Ein Trio am Start |
Sven Siebenand |
13.11.2024 08:00 Uhr |
Drei neue Medikamente im Herbst: Zum 1. November kamen drei Arzneistoffe in Deutschland neu auf den Markt. / © Adobe Stock/nataba
Jedes Jahr sterben mehr als 400.000 Menschen an Malaria, wobei die Bevölkerung in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara am stärksten betroffen ist. Schwere Malaria hat eine Sterblichkeitsrate von nahezu 100 Prozent, wenn sie unbehandelt bleibt. Säuglinge, Kinder und Schwangere gehören zu den am stärksten gefährdeten Personen. Auch in Europa treten Fälle auf. Jährlich wird bei etwa 1250 Personen in Europa eine schwere Malaria diagnostiziert. Meistens handelt es sich um Militärangehörige, die in Malaria-endemischen Regionen eingesetzt sind oder um zivile Reisende, die von einem Besuch in einer solchen Region zurückkehren.
Seit vielen Jahren ist intravenöses Artesunat der weltweite Standard für die Erstlinienbehandlung von schwerer Malaria. Nun gibt es erstmals ein Medikament mit dem Wirkstoff in Deutschland: Artesunate Amivas 110 mg Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionslösung von der Firma Amivas Ireland. Zugelassen ist es für die initiale Behandlung von schwerer Malaria bei Erwachsenen und Kindern.
Das Artemisinin-Derivat Artesunat wird zum Wirkstoff Dihydroartemisinin (DHA) metabolisiert. Es kommt in Folge zur Spaltung der Endoperoxidbrücke von DHA und zur Erzeugung eines freien Radikals, was an Proteine des Malariaerregers bindet. Das führt letztlich zur Schädigung der parasitären Membran. Der vollständige Wirkmechanismus von Artesunat ist noch nicht aufgeklärt.
Stechmücken der Gattung Anopheles übertragen die potenziell lebensbedrohliche Erkrankung Malaria. / © Adobe Stock/witsawat
Die empfohlene intravenöse Dosis beträgt 2,4 mg/kg Körpergewicht nach 0, 12 und 24 Stunden. Nach diesen drei Dosen können Patienten, die die orale Behandlung nicht vertragen, die intravenöse Behandlung mit 2,4 mg/kg Körpergewicht einmal alle 24 Stunden fortsetzen. Die Behandlung mit dem neuen Medikament sollte abgesetzt werden, sobald die Patienten eine orale Behandlung vertragen.
Wichtig: Ärzte sollten die rekonstituierte Lösung als langsame Bolusinjektion über ein bis zwei Minuten verabreichen. Und aufgrund der Instabilität von Artesunat in wässrigen Lösungen muss die rekonstituierte Lösung innerhalb von 1,5 Stunden nach der Zubereitung zum Einsatz kommen.
DHA wird hauptsächlich durch UGT1A9 in inaktive Glucuronid-Konjugate umgewandelt. Die gleichzeitige Anwendung von intravenösem Artesunat mit starken Inhibitoren von UGT-Enzymen, etwa Axitinib, Vandetanib, Imatinib und Diclofenac, kann die DHA-Exposition im Plasma erhöhen. Die gleichzeitige Anwendung sollte nach Möglichkeit vermieden werden. Andersherum kann die gleichzeitige Anwendung des Präparats mit UGT-Induktoren, zum Beispiel Nevirapin, Ritonavir, Rifampicin, Carbamazepin und Phenytoin, die DHA-Exposition verringern und zu einer Verringerung oder einem Verlust der Wirksamkeit führen. Auch hier sollte die gleichzeitige Anwendung vermieden werden.
Die häufigste in klinischen Studien berichtete Nebenwirkung war Anämie. Ebenfalls sehr häufig wurde nach erfolgreicher Behandlung von schwerer Malaria mit intravenösem Artesunat bei Reisenden und Kindern über eine verzögerte Hämolyse nach Behandlung mit Artesunat berichtet.
Die Anwendung von Artesunate Amivas im ersten Schwangerschaftsdrittel wird nicht empfohlen, es sei denn, der Nutzen für die Mutter überwiegt das Risiko für den Fötus. Aus Vorsichtsgründen wird auch empfohlen, die Anwendung während des zweiten oder dritten Trimenons zu vermeiden.
