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Endometriose so früh wie möglich behandeln

Starke Schmerzen im Unterleib und Probleme, schwanger zu werden – eine Endometriose wird oft erst spät erkannt, obwohl sie weit verbreitet ist. Professor Sylvia Mechsner von der Charité Berlin erklärt, wie Betroffenen geholfen werden kann.
Barbara Döring
20.02.2023  12:00 Uhr

Sechs Jahre dauerte es, bis Anna Adamyans Beschwerden einen Namen hatten: Mit 19 Jahren wurde bei der Influencerin eine Endometriose diagnostiziert. Das Model ist eine von vielen Frauen in Deutschland, die unter der Erkrankung leiden, jede Zehnte ist davon betroffen. Typisch sind starke Unterleibsschmerzen, die regelmäßig vor oder während der Monatsblutung auftreten, manchmal auch beim Geschlechtsverkehr oder Stuhlgang. Bei Anna Adamyan war die Krankheit wie auch bei anderen Betroffenen der Grund, warum sie lange nicht schwanger werden konnte.

Obwohl die Endometriose in Deutschland etwa so häufig ist wie Diabetes, ist die Erkrankung viel weniger bekannt. »Das liegt zum einen daran, dass die Beschwerden als Regelschmerzen wahrgenommen werden und die als ganz normal gelten«, sagt Professor Dr. Sylvia Mechsner, Leiterin des Endometriosezentrums der Charité Berlin, im Gespräch mit PTA-Forum. »Die Menstruation ist in unserer Gesellschaft zudem immer noch ein Tabu und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr und Unfruchtbarkeit sehr persönliche Themen, über die man nicht ohne Weiteres redet«, so die gynäkologische Chirurgin.

In den sozialen Medien scheint sich das gerade zu ändern. Wie andere Promis auch hat sich Anna Adamyan entschlossen, offen mit dem Thema umzugehen, und möchte mehr Bewusstsein für die Krankheit schaffen. Viele Frauen leiden jahrelang und versuchen irgendwie damit zurechtzukommen. »80 Prozent der Frauen haben sehr starke Schmerzen, die oft mit Übelkeit, Erbrechen und Durchfall einhergehen«, erklärt Mechsner. Um diese genau einzuordnen, wäre eine sehr ausführliche Schmerzdiagnostik notwendig, die in der gynäkologischen Sprechstunde so nicht vorgesehen ist.

Schleimhaut am falschen Ort

Der Begriff Endometriose leitet sich von »Endometrium« ab, dem lateinischen Begriff für die Gebärmutterschleimhaut. Bei der Erkrankung siedeln sich Schleimhautzellen aus der Gebärmutter in anderen Bereichen des Körpers an und bilden fleckige oder knotige Herde, die sich häufig im Gebärmuttermuskel, in Scheide oder Eierstöcken finden. Auch Bauchfell, Darm oder Blase und sogar die Lunge können betroffen sein. Die Herde wachsen in der ersten Zyklushälfte ebenso wie die Schleimhaut in der Gebärmutter heran, können dann aber nicht mit der Blutung abfließen und verursachen Verklebungen, Entzündungen oder Zysten. Warum eine Endometriose entsteht, ist noch wenig erforscht. Neuere Erklärungsmodelle sehen ein Zusammenspiel von genetischen, immunologischen und hormonellen Faktoren als ursächlich.

Risiko Schmerzsyndrom

Nicht immer bereitet eine Endometriose Beschwerden. Dann wird sie vielleicht ein Leben lang gar nicht bemerkt. Auf der anderen Seite können schon wenige verschleppte Schleimhautzellen heftige Schmerzen im Unterleib verursachen, die mitunter bis in den Rücken ausstrahlen. Anna Adamyan beschreibt sie als so stark, dass sie zur Ohnmacht führen können. Bei vielen Frauen fangen die Beschwerden kurz vor der Regelblutung an und lassen während der Menstruation nach. Man schätzt, dass bei bis zu 50 Prozent der Frauen mit sehr starken Regelbeschwerden eine Endometriose vorliegt.

Frauen behelfen sich oft zunächst mit pflanzlichen Präparaten wie Mönchspfeffer, Kräutertees oder Schmerzmitteln wie Ibuprofen oder Naproxen. Sie bringen in vielen Fällen Linderung, erfordern aber eine ausführliche Beratung. »Oft warten Frauen zu lange, bis sie Schmerzmittel einnehmen, und rutschen so mehr und mehr in eine Schmerzspirale hinein«, erklärt Mechsner. Werden Schmerzmittel nicht oder zu spät eingenommen, besteht ein hohes Risiko, dass sich ein Schmerzsyndrom entwickelt, zum Beispiel mit chronischen Beckenschmerzen.

Bei Endometriose frühzeitig handeln

Ob hinter starken Regelbeschwerden eine Endometriose steckt, lässt sich mitunter bereits mit der vaginal-rektalen Untersuchung in der gynäkologischen Praxis feststellen, etwa wenn sich Herde in der Scheide oder im Enddarm angesiedelt haben. Genauer ist eine Ultraschalluntersuchung, bei der auch Veränderungen an der Gebärmutter oder den Eierstöcken zu erkennen sind. »Selbst wenn zunächst keine Herde gefunden werden, ist es wichtig, bei pathologischen Regelschmerzen frühzeitig mit der Therapie zu beginnen, um zu verhindern, dass die Krankheit fortschreitet«, rät Mechsner. Selbsttests, wie sie seit Kurzem auf dem Markt erhältlich sind, sind laut der Expertin wenig sinnvoll. Zum einen sind sie teuer und können falsch negative Ergebnisse liefern. Zum anderen ändert das Ergebnis nichts daran, dass die Beschwerden in jedem Fall behandelt werden sollten. Dabei kommen im ersten Schritt orale Kontrazeptiva zum Einsatz, die durchgängig eingenommen werden, um die schmerzhafte Regelblutung zu verhindern.

