Endlich Nichtraucher |
Verena Schmidt |
12.12.2024 16:00 Uhr |
Schluss mit der Zigarette: Der Rauchstopp ist der erste Schritt in ein gesünderes Leben. / © Adobe Stock/Nicole Lienemann
Knapp 30 Prozent der Deutschen rauchen, zeigen aktuelle repräsentative Daten der Deutschen Befragung zum Rauchverhalten (DEBRA), einer alle zwei Monate durchgeführten Haushaltsbefragung von rund 2000 Personen ab 14 Jahren (Stand Juli 2024). Dass das Rauchen zahlreiche schädliche Folgen für die Gesundheit hat, dürfte mittlerweile allseits bekannt sein. »Im Schnitt verlieren Raucher zehn Lebensjahre, in Deutschland sind mehr als 13 Prozent der Todesfälle durch das Rauchen bedingt. Auch ein Fünftel aller Krebserkrankungen kann auf Rauchen zurückgeführt werden«, fasste Dr. David Monteiro Barbosa aus der Abteilung Medical Affairs des Unternehmens Kenvue bei einem Workshop der Marke Nicorette® im Oktober bei der Fachmesse Expopharm die Gesundheitsgefahren des Tabakrauchens zusammen.
Befragungen zeigen, dass etwa 50 bis 70 Prozent der Raucher prinzipiell aufhören oder ihren Zigarettenkonsum zumindest reduzieren wollen. Laut DEBRA haben in den vergangenen zwölf Monaten allerdings nur 9 Prozent ernsthaft versucht, das Rauchen aufzugeben. Die größten Hürden dabei: der Genuss beim Rauchen (51 Prozent), Gewohnheiten und Rituale (40,6 Prozent) sowie fehlende Disziplin (29,8 Prozent). Das ergab eine aktuelle Studie von NIQ/GfK im Auftrag des Unternehmens Philip Morris.
Doch wer wirklich motiviert ist, dem kann der Absprung gelingen – oft sogar ohne Hilfe. Viele schafften es aus eigener Vorsatzbildung und Anstrengung heraus, abstinent zu werden, heißt es auch in der aktuell gültigen S3-Leitlinie »Rauchen und Tabakabhängigkeit: Screening, Diagnostik und Behandlung«. Wer allerdings bei ernsthaften Versuchen aus eigener Kraft keine Abstinenz erreicht, für den kann therapeutische Unterstützung sinnvoll sein. Laut Leitlinie kann etwa eine kognitive Verhaltenstherapie in Einzel- und Gruppensitzungen Erfolg bringen, aber auch Kurz- und Telefonberatungen sowie Online-Selbsthilfeprogramme sind gute Alternativen.
In der Offizin treffen PTA tagtäglich auf viele Raucher. Diese direkt darauf anzusprechen, ob sie mit dem Rauchen aufhören möchten, davon rät Nicole Kilic, Leiterin des Apothekentrainings bei Kenvue, ab. Beim Expopharm-Workshop erläuterte sie, dass der Wunsch, mit dem Rauchen aufzuhören, oft ein sehr persönliches, intimes Thema sei. Aber: »Viele Raucher wissen gar nicht, dass PTA und Apotheker bei diesem Thema kompetente Ansprechpartner sind.« Ihr Tipp: Im Beratungsgespräch könne man sich dem Thema vorsichtig nähern; neben dem Jahresende mit guten Vorsätzen für das neue Jahr seien beispielsweise auch ein Atemwegsinfekt in der Erkältungszeit, ein unerfüllter Kinderwunsch oder die Reisezeit gute Anlässe, um mit dem Kunden zum Thema Rauchstopp ins Gespräch zu kommen.
