Entspannungsverfahren im Überblick |
Lockere Muskeln, freier Geist: Es gibt verschiedene Entspannungsverfahren, die Hilfe bei Stress und Anspannung versprechen. / Foto: Adobe Stock/Fizkes
Stress ist im Alltag gegenwärtig und die Folgen bekommen viele Menschen zu spüren. Sie fühlen sich erschöpft und ausgelaugt, leiden unter Schlafstörungen, Kopfschmerzen und Verdauungsstörungen. Die Ursache dafür liegt im menschlichen Organismus: Das Anspannungs-Entspannungssystem hat sich im Laufe der Evolution nicht verändert. In Stresssituationen werden Hormone wie Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol ausgeschüttet, die Energiereserven freisetzen, um eine schnelle Flucht oder einen anstrengenden Kampf zu ermöglichen. Abgebaut wurden die Stresshormone in früheren Zeiten durch die nun folgende Bewegung, die gleichzeitig eine Entspannungsreaktion einleitete.
Moderne Stresssituationen lassen sich kaum durch Flucht oder Kampf bewältigen. Um der Doppelbelastung aus Familie und Beruf, hohen Anforderungen im Berufsleben oder dem morgendlichen Frühverkehr standzuhalten, sind Entspannungsverfahren besser geeignet. Sie wirken auf psychologischer und physiologischer Ebene: Das Wohlbefinden wird verbessert, es entsteht ein Gefühl von Ausgeglichenheit und Zufriedenheit. Der Muskeltonus sinkt, der Blutdruck und die Herzfrequenz nehmen ab, Blutgefäße und Bronchien weiten sich. Im EEG sind Veränderungen in der Hirnfrequenz im Bereich der sogenannten Alpha- und Theta-Wellen zu beobachten. Bei regelmäßigem Training lernt der Organismus zudem, künftige Belastungssituationen leichter zu bewältigen.
In ihrer Wirkung unterscheiden sich verschiedene Entspannungsverfahren kaum. Welches man wählt, hängt somit vor allem von der eigenen Persönlichkeit ab. Wer es aktiver mag, könnte sich etwa beim Yoga, Tai Chi oder Qigong wohlfühlen.
Yoga blickt auf eine lange Tradition zurück. Bereits vor 2000 Jahren wurde es als Teil der indischen Gesundheitslehre Ayurveda entwickelt. Heute gibt es Weiterentwicklungen, unterschiedliche Stile und für verschiedene Zielgruppen angepasste Programme. Allen gemeinsam ist, dass die Kombination aus speziellen Körperpositionen, Dehnungen und Atemübungen neben der Psyche auch den Körper trainiert. Muskeln, Sehnen und Bänder werden gekräftigt und gedehnt, wodurch sich Haltung und Beweglichkeit verbessern.
Tai Chi und Qigong sind Teil der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) und in China beliebte Volkssportarten, die bevorzugt im Freien praktiziert werden. Beide sollen die Lebensenergie (Chi/Qi) stärken, harmonisieren und in die richtigen Bahnen leiten, um Krankheiten vorzubeugen. Nach Auffassung der westlichen Medizin entsteht der Entspannungseffekt im Wesentlichen durch die Konzentration auf die richtige Ausführung der festgelegten Bewegungsabfolgen in Kombination mit bewusster Atmung. Viele Bewegungsmuster der beiden Verfahren ähneln sich, allerdings besteht ein wesentlicher Unterschied: Tai-Chi-Übungen werden deutlich länger gehalten als Qigong-Übungen.
Wie Yoga tragen auch Tai Chi und Qigong zur Kräftigung der Muskeln und Stärkung des Haltungsapparates bei. Als gelenkschonende Sportarten sind sie zudem für Menschen mit Gelenkerkrankungen und Adipositas geeignet.