Das Magenkarzinom ist weltweit die fünfthäufigste Krebserkrankung. Mit Zolbetuximab (Vyloy™ 100 mg Pulver für ein Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung, Astellas Pharma) gibt es hierzulande nun ein neues Medikament, das bei bestimmten Magenkrebspatienten infrage kommt.
Vyloy ist in Kombination mit einer fluoropyrimidin- und platinhaltigen Chemotherapie für die Erstlinienbehandlung erwachsener Patienten mit lokal fortgeschrittenem, inoperablem oder metastasiertem HER-2-negativen Adenokarzinom des Magens oder des gastroösophagealen Übergangs zugelassen, sofern der Tumor Claudin-18.2-positiv ist. Dieses Kriterium muss per Test nachgewiesen sein.
Das Transmembranprotein Claudin 18.2 wird bei verschiedenen Krebsarten überexprimiert, insbesondere bei Tumoren des Verdauungssystems. Zolbetuximab ist der erste Antikörper, der darauf abzielt. Präklinische Studien zeigen, dass die Bindung des Antikörpers an das Protein die Zahl der Claudin-18.2-positiven Zellen durch antikörperabhängige zelluläre Zytotoxizität und komplementabhängige Zytotoxizität reduziert, was zur Hemmung des Krebswachstums führt.
Wichtig ist, dass Patienten eine Prämedikation mit Antiemetika erhalten, da der neue Antikörper Übelkeit und Erbrechen hervorrufen kann. / © Adobe Stock/BSIP
Zolbetuximab wird intravenös verabreicht. Die empfohlene Dosis sollte für die Initialdosis und alle Erhaltungsdosen auf Grundlage der Körperoberfläche berechnet werden. Für die Initialdosis sind 800 mg/m2 vorgeschlagen, für die Erhaltungsdosen 600 mg/m2 (bei Gabe alle drei Wochen) oder 400 mg/m2 (bei Gabe alle zwei Wochen). Zolbetuximab wird über einen Zeitraum von mindestens zwei Stunden infundiert.
Die Patienten sollten während und nach einer Infusion für mindestens zwei Stunden auf Überempfindlichkeitsreaktionen mit Symptomen und Anzeichen überwacht werden, die auf eine Anaphylaxie hinweisen. Wenn ein Patient Zolbetuximab am selben Tag wie eine Fluoropyrimidin- und Platin-haltige Chemotherapie erhält, muss die Verabreichung des Antikörpers zuerst erfolgen.
Wichtig ist ferner, dass die Patienten eine Prämedikation mit einer Kombination aus Antiemetika erhalten, um einer vorzeitigen Beendigung der Behandlung mit Zolbetuximab vorzubeugen. Denn Übelkeit und Erbrechen sind die häufigsten Nebenwirkungen des neuen Antikörpers. Ebenfalls sehr häufig kommt es unter anderem zu vermindertem Appetit, Neutropenie, Gewichtsverlust, Fieber und peripheren Ödemen.
Als Vorsichtsmaßnahme sollte Frauen im gebärfähigen Alter geraten werden, eine wirksame Verhütungsmethode anzuwenden, um eine Schwangerschaft während der Behandlung zu verhindern. Zudem sollten Schwangere nur dann Vyloy bekommen, wenn der Nutzen das potenzielle Risiko überwiegt. Das Stillen wird während der Behandlung mit Zolbetuximab nicht empfohlen. Vyloy ist im Kühlschrank bei 2 bis 8 °C zu lagern.
Das neue Antibiotikum Vaborem® 1g/1g Pulver für ein Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung von Berlin-Chemie beinhaltet das bekannte Carbapenem Meropenem. Kombiniert wird es mit dem neuen Betalactamase-Inhibitor Vaborbactam.
Die Wirkung von Meropenem beruht – wie bei anderen Betalactam-Antibiotika – auf der Hemmung der Synthese der Peptidoglycanen in der bakteriellen Zellwand durch die Bindung an Penicillin-bindende Proteine und deren Hemmung. Vaborbactam blockiert die Wirkung bestimmter Beta-Lactamasen. Diese Enzyme würden sonst den Abbau von Betalactam-Antibiotika wie Meropenem verursachen. Durch die Hemmung der Wirkung dieser Enzyme ermöglicht Vaborbactam Meropenem, gegen Bakterien zu wirken, die andernfalls dagegen resistent wären.
