Emotionale Herzattacke |
Gebrochenes Herz: Beim Broken-Heart-Syndrom führt emotionaler Stress zu einer Herzattacke. / Foto: Getty Images/Os Tartarouchos
Der Begriff »gebrochenes Herz« sei kein naturwissenschaftlicher, dennoch habe er im Jahr 1976 Eingang in die medizinische Fachliteratur gefunden, berichtet Professor Dr. Thomas Meinertz, der viele Jahre Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung war, im Gespräch mit PTA-Forum. Damals beschrieb der US-amerikanische Psychologe James J. Lynch in seinem Buch »Das gebrochene Herz« die medizinischen Folgen von Einsamkeit. »Lynch zeigte, dass Einsamkeit, Bindungslosigkeit und der Verlust einer festen Partnerbeziehung zu vorzeitiger Herzkrankheit und zu einer Verkürzung des Lebens führen können«, erläutert der Hamburger Kardiologe.
Heute verstehe man unter dem gebrochenen Herzen im medizinischen Sinn eine besondere Form des akuten Herzversagens, nämlich eine plötzlich auftretende Funktionsstörung des Herzmuskels, die durch Kummer oder Stress ausgelöst wird. »Man schätzt, dass diese Krankheit bei etwa 1 Prozent aller Patienten vorliegt, die wegen eines Verdachts auf Herzinfarkt notfallmäßig ins Krankenhaus kommen.«
Die Symptome ähneln denen eines Herzinfarkts: Die häufigsten Beschwerden sind plötzlich auftretende Brustschmerzen, Atemnot und Ohnmacht. Einige Menschen entwickeln auch Komplikationen wie Herzrhythmusstörungen oder eine Herzschwäche, sodass das Herz nicht mehr ausreichend Blut durch den Körper pumpen kann. Typische Anzeichen hierfür sind neben Atemnot, Müdigkeit und Erschöpfung auch Wassereinlagerungen im Körper. Da die Herzkranzgefäße aber – im Gegensatz zum Herzinfarkt – beim Broken-Heart-Syndrom nicht verstopft und voll funktionsfähig sind, heilt es in den meisten Fällen innerhalb weniger Wochen vollständig aus. Wegen der Ähnlichkeit der Symptome zu denen eines Herzinfarkts gilt es aber, bei Beschwerden wie Schmerzen in der Brust und Atemnot auf jeden Fall den Notarzt zu rufen, um lebensgefährliche Komplikationen zu vermeiden.
1991 zeigten japanische Ärzte anhand von Ultraschallbildern, dass Anteile des Herzmuskels bei einigen ihrer Patienten gelähmt waren. Gleichzeitig hatte sich die linke Herzkammer wie ein Ballon aufgebläht. Das Bild erinnerte die Mediziner an einen Takotsubo, eine landestypische Krakenfalle aus Ton – daher ist das Broken-Heart-Syndrom auch unter dem Namen Takotsubo-Kardiomyopathie oder Stress-Kardiomyopathie bekannt.
Als Ursache für die Bildung dieses Ballons stellten die Ärzte Bewegungsstörungen im Muskel der linken Herzkammer fest, häufig im Bereich der Vorderwand und der Herzspitze. Dort haben Broken-Heart-Patienten besonders viele Rezeptoren für Stresshormone. Docken dann tatsächlich viele davon an, kann das die Herzfunktion dramatisch absenken. Tatsächlich finden sich im Blut von Menschen mit einem Broken-Heart-Syndrom oft erhöhte Mengen der Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin. Diese können dann schädigend auf den Herzmuskel wirken.
Besonders gefährdet sind Frauen nach den Wechseljahren. Ihr Körper bildet dann das Geschlechtshormon Östrogen nicht mehr, das die Wirkung von Stresshormonen mindert und so schützend auf das Herz-Kreislauf-System wirkt. Darüber hinaus gibt es auch Hinweise, dass bestimmte Therapien und selten auch Vorerkrankungen ein Broken-Heart-Syndrom auslösen können. Dazu gehören Chemotherapien im Rahmen einer Krebserkrankung, Blutvergiftung (Sepsis), Atemwegserkrankungen wie Asthma oder die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), aber auch psychische Störungen wie eine Angsterkrankung, Rauchen und Alkoholmissbrauch sowie Drogenkonsum oder -entzug und erhöhte Blutfettwerte (Hyperlipidämie), wie das Bundesministerium für Gesundheit in seinem Portal gesund.bund.de informiert.