Zu viele Blutungen

Viele Frauen möchten heute jedoch lieber auf hormonelle Präparate verzichten und folgen dem Trend »Lebe deinen Zyklus«. Deshalb sei es wichtig, sich die Zeit zu nehmen und den Frauen zu erklären, was beim Zyklus im Körper passiert und warum die Pille als medizinische Indikation sinnvoll ist, betont Mechsner. Bei vielen Frauen hält sich der Mythos, das monatliche Blut müsse aus dem Körper hinaus. Dass sich die Gebärmutterschleimhaut unter der Pille erst gar nicht aufbaut, sei vielen Frauen nicht bewusst.

»Rein physiologisch gesehen ist es gar nicht vorgesehen, dass wir so viel bluten«, erklärt Mechsner. Der Monatszyklus sei für junge Frauen eher untypisch, da sie in diesem Alter natürlicherweise schwanger wären. »Während im Jahr 1919 Frauen in ihrem Leben durchschnittlich 40-mal geblutet haben, waren es im Jahr 2019 immerhin 400 Blutungen. Die häufigen Zyklen und Blutungen könnten auch dafür verantwortlich sein, dass eine Endometriose überhaupt entsteht, erklärt die Expertin.

Multimodale Therapie bei Endometriose

Um die Wirkung der therapeutischen Amenorrhoe zu testen, kommen kombinierte Pillenpräparate mit Estrogen und Gestagen infrage. Bei Frauen über 20 empfiehlt Mechsner ein reines Gestagenpräparat, das weniger Risiken birgt. Wenn Frauen damit beschwerdefrei sind, kann die Therapie so beibehalten werden. Bleiben die Schmerzen bestehen, ist das ein Grund, ein Endometriosezentrum oder ein auf die Erkrankung spezialisierte Praxis oder Klinik aufzusuchen, in der die Behandlung noch einmal umgestellt oder angepasst wird. In Deutschland gibt es etwa 100 solche spezialisierten Zentren, bei denen die Patientinnen multimodal versorgt werden. Dabei arbeiten Psychosomatik, Schmerztherapie und Physiotherapie Hand in Hand. So spielen bei der Behandlung auch Entspannungsübungen des Beckenbodens, Akupunktur, Biofeedback oder eine Anpassung der Ernährung eine Rolle.

Rolle der Ernährung bei Endometriose

Der Einfluss der Ernährung auf den Verlauf einer Endometriose ist noch nicht eindeutig belegt. Studien weisen darauf hin, dass sich Alkohol sowie vermehrter Verzehr von rotem Fleisch und Transfetten negativ auswirken. »Die Erfahrung zeigt, dass die Ernährung viel bewirken kann«, berichtet Mechsner. »Endometriose ist eine chronisch entzündliche Erkrankung, sodass der Verzicht auf Entzündungstreiber wie Zucker oder Gluten die Beschwerden in vielen Fällen lindert«, erklärt Mechsner. Insgesamt sei eine entzündungshemmende Ernährung mit reichlich Gemüse und Omega-3-Fettsäuren aus fettem Fisch oder Leinöl günstig. Damit bessere sich auch der zyklisch auftretende Blähbauch, auch Endobelly genannt, der vielen Betroffenen zu schaffen macht.

Steht die Familienplanung bevor oder kommen hormonelle Behandlungen nicht in Betracht, kann ein operativer Eingriff sinnvoll sein. Bei einer Bauchspiegelung lassen sich Endometrioseherde und Verwachsungen über den Bauchnabel entfernen. Umfangreichere Operationen können dann nötig sein, wenn sich große Zysten an den Eierstöcken gebildet haben, sogenannte Endometriome. Auch Herde in Darm oder Blase können größere Eingriffe nötig machen.

Eingeschränkt fruchtbar durch Endometriose

Wie bei Anna Adamyan kann Endometriose die Fruchtbarkeit beeinträchtigen. Auch deshalb ist eine frühzeitige Behandlung sinnvoll. »Je stärker die Erkrankung ausgeprägt ist, umso eher ist die Fruchtbarkeit eingeschränkt«, erklärt Mechsner. Dafür verantwortlich sind Verklebungen, die sich durch die versprengte Schleimhaut bilden und zum Verschluss der Eileiter oder Störungen der Eileiterbeweglichkeit führen können. Wichtig sei es, bei Endometriose frühzeitig über einen Kinderwunsch zu sprechen. »Für Betroffene kann es sinnvoll sein, früher schwanger zu werden, da ab etwa 35 Jahren die Aussichten schlechter werden«, sagt Mechsner.

Zudem gibt es die Möglichkeit des »Medical Freezings«. Dabei werden Eizellen entnommen und für eine eventuell spätere künstliche Befruchtung eingefroren. In den meisten Fällen erfüllt sich der Kinderwunsch, wenn die Verwachsungen durch die Operation beseitigt wurden. Auch Anna Adamyan konnte inzwischen eine Babyparty feiern. Anfang des Jahres teilte sie ihren Followern mit, dass sie einen Jungen erwartet. Vielleicht konnte sie mit ihrer Geschichte ein wenig dazu beitragen, Endometriose bekannter zu machen, sodass betroffene Frauen offener darüber reden und sich rechtzeitig Hilfe holen. 

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