Die Kombination aus Meropenem und Vaborbactam kommt unter anderem bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen und nosokomialen Pneumonien zum Einsatz. / © Adobe Stock/Halfpoint
Zugelassen ist Vaborem zur Behandlung von Erwachsenen mit komplizierter Harnwegsinfektion, einschließlich Pyelonephritis, mit komplizierter intraabdomineller Infektion oder mit nosokomial erworbener Pneumonie, einschließlich beatmungsassoziierter Pneumonie. Das Antibiotikum darf auch zur Behandlung von Patienten mit Bakteriämie, die im Zusammenhang mit einer der genannten Infektionen auftritt oder wenn ein entsprechender Zusammenhang vermutet wird, zum Einsatz kommen. Zudem ist Vaborem zur Behandlung von Infektionen durch aerobe gramnegative Organismen bei Erwachsenen mit eingeschränkten Behandlungsmöglichkeiten indiziert.
Die Behandlungsdauer richtet sich nach Art der Infektion und ihrer Schwere. Liegt keine Bakteriämie vor, wird in der Regel zwischen 5 und 14 Tagen therapiert. Vaborem wird bei Patienten mit einer Kreatinin-Clearance von mindestens 40 ml/min alle acht Stunden über drei Stunden infundiert. Dabei werden jeweils 2 g Meropenem und 2 g Vaborbactam verabreicht. Details zur empfohlenen Dosierung bei eingeschränkter Nierenfunktion und zu dem entsprechenden Dosierintervall sind in der Fachinformation von Vaborem zu finden.
Bei gleichzeitiger Verabreichung von Vaborem mit Arzneimitteln, die überwiegend metabolisiert werden durch die Enzyme CYP1A2, CYP3A4 und/oder CYP2C, und/oder durch P-gp transportiert werden, könnte laut Fachinformation ein potenzielles Risiko für Wechselwirkungen bestehen, die zu verringerten Plasmakonzentrationen und einer geringeren Aktivität des gleichzeitig verabreichten Arzneimittels führen können. Daher sollten Patienten, die solche Arzneimittel erhalten, auf mögliche klinische Anzeichen einer veränderten therapeutischen Wirksamkeit überwacht werden.
Die gleichzeitige Anwendung von Probenecid und Vaborem wird nicht empfohlen, da dies zu erhöhten Plasmakonzentrationen von Meropenem und Vaborbactam führen kann. Und die gleichzeitige Anwendung von Meropenem und Valproinsäure war mit einer Verringerung der Valproinsäure-Konzentration und einem darauffolgenden Verlust der Anfallskontrolle verbunden. Wenn eine gleichzeitige Anwendung von Valproinsäure und Meropenem/Vaborbactam nicht vermieden werden kann, sollte daher ein zusätzliches antikonvulsives Mittel gegeben werden.
Ferner kann Vaborem die Wirksamkeit von hormonellen Kontrazeptiva, die Estrogen und/oder Progesteron enthalten, verringern. Frauen im gebärfähigen Alter sollte deshalb geraten werden, während der Behandlung mit Vaborem und für einen Zeitraum von 28 Tagen nach Absetzen der Behandlung alternative wirksame Verhütungsmethoden anzuwenden.
Zu den häufigen Nebenwirkungen zählen Kopfschmerz, Durchfall, Übelkeit und Entzündung einer Vene an der Infusionsstelle. Kontraindiziert ist Vaborem bei Überempfindlichkeit gegen die Wirkstoffe, bei Überempfindlichkeit gegen jegliche Carbapenem-Antibiotika und bei schwerer Überempfindlichkeit gegen andere Betalactam-Antibiotika, zum Beispiel Penicilline und Cephalosporine.
Vorsichtshalber ist die Anwendung von Vaborem während der Schwangerschaft zu vermeiden. Da ein Risiko für das Kind nicht ausgeschlossen werden kann, müssen Frauen das Stillen vor Einleitung der Behandlung unterbrechen.