Ausschließlich mit mentaler Vorstellung arbeiten die sogenannten imaginativen Entspannungsverfahren. Dazu gehören Methoden wie das Autogene Training, die Meditation, die Hypnose oder Fantasiereisen. Vor allem die letzten beiden Verfahren werden von Übenden mitunter sehr unterschiedlich wahrgenommen. Bei Fantasiereisen geht es darum, eine gehörte Geschichte um eigene Vorstellungen zu Geräuschen, Gerüchen oder Hautempfindungen zu ergänzen. Wer dieses Vorstellungsvermögen nicht besitzt, kann mit der Methode nur wenig anfangen. Auch die Hypnose wirkt nicht bei jedem. Experten gehen davon aus, dass nur 10 bis 20 Prozent aller Menschen gut bis sehr gut hypnotisierbar sind. 60 bis 70 Prozent gelten als mittelmäßig und 10 Prozent als nicht hypnotisierbar.
Das Autogene Training gehört zu den beliebtesten Entspannungsmethoden. Hier werden autosuggestive Entspannungsformeln (siehe Kasten) verwendet, die wie eine Selbsthypnose wirken sollen. Während der Übende die einzelnen Formeln aufsagt, konzentriert er sich gleichzeitig auf die Wahrnehmung physiologischer Vorgänge im Körper. Bei regelmäßigem Üben baut sich dadurch Stress ab, negative Gedanken sollen von möglichen körperlichen Beschwerden entkoppelt und Übende in die Lage versetzt werden, aktiv Einfluss auf ihre psychischen und physischen Spannungszustände nehmen zu können. Positive Effekte konnten auch bei Schmerzen, Schlafstörungen und Bluthochdruck nachgewiesen werden.
Das Autogene Training besteht im Prinzip aus sechs Grundübungen, in denen folgende »Formeln« wiederholt werden:
Etwa in die Mitte zwischen aktive und passive Entspannungsmethoden reiht sich die Progressive Muskelentspannung nach Edmund Jacobsen ein. Sie ist eine der bekanntesten und wissenschaftlich am besten untersuchten Entspannungsmethoden. Neben der privaten Anwendung wird sie im psychologischen Kontext sowie bei Schmerzpatienten erfolgreich eingesetzt. Ihr wesentlicher Vorteil ist, dass sie schnell und leicht zu erlernen ist. Im Mittelpunkt der Methode steht das bewusste An- und Entspannen einzelner Muskelgruppen.
Durchgeführt werden die Übungen wahlweise im Sitzen oder im Liegen. In der Version von Jacobsen werden nach und nach 30 Muskelgruppen bearbeitet, wodurch das Training relativ viel Zeit in Anspruch nimmt. Überarbeitete Versionen arbeiten mit weniger Muskelgruppen, die mit etwas Übung auf ein Minimum reduziert werden können. Trainierte Personen können schließlich in der Lage sein, innerhalb von wenigen Sekunden eine Entspannungsreaktion auszulösen.
Mit entsprechender Anpassung können Entspannungsverfahren in allen Altersgruppen – vom Kleinkind bis ins hohe Alter – durchgeführt werden. Es gibt allerdings auch Kontraindikationen, bei denen empfohlen wird, vor dem Einstieg den behandelnden Arzt zu kontaktieren. Dazu gehören ein niedriger Blutdruck, Gefäßspasmen, Bradykardie, Atemwegserkrankungen wie Asthma sowie Migräne und Psychosen. Wichtig zu wissen ist zudem, dass sich spürbare Erfolge in der Regel erst nach einigen Wochen regelmäßigen Trainings einstellen.
Anleitungen für Entspannungsverfahren und Anbieter von »Vor-Ort-Kursen« finden sich online. Wer noch unentschlossen ist, kann nach einem Mix-Kurs Ausschau halten, hier werden verschiedene Entspannungsverfahren zum Ausprobieren angeboten. Sollte der Kurs durch die Zentrale Prüfstelle für Prävention zertifiziert sein, wird er zudem von vielen Krankenkassen bezuschusst.