Impfserie, Ssimultan Verabreichung von Tollwut-Immunglobulin • Vollständig grundimmunisierte Personen: Immunisierung mit zwei Impfstoffdosen im Abstand von drei Tagen |
Wichtig: Auch Personen, die bereits eine vollständige präexpositionelle Grundimmunisierung erhalten haben, müssen bei den oben genannten verdächtigen Tierkontakten zwei zusätzliche Impfstoffdosen (am Tag des Kontakts und drei Tage später) verabreicht bekommen. Eine Immunglobulingabe ist bei ihnen aber in der Regel nicht erforderlich.
Laut RKI beträgt die Schutzwirkung einer unverzüglich nach der Exposition korrekt durchgeführten PEP bei Immungesunden nahezu 100 Prozent. Wurde trotz verdächtigem Kontakt keine PEP verabreicht, etwa aufgrund fehlender Verfügbarkeit oder Unwissen, sollte diese zum nächstmöglichen Zeitpunkt nachgeholt werden, schreibt das RKI auf seiner Website – auch noch Wochen nach der Exposition. Denn die Inkubationszeit kann bis zu mehreren Wochen, Monaten und sogar Jahren betragen.
Geeignete Präventionsmaßnahmen vor Tollwut – auch Rabies genannt – sind enorm wichtig, denn die Erkrankung führt nahezu immer zum Tod. Im ersten Stadium nach der Ansteckung können zunächst uncharakteristische Beschwerden wie Kopf- und Muskelschmerzen, Appetitlosigkeit und eventuell Fieber auftreten. Typisch sind auch Brennen, Jucken und verstärkte Schmerzempfindlichkeit im Bereich der Bisswunde. Das Rabiesvirus gelangt über die peripheren Nervenfasern ins Rückenmark und schließlich ins Gehirn. Ist es einmal im zentralen Nervensystem (ZNS) angekommen, ist keine Behandlung mehr wirksam.
Bei der klassischen enzephalitischen Form, die sich in etwa 80 Prozent der Fälle entwickelt, kommt es zu Funktionsausfällen des Gehirns. Es können Verwirrtheit, Halluzinationen und Delirium auftreten. Typisch sind Krämpfe der Schlundmuskulatur, die das Schlucken sehr schmerzhaft machen. Die Patienten entwickeln dadurch eine starke Angst vor dem Trinken (Hydrophobie): Bereits der Anblick von Wasser lässt die Patienten unruhig werden und wiederum krampfen. Als Folge der Schluckstörungen kommt es auch zum Ausfließen von Speichel aus dem Mund. Die Betroffenen sind häufig stark reizbar und aggressiv, normale Umweltreize wie Luftzüge, Geräusche oder Licht können heftige Wutanfälle auslösen (»rasende Wut«).
Bei der paralytischen Form der Erkrankung, die bei etwa 20 Prozent auftritt, kommt es zu Veränderungen an den Rückenmarks- und peripheren Nerven. Es treten Parästhesien, Muskelschwäche und absteigende Lähmungen (»stille Wut«) auf, die ebenso zu Schwierigkeiten beim Schlucken und auch einer Lähmung der Atemmuskulatur führen können. Der Tod tritt dann meist im Koma durch Atemlähmung oder Lähmung der Herzmuskulatur maximal sieben bis zehn Tage nach Auftreten der ersten Symptome ein.
Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation sterben weltweit jährlich etwa 60.000 Menschen an Tollwut, in der Regel nach einem Biss streunender Hunde. Das geschieht meistens in Asien und Afrika mit 95 Prozent der gemeldeten Fälle. Man geht dort auch von einer hohen Dunkelziffer aus. In Europa sind die meisten Länder wie Deutschland frei von terrestrischer Tollwut. Fälle bei Wild- und Haustieren gibt es allerdings noch in osteuropäischen Ländern wie Weißrussland, der Republik Moldau, der Ukraine und Russland.
In seltenen Einzelfällen tritt Tollwut auch bei Menschen in Europa auf. Es handelt sich dann um Personen, die sich in Ländern mit endemischer Tollwut angesteckt haben. Der letzte Tollwutfall bei einem Menschen in Deutschland trat im Jahr 2007 auf. Betroffen war ein Mann, der in Marokko von einem streunenden Hund gebissen worden war.