Ist das Rauchen an bestimmte Situationen gekoppelt, sollte man neue Rituale finden, zum Beispiel nach dem Essen die Zähne zu putzen. Ist das Verlangen nach der Zigarette an Schlüsselreize wie Kaffee gebunden, hilft es, in der ersten Zeit auf ein anderes Getränk umzusteigen. Wird das akute Verlangen zu groß, helfen die drei A-Tipps:
Rauchen erzeuge eine körperliche und eine psychische Abhängigkeit, so Kilic. So sei Rauchen für viele mit bestimmten Handlungen im Alltag und sozialer Interaktion verknüpft – das zu verändern, sei nicht einfach. Medikamentöse Therapiemöglichkeiten wie eine Nikotinersatztherapie (NET) oder auch verschreibungspflichtige Arzneistoffe wie Bupropion, Varenicilin und Cytisin unterstützen Raucher beim Aufhören, indem sie die Entzugssymptome vermindern beziehungsweise erträglicher machen.
Bei einer NET werde der Suchtstoff Nikotin langsamer aufgenommen als beim Rauchen, erklärte Monteiro Barbosa. »Nikotin flutet langsamer an, aber der Blutspiegel wird in einem niedrigen Bereich stabilisiert, sodass keine Entzugssymptome ausgelöst werden.« Trainerin Kilic empfahl beim Workshop, den Kunden zunächst zu fragen, wie er rauche. Man unterscheide kontinuierliche Raucher, die über den ganzen Tag ständig rauchen, von situativen Rauchern, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten und Anlässen rauchen.
Für erste eignet sich ein Nikotinpflaster (zum Beispiel Nicorette®, Nicotinell®, Nikofrenon®), das den Körper transdermal kontinuierlich mit Nikotin versorgt. 16-Stunden-Pflaster werden tagsüber aufgeklebt, aber nicht über Nacht angewendet – die Versorgung entspricht dem normalen Tagesrhythmus. Für Raucher, die sehr früh nach dem Aufstehen das Verlangen nach der ersten Zigarette haben, gibt es 24-Stunden-Nikotinpflaster. Sie geben Nikotin über den gesamten Tag und in der Nacht ab und gewährleisten eine konstante Versorgung. Allerdings treten auch häufiger Nebenwirkungen wie etwa Schlafstörungen auf.
Raucher, die unterschiedlich viel und vor allem zu bestimmten Anlässen rauchen, brauchen eher Hilfe bei akutem Verlangen, etwa in Form von Kaugummis oder Lutschtabletten. Hier gibt es eine umfangreiche Auswahl an Stärken und Geschmacksrichtungen. »Darreichungsform und Geschmack sind hierbei enorm wichtig für die Compliance«, betonte Kilic. Denn die NET soll acht bis zwölf Wochen angewendet werden. Schmeckt die Lutschtablette nicht oder kaut der Ex-Raucher nicht gerne Kaugummi, fällt das Durchhalten schwer.
Wichtiger Beratungshinweis: Die Kaugummis werden nicht wie normale Kaugummis einfach gekaut, die richtige Kautechnik muss beachtet werden, und zwar so: Kauen, bis sich der Geschmack intensiviert; das zeigt, dass der Wirkstoff freigesetzt wird. Dann wird das Kaugummi in die Wangentasche geschoben, bis der Geschmack nachlässt. Das Kauen und Pausieren dann für bis zu 30 Minuten wiederholen, bis der gesamte Wirkstoff abgegeben ist.
Bei Nikotin-Lutschtabletten (wie von Nicorette, Nicotinell) ist es ähnlich: Man lässt sie für 20 bis 30 Minuten im Mund zergehen und schiebt sie dabei von einer Seite der Mundhöhle zur anderen, bis sie sich vollständig aufgelöst haben. Während der Anwendung sollte man nicht essen oder trinken. Auch 15 Minuten vor der Anwendung sollten saure Getränke wie Kaffee oder Fruchtsäfte und Speisen gemieden werden, denn ein erniedrigter pH-Wert im Mund kann die Aufnahme des Nikotins vermindern.
Neben Lutschtabletten und Kaugummis gibt es außerdem noch Nikotin-Mundsprays (etwa von Nicorette, Nicotin AL). Apothekentrainerin Kilic empfahl, in der Beratung darauf hinzuweisen, dass man die Sprühstöße in die Wangentasche sprühen muss und währenddessen nicht inhalieren sollte. Auch auf den Alkoholgehalt sollte das pharmazeutische Personal hinweisen.