Bei den meisten Betroffenen normalisiert sich die Herzfunktion nach einem Broken-Heart-Syndrom innerhalb weniger Wochen von allein wieder. In seltenen Fällen können aber lebensbedrohliche Komplikationen auftreten, etwa schwere Herzrhythmusstörungen oder ein kardiogener Schock, also ein Schock, der durch ein Pumpversagen des Herzens ausgelöst wird. Dabei wird der Körper nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Auch Thromboembolien können eine schwerwiegende Folge des Syndroms sein. Dabei löst sich ein Blutgerinnsel von der Wand eines Blutgefäßes und gelangt in die Blutbahn. Bleibt der Thrombus stecken und blockiert den Blutfluss, kann ein Schlaganfall die Folge sein.
Ob ein Broken-Heart-Syndrom vorliegt, können Mediziner nur im Ausschlussverfahren feststellen. Dabei spielt die Koronarangiografie eine wichtige Rolle: Diese spezielle Form des Röntgens zeigt, ob die Herzkranzgefäße gut durchblutet sind oder nicht. Sind sie es, lässt sich ein Herzinfarkt ausschließen. Weitere wichtige Untersuchungen sind Bluttests, eine Ultraschalluntersuchung des Herzens (Echokardiografie) und ein Elektrokardiogramm (EKG). Zeigen sie, dass die Herzkranzgefäße nicht verengt sind, kann der Arzt in einem Gespräch klären, ob emotionaler oder körperlicher Stress besteht oder es belastende Erlebnisse gab. Auch Fragen zum Lebensstil wie Ernährungsgewohnheiten und der Umgang mit Alkohol und Zigaretten können weiteren Aufschluss geben.
Behandelt werde ein Broken-Heart-Syndrom völlig anders als ein Herzinfarkt, erläutert Meinertz. »Während beim akuten Herzinfarkt das Herzkranzgefäß durch ein Blutgerinnsel verschlossen und die Therapie darauf ausgerichtet ist, durch Kathetertechnik möglichst rasch den normalen Blutfluss wiederherzustellen, ist bei
der Stress-Kardiomyopathie der Blutfluss in allen Herzkranzgefäßen normal.« Ziel sei es, das Risiko für Komplikationen zu mindern beziehungsweise diese rechtzeitig zu behandeln. Deshalb wird in der Regel die Herzfunktion für mindestens 24 Stunden mit einem Elektrokardiogramm (EKG) überwacht, bei Risikopatienten für mindestens 72 Stunden.
Führt das Broken-Heart-Syndrom zu einer Herzschwäche, wird diese medikamentös behandelt, beispielsweise mit Betablockern und ACE-Hemmern. Das soll die Belastung des Herzmuskels vermindern und die Pumpleistung verbessern. Bei schwereren Komplikationen ist eine intensivmedizinische Behandlung notwendig, etwa beim kardiogenen Schock. Dabei ist das Herz nicht mehr in der Lage, den Körper ausreichend mit Sauerstoff zu versorgen. Diese Aufgabe können dann vorübergehend spezielle Maschinen auf der Intensivstation übernehmen.
Bei der Mehrzahl der Patienten aber, wie der Kardiologe betont, heile die Krankheit ohne Folgen aus. Die Langzeitprognose sei aber weniger günstig als früher angenommen. »Es können Schäden wie eine Herzschwäche zurückbleiben, nicht selten kommt es zu Rückfällen.« Anders als beim Herzinfarkt gebe es keine Medikamente, mit denen sich Broken-Heart-Patienten zumindest in gewissem Maße vor einem Rückfall schützen können. »Aber es gibt die Möglichkeit, sich mit Entspannungstechniken gegen den Stress durch überwältigende Gefühle zu wappnen: Atemgymnastik, progressive Muskelentspannung, Tai-Chi, Qigong, auch bestimmte Formen von Yoga«, so Meinertz. Allerdings müssten diese Techniken so gut eingeübt sein, dass man sie in einer Stresssituation sofort erfolgreich einsetzen kann, um eine Takotsubo-Attacke zu verhindern.