Endlich ohne Blasenentzündung |
| Isabel Weinert |
| 07.11.2025 08:00 Uhr |
Immer wieder unter Blasenentzündungen leiden, ohne Hoffnung auf ein Ende – das kann die Stimmung deutlich beeinträchtigen. / © Adobe Stock/andriano_cz
Frauen, die immer wieder unter Blasenentzündungen leiden, bekommen in den meisten Fällen erst einmal, dann immer wieder Antibiotika gegen die rezidivierenden Infektionen. Zwar lindern diese das akute Leiden meistens schnell, doch der Effekt ist nicht nachhaltig. Zudem begleitet Betroffene die Angst vor einer Antibiotika-Resistenz. Und das mit Recht, denn Escherichia coli weist als häufigster Auslöser einer HWI eine 35-prozentige Resistenzquote gegen Ampicillin auf. Die Leitlinie nennt bei einer HWI bei einer Frau vor den Wechseljahren, die nicht schwanger ist die folgenden vier Antibiotika: Fosfomycin, Nitrofurantoin, Nitroxolin und Pivmecillinam. Nur bei schwerwiegenderen Infektionen der Harnblase sollen Cephalosporine, Gyrasehemmer, Cotrimoxazol, Trimethoprim und Sulfamethoxazol zum Einsatz kommen.
Doch egal welches Antibiotikum, allen gemeinsam ist, dass sie in der Mikrobiota der Harnblase Veränderungen verursachen, weil sie natürlich nicht nur den »bösen« Keim, sondern auch gute, die Harnblase bewohnende Bakterien abtöten. Diese Verschiebungen der Mikrobiota können immer wiederkehrenden HWI Vorschub leisten, denn die lokale Immunabwehr ist dadurch verändert, schwächer und kann Keime, die von außen kommen, nicht mehr so gut eliminieren. In einer Pressemitteilung der Universitären Medizin Zürich UMZH zum Projekt mTORUS sagt Professor Dr. med. Thomas M. Kessler, Chefarzt der Neuro-Urologie an der Universitätsklinik Balgrist und Professor der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich: »Wir vermuten, dass bei Rückfällen das Mikrobiom der Blase aus dem Gleichgewicht gerät.«
Hinzu kommt, dass sich die Krankheitserreger tarnen können. Aus der Pressemittelung: »Die sich wiederholenden Entzündungen könnten durch Bakterien ausgelöst werden, die sich in der Harnblase so geschickt verstecken, dass kein Medikament an sie herankommt und auch das Immunsystem nicht«. Experte Kessler erklärt: »Es ist, als wären die Bakterien unsichtbar, versteckt unter einer Tarnkappe.« Sie nisten sich für diese Tarnung in Zellen und Zellübergängen der Blase ein, vermehren sich dort ungehindert neu und verursachen die nächste Infektion. Die derzeit gängigen Therapien bei immer wiederkehrender HWI beenden deshalb nicht das Leid. Im Zweifel halten sie es aufrecht.
Deshalb arbeiten Forschende wie Kessler und Mitarbeitende zusammen mit Experten weiterer Disziplinen schon länger an einer Methode, an deren Ende die Heilung der rezidivierenden HWI stehen könnte. In diesem sogenannten »mTORUS«-Projekt (Microbiome-based Therapeutic Options for recurrent Urinary Symptoms), das 2023 startete und bis 2028 läuft, werden bei über 350 Probandinnen und Probanden über längere Zeit regelmäßig Urin-, Blut- und Stuhlproben, Scheidenabstriche und Blasengewebe gesammelt. Die Teilnehmenden sind dabei eingeteilt in gesunde Menschen, solche mit Bakterien in der Blase, jedoch ohne Symptome, Menschen mit Dauerkatheter, jene mit wiederkehrender Blasenentzündung in der Gegenwart oder in der Vorgeschichte und an Blasenkrebs erkrankte Menschen. Die sich daraus ergebenden unzähligen Daten dienen dazu, die Pathophysiologie von HWI besser zu verstehen, zu erfahren, was das Risiko erhöht und Therapien zu entwickeln, die auf die einzelne Person zugeschnitten sind.
Am Ende der Forschung soll ein zweistufiges Verfahren stehen, eine »Push-Pull«-Strategie, wie es die Wissenschaftler aus der Schweiz nennen. In der ersten Phase setzen sie gentechnisch veränderte Bakteriophagen ein, um spezifisch die krankmachenden Keime in der Blase zu beseitigen. In Phase zwei bekommen die Patientinnen ein Transplantat – und zwar das aus einem Mikrobiom einer blasengesunden Person. Hiervon erwarten die Mediziner in der betroffenen Person ein gesundes, abwehrfähiges Blasen-Mikrobiom und zwar auf Dauer. Das würde den Leidensweg derjenigen mit ständig wiederkehrenden Blasenentzündungen beenden, Antibiotika einsparen und damit die Gefahr für zunehmende Resistenzen verringern.