Eine Prise Wohlbefinden |
Inka R. Stonjek |
15.11.2022 08:30 Uhr |
Kräuter und Gewürze enthalten zahlreiche gesunde Inhaltstoffe wie ätherische Öle. / Foto: Adobe Stock/Ray
Kräuter und Gewürze geben vielen Speisen den letzten Pfiff. Erst mit Muskat schmeckt das Kartoffelpüree wie bei Muttern, beim indischen Curry sind Cumin, Ingwer und Kurkuma ein Muss, und was wäre die Weihnachtsbäckerei ohne Zimt und Vanille? Gewürze und Kräuter sind Teile bestimmter Pflanzenarten, die wegen ihres natürlichen Gehalts an Geschmacks- und Geruchsstoffen als würzende oder geschmacksgebende Zutaten verwendet werden. So beschreiben die »Leitsätze für Gewürze und andere würzende Zutaten« des Deutschen Lebensmittelbuches das, was im Supermarkt in Dosen und Beuteln mit Aufschriften von Anis bis hin zu Zimt zu finden ist. Für die Einordnung, was als Gewürz und was zu den Kräutern zählt, ist entscheidend, aus welchem Pflanzenteil die aromatische Zutat gewonnen wird. So handelt es sich bei Kräutern vor allem um die »grünen Teile« von Pflanzen, also Blätter, Blüten und Spross, die frisch oder getrocknet verwendet werden können. Typische Kräuter sind daher beispielsweise Dill, Petersilie, Schnittlauch, Basilikum und Oregano. Als Gewürz dienen bevorzugt andere Pflanzenteile wie Rinde (Zimt), Früchte (Pfeffer, Anis), Blüten (Gewürznelken), Blütennarben (Safran), Wurzeln (Ingwer) oder Samen (Koriander, Fenchel). Zur Einteilung wird also ausschließlich die küchenfertige Zutat herangezogen und nicht die zugrundeliegende Pflanze. Denn aus einer Pflanze kann sowohl ein Kraut als auch ein Gewürz gewonnen werden. Dill oder Fenchel sind nur zwei Beispiele dafür.
Gewürze und Kräuter sind reich an wertvollen Inhaltstoffen. So sind vor allem frische Kräuter eine Quelle für zahlreiche Vitamine und Mineralstoffe. Zwar werden sie nur in relativ kleinen Mengen gegessen, wodurch sie nur in begrenztem Umfang zur Deckung des täglichen Bedarfs beitragen. Doch ändert das nichts daran, dass es sich in Relation zu ihrem Gewicht um richtige kleine Powerpakete handelt. So decken etwa 15 Gramm Schnittlauch beispielsweise den Tagesbedarf an Vitamin K von 65 Mikrogramm und 250 Gramm Kerbel den Tagesbedarf an Calcium von 1000 Milligramm. Hervorzuheben ist die Petersilie, in der gleich mehrere Top-Kandidaten stecken. Als Eisenquelle ist sie mit 3,6 Milligramm pro 100 Gramm etwa gleichauf mit Rindfleisch, als Folsäurequelle lässt sie mit 150 Mikrogramm pro 100 Gramm so manches grüne (Blatt-)Gemüse hinter sich und ihr Vitamin-C-Wert von 160 Milligramm ist dreimal so hoch wie bei der Zitrone. Zuletzt liefert sie beachtliche Mengen an Carotinoiden.
In Gewürzen, die durch Trocknen haltbar gemacht wurden, spielen die empfindlichen Vitamine eine geringere Rolle. In ihnen kommen dafür die ätherischen Öle viel stärker zum Vorschein, deren Gehalt durch den Wasserverlust sogar noch konzentriert wird. Ätherische Öle verleihen Kräutern und Gewürzen gleichermaßen ihren intensiven Geschmack, sodass sie helfen, Salz zu reduzieren und zu einer natriumärmeren Ernährung beitragen. Ätherische Öle sind lipophile Stoffgemische. Sie lösen sich kaum in Wasser, dafür sehr gut in Öl, Milch, Sahne oder Alkohol. Zudem sind sie leicht flüchtig; auf einem Löschblatt ist ein Tropfen nach etwa einer halben Stunde verflogen. Der Pflanze dienen sie zum Anlocken von Insekten oder der Abwehr von Schädlingen und Fraßfeinden; erst wenn sich die Pflanze verletzt, treten sie nach außen und verströmen ihren Duft.
