Eine gute Nacht dank Phytos |
Schlafen wie ein Murmeltier? Das wird man auch nicht mit dem besten Phytopharmakon hinbekommen. Murmeltiere verbringen mehrere Monate im Winterschlaf. / Foto: Adobe Stock/owsigor
Glaubt man Statistiken, sind Schlafstörungen zu einer Art Volkskrankheit geworden. So klagen 80 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland zwischen 35 und 65 Jahren über Schlafprobleme. Dabei sind laut Statista bei einem Viertel der Berufstätigen Grübeln, Sorgen und Ängste die Ursache der Schlafstörungen. Ihnen fällt das Abschalten schwer, sie nehmen die Sorgen, Stress und Anspannung des Tages mit ins Bett. Und verlieren dadurch die gesunde Balance zwischen Ruhe- und Wachphasen.
Eines ist klar: Chemisch-synthetische Mittel zur Behandlung von Unruhe, Angst und Schlafstörungen sind zwar meist sehr wirksam, haben aber häufig Nebenwirkungen und können abhängig machen. Pflanzliche Beruhigungsmittel sind hingegen mild wirksam, haben kaum Nebenwirkungen und machen nicht abhängig. Das dürfte der Hauptgrund für ihre Beliebtheit sein.
Wenn innere Unruhe und das nächtliche Gedankenkarussell der Grund für die Schlafprobleme sind, dann könnte das ätherische Öl des Echten Lavendels (Lavandula angustifolia) hilfreich sein. Das in Kapseln aufbereitete und hoch konzentrierte Lavendelöl Silexan® (enthalten in Lasea®) war in klinischen Studien so gut anxiolytisch wirksam wie 0,5 mg Lorazepam oder 20 mg Paroxetin. Und da es nicht sedierend wirkt, gab es auch keine Hangover-Effekte. Das Ergebnis einer Metaanalyse, bei der drei placebokontrollierte Studien eingeschlossen wurden, die sich auf die therapeutische Wirkung von Lasea® bei innerer Unruhe und Angstgefühlen fokussierte, belegte ebenfalls die angstlösende Wirkung. In der Folge verbesserte sich auch der Schlaf der Studienteilnehmer. Ein weiterer Vorteil: Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln sind nicht bekannt, es besteht auch keine Gefahr einer Gewöhnung.
Ansonsten ist die klinische Evidenzlage von pflanzlichen Arzneimitteln zu Einschlafstörungen eher dünn bestückt. Probleme beim Durchschlafen können Phytopharmaka aufgrund ihrer Wirkdauer schon gar nicht beheben. Am besten ist die Datenlage zu Baldrianwurzel-Trockenextrakten zu bewerten. Das sieht auch die Stiftung Warentest so, die kürzlich rezeptfreie Schlafmittel unter die Lupe genommen hat. Das Testteam kam zu dem Schluss, dass Antihistaminika und Baldrianpräparate die besten rezeptfrei erhältlichen Schlafmittel sind. Von Melatonin-haltigen Zubereitungen rät die Verbraucherorganisation dagegen explizit ab.
Die Wurzel des Echten Baldrians (Valeriana officinalis) hat seit jeher einen guten Leumund als beruhigend pflanzliche Droge. In der Tat bestätigen klinische Studien, dass bestimmte Trockenextrakte der Baldrianwurzel nervöse Unruhe und Schlafstörungen zu lindern vermögen. Das betrifft Trockenextrakte mit einem DEV von 3 -7,4:1, die mit dem Auszugsmittel 40- bis 70- %igem Ethanol hergestellt wurden (wie Sedonium®, Baldrivit®, Baldurat®, Luvased® mono, Baldriparan® Stark für die Nacht, Euvegal® balance). Sie können ab 12 Jahren bei nervöser Unruhe und Schlafstörungen eingesetzt werden. Der Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel (HMPC) der Europäischen Zulassungsbehörde EMA hat denn auch diesen Auszügen den well-established use zugebilligt.
Das Apothekenteam kann bei nervöser Unruhe dreimal am Tag eine Dosis von 400 bis 600 Milligramm Trockenextrakt empfehlen. Schlafstörungen lassen sich mit einer Einzeldosis eine halbe bis eine Stunde vor dem Zubettgehen und eventuell einer Dosis am frühen Abend behandeln. Auch wichtig zu vermitteln: Von Baldrian wie auch von anderen pflanzlichen Zubereitungen ist keine Sofort-Wirkung zu erwarten. Die adaptativen Prozesse bauen sich eher langsam innerhalb von zwei bis vier Wochen regelmäßiger Anwendung auf. Es verbessert eher die Schlafstruktur. Dafür sind kein Hangover, keine Veränderung der Reaktionszeit oder sonstige Nebenwirkungen zu erwarten.
Baldrian besitzt sehr viele verschiedene Gruppen an Inhaltsstoffen, und bislang ist nicht bekannt, welcher Substanzgruppe die Wirkung zuzuschreiben ist. Experten wie etwa Professor Dr. Robert Fürst von der Universität Frankfurt, gehen jedoch nicht davon aus, dass die leichten sedativen und anxiolytischen Effekte nur einer bestimmten Substanz oder -gruppe zuzuordnen sind. Auch die in vitro propagierten Wirkmechanismen isolierter Rezeptor-Interaktionen wie etwa dem GABAA-, dem Adenosin-A1- oder dem 5-HT5a-Rezeptor erscheinen dem Professor für Pharmazeutische Biologie »zu gestellt. Bislang sind nur wirksamkeitsmitbestimmende Stoffe identifiziert.« Die Valepotriate, denen man seit jeher zumindest eine Teilwirkung zutraut, könnten laut Fürst schon mal nicht für die Wirkung verantwortlich sein. »Sie sind extrem instabil und werden bei Lagerung abgebaut. In den fertigen Zubereitungen sind kaum mehr Valepotriate enthalten.« Umgekehrt verhält es sich mit der Isovaleriansäure. Diese entsteht erst bei der Trocknung und zeichnet für den durchdringenden, typisch strengen Baldriangeruch verantwortlich.
Neben Präparaten mit Baldrianwurzel als einzigem Bestandteil gibt es zahlreiche Phytopharmaka, die Zweifach- und Dreifach-Kombinationen mit diversen altbewährten, beruhigend wirkenden Arzneipflanzen enthalten. Hierzu zählen Hopfenzapfen, Melissenblätter, Passionsblumenkraut und Johanniskraut. Aber nur einer bestimmten Kombination aus Baldrianwurzel und Hopfenzapfen hat die EMA den Status des well-established Use vergeben (Alluna® Schlaf, Allunapret®). Allen anderen Drogen wie Passionsblumenkraut, Melissenblätter oder -öl und auch Hopfenzapfen wurden solo oder in Kombination der Kategorie Traditional Use zugeordnet.