Einfach schlau essen |
Kraftfutter für den Kopf: Bestimmte Nährstoffe wie etwa Flavonoide, Omega-3-Fettsäuren und und B-Vitamine können die Hirnleistung stärken. / © Getty Images/Svetlana_nsk
Brainfood ist seit Jahren ein fester Begriff und in den Medien häufen sich die Tipps, welche Lebensmittel das Gehirn auf Trab halten. Tatsächlich gibt es viele Hinweise darauf, dass bestimmte Nahrungsbestandteile Effekte auf die Hirnleistung haben. Zu den bekanntesten Substanzen gehören Pflanzenfarbstoffe wie Flavonoide, Omega-3-Fettsäuren aus fettem Seefisch und B-Vitamine, die unter anderem in Nüssen stecken.
Forschende versuchen seit Jahren, Zusammenhänge zwischen der kognitiven Leistung und einzelnen Nahrungsmitteln zu ergründen. Eine von ihnen ist Dr. Veronica Witte vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften. »Es gibt viel Forschung über die Mechanismen, die bei den einzelnen Nahrungsbestandteilen wirken. Und auch beim Menschen wurden schon hochwertige doppelblinde und placebokontrollierte Studien durchgeführt«, sagt die Biologin im Gespräch mit PTA-Forum. Der Wermutstropfen: »Die Studiengröße und -länge sind leider oft begrenzt.« Grund hierfür seien zum Beispiel fehlende finanzielle Mittel. Zudem seien Studien, die eine Ernährungsänderung allgemein betrachten und nicht mit Nährstoffextrakten arbeiten, natürlich noch schwieriger, so Witte.
Dennoch gibt es viele Ergebnisse, die einen positiven Zusammenhang erkennen lassen. Flavonoide, eine Gruppe von Pflanzenfarbstoffen, die etwa in Beeren, Kakao, schwarzem Tee aber auch in anderem Obst und Gemüse enthalten sind, könnten demnach etwa die Hirnalterung verlangsamen sowie die Hirnleistung ankurbeln. In einer Studie der Columbia University, die 2023 im Fachjournal »Proceedings of the National Academy of Sciences« veröffentlicht wurde, bekamen rund 3500 Teilnehmer über drei Jahre entweder Kakaoextrakt oder Placebo. Dabei fand man heraus, dass der regelmäßige Verzehr von Flavanolen und eine gute allgemeine Ernährungsqualität mit einer besseren Gedächtnisleistung im Zusammenhang stand. Gerade Menschen, die sich eher schlecht ernährten und im Vergleich weniger gut mit Flavonolen versorgt waren, profitierten vom zusätzlichen Kakaoextrakt besonders.
Bei einer weiteren klinischen Studie mit Blaubeerextrakt aus dem Jahr 2022 untersuchten die Forschenden ältere Menschen mit beginnenden kognitiven Einschränkungen über ein halbes Jahr. Ein Drittel der Teilnehmenden bekam den Blaubeerextrakt, ein Drittel ein Placebo, ein weiteres Drittel ohne Anzeichen von Demenz diente als Vergleichsgruppe. Das Ergebnis: Die Verarbeitungsgeschwindigkeit des Gehirns verbesserte sich bei der Interventionsgruppe signifikant. Bei Menschen zwischen 75 und 80 Jahren waren die Ergebnisse am besten.
Auch den Einfluss von B-Vitaminen auf die Gehirnfunktion konnten Forschende schon bestätigen. So kann etwa die Substitution von Vitamin B6, B12 und Folat bei einem bestehenden Mangel die kognitive Leistungsfähigkeit bei älteren Menschen verbessern, indem sie positiv in den Homocystein-Stoffwechsel eingreift. Erhöhte Homocysteinspiegel stehen mit verschiedenen neuropsychologischen Einschränkungen im Zusammenhang. Auch Alzheimer-Patienten zeigen oft sehr hohe Werte, die durch Vitamin-B-Präparate gesenkt werden können. In der Ernährung empfehlen sich folgende gute Vitamin-B-Quellen: Vollkornprodukte, Kohl und grünes Blattgemüse, Nüsse sowie insbesondere für die Vitamin-B12-Versorgung tierische Lebensmittel wie Fleisch, Milch und Eier.
Die positive Wirkung von Omega-3-Fettsäuren auf das Gehirn wurde ebenfalls schon in verschiedenen Studien bestätigt. Besonders die langkettigen Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA), die vornehmlich in fettem Seefisch vorkommen, zeigen neben der positiven Wirkung auf Herz und Gefäße auch Effekte im Gehirn: Sie sind Bestandteil der Zellmembranen, könnten Entzündungsvorgänge hemmen und die Informationsübertragung verbessern.
Biologin Witte erforscht derzeit noch einen weiteren Nahrungsbestandteil: lösliche Ballaststoffe. »Präbiotika werden im Darm durch das Mikrobiom zu kurzkettigen Fettsäuren verstoffwechselt. Das verbessert zum einen die Darmfunktion, könnte aber auch über Signalwege zwischen Darm und Gehirn positive Effekte auf das Gehirn entfalten«, beschreibt sie den Forschungsansatz.