Ein ätherisches Öl kann sich aus mehr als 400 Einzelkomponenten zusammensetzen. Dabei genügt die sogenannte Leitsubstanz, um einen Duft als solchen zu erkennen. Chemisch gehört der Großteil der ätherischen Öle strukturell den sogenannten Terpenen an; diese Stoffgruppe ist eng mit den Hormonen verwandt, was wohl den starken Einfluss auf den Körper erklärt. So wirken ätherische Öle allein über die Sinneszellen der Nase, die den Duftstoff als elektrischen Impuls ans Gehirn weiterleiten. Einer der Informationswege führt ins limbische System, in dem die Emotionen lokalisiert sind. Da auf dem Weg keine weiteren Nervenzellen zwischen geschaltet sind, vermitteln die Gerüche Gefühl wie Freude, Angst, Ekel oder Wohlbehagen unmittelbar beim Schnuppern. Sogar unterhalb der Wahrnehmungsschwelle kann ein Duft Entscheidungen und Emotionen provozieren, was sich das Duftmarketing zunutze macht. Werden ätherische Öle mit Gewürzen oder Kräutern verzehrt, lassen sie das Wasser im Mund zusammenlaufen und entfalten direkt ihre appetitanregende Wirkung. Ein Großteil gelangt über die Mundschleimhaut in den Blutkreislauf, der Rest wird über den Magen-Darm-Trakt aufgenommen.
Kraut/Gewürz | Ätherisches Öl/Hauptbestandteil | Wirkung |
---|---|---|
Anis | trans-Anethol | Im Magen-Darmbereich krampflösend und gegen Blähungen, in den Atemwegen sekretolytisch. |
Chili, Cayennepfeffer | Capsaicin | Steigert Magensaft- und Speichelsekretion, verdauungsfördernd, gegen Blähungen. |
Ingwer | Zingiberen | Antiemetisch, fördert Speichel- und Magensaftsekretion, fördert die Darmmotilität, regt die Immunabwehr an. |
Knoblauch | Allicin | Antimikrobiell, lipidsenkend, blutverdünnend. |
Kardamom | alpha-Terpinylacetat | Fördert Gallen- und Magensaftproduktion, hilfreich gegen Blähungen. |
Koriander | Linalool | Krampflösend, steigert die Magensaftproduktion, gegen Blähungen, antimikrobiell. |
Kümmel | Carvon | Regt Magensaftsekretion, Appetit und Verdauung an. Krampflösend und gegen Blähungen. Antimikrobiell. |
Melisse | Citral | Krampflösend, gegen nervöse Magenbeschwerden. |
Minze | Menthol | Krampflösend, galletreibend, gegen Blähungen, antimikrobiell. |
Nelke | Eugenol | Antimikrobiell, antiviral, antientzündlich und spasmolytisch. |
Salbei | Thujon | Antibiotisch, verdauungsfördernd, krampflösend, gegen Blähungen, schweißtreibend. |
Thymian | Thymol | Antibiotisch, regt Sekretion von Speichel- und Magensaft an. Gegen Appetitlosigkeit und Verdauungsbeschwerden. |
Vanille | Vanillin | Antioxidativ und antimikrobiell. |
Wacholder | Pinen | Verdauungsfördernd, diuretisch. |
Zimt | Zimtaldehyd | Verdauungsfördernd, krampflösend, gegen Blähungen, antibakteriell, fungistatisch |
Gewürze wie Zimt, Ingwer oder Kardamom haben sich im Laufe der Jahrhunderte nicht ohne Grund zu typischen Zutaten der kalten Jahreszeit gemausert. Sie steigern die Durchblutung und wärmen auf diese Weise von innen. Zudem gibt es eine Vielzahl an Gewürzen, die Speisen bekömmlicher machen und die Verdauung fördern. Nicht ohne Grund wird Weißkohl oder Sauerkraut seit Jahrhunderten mit Kümmel serviert. Seine ätherischen Öle, vor allem das Carvon, besitzen eine karminative Wirkung. Das Mittel gegen Blähungen kommt also gleich mit auf den Tisch. Der Effekt beruht darauf, dass es den Darm entkrampft, seine Durchblutung steigert und sich positiv auf eine mögliche Fehlbesiedelung auswirkt. Kümmel kann auch als Tee Wunder wirken: Dafür drei Mal am Tag einen halben Teelöffel zerstoßene Kümmelsamen mit kochendem Wasser übergießen, zehn bis 15 Minuten ziehen lassen und so heiß wie möglich trinken. Ähnlich wirken Anis und Fenchel.