Bei der Anwendung des Nicorette-Inhalers werden Nikotin-Patronen in ein Mundstück eingesetzt, beim Ansaugen von Luft durch den Inhaler verdampft das Nikotin und wird über die Mund- und Rachenschleimhaut aufgenommen. Diese Darreichungsform ist vor allem für Raucher geeignet, denen es schwerfällt, Gewohnheiten wie das »Hand-zum-Mund-Führen« aufzugeben.
Bei starken Rauchern oder denjenigen, die unter einer Monotherapie noch unter Entzugssymptomen leiden, kann die Akuthilfe auch mit einem Pflaster kombiniert werden. Hierbei sollte man jedoch die Obergrenze von maximal 64 mg Nikotin/Tag beachten, sagte Monteiro Barbosa.
Neben der NET stehen für starke Raucher auch verschreibungspflichtige Medikamente zur Rauchentwöhnung zur Verfügung. Bei Vareniclin (Champix®) handelt es sich um einen partiellen Agonisten an bestimmten Nikotin-Rezeptoren im Gehirn, an die auch das Nikotin aus dem Tabakrauch bindet. Vareniclin stimuliert die Rezeptoren leicht und lindert so Entzugssymptome und das Verlangen nach Zigaretten. Außerdem blockiert es die Wirkung von Nikotin aus Zigaretten, das Rauchen ist dann weniger befriedigend.
In einem Cochrane-Review schnitt Vareniclin auch im Vergleich zu anderen medikamentösen Optionen gut ab. Es kann die Chancen für einen erfolgreichen Rauchstopp im Vergleich zu Placebo mehr als verdoppeln und es wirkt auch besser als eine Mono-NET, also zum Beispiel nur Kaugummi oder nur Pflaster. Aktuell ist Champix in Deutschland – nach dem Fund von Nitrosamin-Verunreinigungen 2021– allerdings noch immer nicht lieferbar.
Cytisin (Asmoken®) ist ebenfalls ein partieller Nikotinrezeptoragonist. Laut dem Cochrane-Review gibt es bezüglich der Wirksamkeit keine großen Unterschiede zu Vareniclin; womöglich treten sogar seltener schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen auf als bei Vareniclin. Allerdings gibt es noch vergleichsweise wenig Daten, es besteht weiter Forschungsbedarf. Auch Asmoken ist aktuell nicht lieferbar.
Die deutsche S3-Leitlinie empfiehlt darüber hinaus das Antidepressivum Bupropion als Alternative zum Rauchstopp – es gilt allerdings als schlechter wirksam als Vareniclin oder als eine Kombi-NET. Bupropion hemmt selektiv die Wiederaufnahme von Noradrenalin und Dopamin in die Neuronen und erhöht so die Konzentration der Neurotransmitter im synaptischen Spalt. Der Vertrieb des entsprechenden Präparats Zyban® wurde 2022 ausgesetzt, da es auch hier Hinweise auf Nitrosamin-Verunreinigungen gab. Es ist inzwischen in einigen Ländern wieder erhältlich, in Deutschland allerdings weiterhin außer Vertrieb.
2023 hatte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) beauftragt, den Nutzen der zugelassenen medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten zum Rauchstopp zu bewerten. Bislang müssen diese von den Patienten selbst bezahlt werden. In Zukunft sollen die Kosten bei schwerer Tabakabhängigkeit aber von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden. Welche Arzneimittel dann erstattet werden, muss der G-BA noch entscheiden.
Das IQWiG jedenfalls empfiehlt Nikotin und Vareniclin. Beide hätten deutliche Vorteile im Vergleich zu keiner medikamentösen Therapie. Zwar gebe es auch Nachteile, etwa Nebenwirkungen wie Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Fatigue, Übelkeit oder Hautreizungen. Insgesamt überwiegen laut IQWiG aber die Vorteile des Rauchstopps. Bei Bupropion und Cytisin, den beiden anderen geprüften Wirkstoffen, fehlten dagegen Daten, auch weil diese von den Herstellern nicht übermittelt wurden. Zu deren Nutzen ist laut IQWiG daher keine Aussage möglich.