In einer zweiwöchigen Interventionsstudie bekamen die 59 Teilnehmenden eine Nahrungsergänzung mit Inulin aus der Chicoréewurzel oder ein Placebo. Zu unterschiedlichen Zeitpunkten wurden ihnen Essensbilder gezeigt. Jene, die Präbiotika bekamen, zeigten weniger Lust auf ungesundes Essen als die Kontrollgruppe. »In der Studie haben wir gesehen, dass sich, wenn man viele lösliche Ballaststoffe zu sich nimmt, die Hirnantwort auf hochkalorisches Essen verändert. Es lässt sich also vermuten, dass sich die Nahrung langfristig auf das Essverhalten auswirken könnte. Nach dem Motto: Du bist, was du isst«, fasst Witte das spannende Ergebnis zusammen. In einer längeren Studie dieser Art untersucht die Forschungsgruppe aktuell, ob sich die Ergebnisse bestätigen lassen und wie die Auswirkungen auf Gedächtnisfunktion oder auch Gewichtsverlauf sind.
Doch auch wenn die Brainfood-Forschung vielversprechend ist, gibt Witte zu bedenken: »Die Studienlage ist noch dünn und nicht so aussagekräftig wie etwa bei großangelegten Medikamentenstudien.« Daher sollten Aussagen zu einzelnen Nährstoffen gegenüber Laien richtig eingeordnet werden. »Es gibt keinen Nährstoff, der der Heilige Gral ist, und kein einzelnes Nährstoffsupplement, das das Gehirn zum Beispiel vor Alzheimer schützt«, so die Expertin weiter.
Wichtig seien – wie so oft – verschiedene Faktoren, von denen einer die gesunde Ernährungsweise darstellt. »Eine pflanzenbasierte Kost mit möglichst wenig stark verarbeiteten Lebensmitteln tut den Gefäßen und damit auch dem Gehirn gut«, betont Witte. Die traditionelle Mittelmeerkost ist hier eine mögliche Ernährungsweise. Eine Weiterentwicklung davon, die sogenannte MIND-Diät, soll vor allem positiv auf die kognitive Leistungsfähigkeit wirken (siehe Kasten). »Ich denke jedoch, da kommt es gar nicht auf die ganz feinen Unterschiede an. Es geht darum, dass man die Leute dazu animiert, dass sie insgesamt versuchen, sich besser zu ernähren. Weniger Fastfood, mehr selbst kochen, genügend Ballaststoffe und weniger schlechte Fette und Zucker«, fasst die Expertin zusammen. Auch die Kalorienmenge spiele eine Rolle.
Was für die Gefäße gut ist, nutzt auch dem Gehirn. Daher sind sich Experten einig: Eine traditionelle mediterrane Ernährungsweise wirkt sich positiv auf die Gehirngesundheit aus. Dazu gehören reichlich Gemüse und Obst, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte und Olivenöl, moderate Mengen an Fisch und nur geringe Mengen an Milchprodukten und Fleisch.
Ob eine solche Kostform auch einer Demenz vorbeugen kann, wird aktuell noch erforscht. Auch hier stehen die Mittelmeerküche und eine Weiterentwicklung dieser Kostform, die sogenannte MIND-(Mediterranean-DASH Intervention for Neurodegenerative Delay-)Diät im Fokus. Diese legt neben den genannten Lebensmitteln noch einen Fokus auf den Verzehr von grünem Blattgemüse. Grund: Große Verzehrmengen von Salaten, verschiedenen Kohlarten oder Spinat könnten der Ablagerung von Plaques und Proteinen im Gehirn vorbeugen, die maßgeblich an der Pathogenese der Alzheimer-Erkrankung beteiligt sind. Einige Studien zeigen durchaus positive Ergebnisse und legen nahe, dass die Kostformen tatsächlich im Kampf gegen Demenz helfen könnten.
Eine neuere klinische Studie, die 2023 im »New England Journal of Medicine« veröffentlicht wurde, konnte diesen Zusammenhang jedoch noch nicht beweisen. Familiär für eine Demenz vorbelastete Senioren, die eine leicht kalorienreduzierte MIND-Diät aßen, zeigten nach drei Jahren keine besseren kognitiven Leistungen als die Kontrollgruppe, die lediglich kalorienreduziert aß. Auch hier ist weitere Forschung nötig.
So konnten durch eine leichte Kalorienrestriktion positive Effekte für Gehirn und Denkleistung belegt werden. Eine aktuelle Übersichtsstudie, veröffentlicht 2023 im Fachjournal »Nutrition Reviews«, zeigte beispielsweise, dass Intervallfasten sowohl im Tierversuch als auch beim Menschen die Entwicklung der Alzheimer-Erkrankung verzögern könnte. Witte erklärt mögliche Hintergründe für die Wirkung: »Eine leichte Kalorienrestriktion scheint sich unabhängig vom Gewicht positiv auf zelluläre Mechanismen auszuwirken. So werden Entzündungsmarker verbessert und oxidativer Stress reduziert und das könnte auch positiv für das Gehirn sein.«
Aber auch viele weitere Lebensstilfaktoren sind für gute Denkleistungen bis ins höhere Alter wichtig. Die üblichen Verdächtigen wie genug Bewegung, nicht Rauchen und kein Übergewicht gehören dazu. Witte: »Außerdem spielen Achtsamkeit und damit der Abbau von chronischem Stress eine Rolle. Ganz wichtig sind überdies soziale Interaktionen. Wenn man etwas mit anderen Menschen unternimmt, tut man auch seinem Gehirn etwas Gutes.« Das Rezept für den nächsten Gehirnbooster könnte also lauten: ein schönes mediterranes Essen mit Freunden kochen, ausgiebig genießen und anschließend eine Runde spazieren gehen. Das Gehirn wird es danken!