Um Geschmack und Wirkung von Gewürzen und Kräutern optimal zur Geltung zu bringen, ist die richtige Verwendung entscheidend. Gewürze wie Kümmel, Nelken und Wacholderbeeren geben ihr volles Aroma erst nach einer längeren Kochzeit an die Speise ab. Hitzeempfindlich sind dagegen Safran, Muskatnuss, Paprika und Pfeffer. Auch frische Kräuter sind empfindlich und büßen beim Erhitzen einen Großteil ihrer Vitamine und Aromen ein. Sie sollten daher nicht lange mitgekocht, sondern erst gegen Ende der Garzeit in den Topf gegeben oder sogar nur frisch übers Essen gestreut werden. Frische Kräuter lassen sich auch nicht wie Gemüse mit einer Bürste gründlich sauer schrubben, sondern sollten nur unter kaltem Wasser vorsichtig abgespült werden. Umso besser, wenn sie biologisch, ohne Einsatz von Spritzmitteln angebaut wurden. Beim Kauf von frischen Kräutern sollte man deshalb auf das Bio-Siegel oder das eines Anbauverbandes achten. Wer Kräuter im Topf kauft, kann sie auf der Fensterbank oder im Garten weiterwachsen lassen und hat länger etwas davon. Oder man zieht die Kräuter aus Samen direkt selbst heran.
Ätherische Öle sind nur eine Untergruppe der sekundären Pflanzenstoffe. Kräuter und Gewürze haben davon noch viel mehr zu bieten. Etwa 100.000 sekundäre Pflanzenstoffe sind derzeit bekannt. Fünf bis zehn Prozent davon – ungefähr 1,5 Gramm am Tag – nimmt der Mensch täglich mit einer normalen Mischkost auf. Bei vegetarischer Ernährung sogar mehr. Ihre potenziellen gesundheitsfördernden Eigenschaften sind beinahe so vielfältig wie die Stoffgruppe selbst, denn sie sind meist in mehrfacher Hinsicht wirksam. Zu den wichtigsten Pflanzenstoff-Gruppen in Kräutern und Gewürzen zählen:
Wichtig zu wissen: Kräuter und Gewürze dienen der Zubereitung von Speisen und haben in vielen Fällen eine wohltuende Wirkung. Dennoch schwankt der Gehalt an Inhaltsstoffen zu stark, um sich auf eine spezifische Wirksamkeit zu verlassen. Um Krankheiten und Beschwerden zu lindern, sind geprüfte Arzneimittel erforderlich. Heilkräuter aus der Apotheke entsprechen in ihrer pharmazeutischen Qualität den Vorgaben des deutschen Arzneimittelbuchs und werden fachgerecht gelagert. Sie sind entweder als traditionelles Arzneimittel aufgrund langjähriger Erfahrung oder als pflanzliches Arzneimittel für bestimmte Anwendungsgebiete zugelassen. Die Anwendungsempfehlungen stützen sich auf die Monographien der European Scientific Cooperative on Phytotherapy (ESCOP) sowie auf die Monographien des Europäischen Ausschusses für pflanzliche Arzneimittel (Committee on Herbal Medicinal Products, HMPC). /
Gemäß der Definition des Deutschen Lebensmittelbuches zählt beispielsweise Salz nicht zu den Kräutern und Gewürzen, weil es ein Würzmittel mineralischen Ursprungs ist. Genauso wenig wie das synthetisch hergestellte Vanillin oder Würzmischungen wie Currypulver.