Erektile Dysfunktion oft gut behandelbar |
Verena Schmidt |
24.06.2024 08:00 Uhr |
Viele Männer mit Erektionsstörungen profitieren von der Einnahme eines PDE-5-Hemmers. / Foto: Getty Images/southerlycourse
Bei einer erektilen Dysfunktion (ED) wird keine ausreichende Gliedsteife (Erektion) für einen befriedigenden Geschlechtsverkehr erreicht. Dies betrifft in der Regel sowohl das Steifwerden des Penis an sich als auch die Dauer der Erektion. Die Libido ist dabei definitionsgemäß nicht beeinträchtigt; der Mann verspürt also sexuelle Lust, der Penis reagiert jedoch nicht entsprechend.
Vor allem bei jüngeren Männern ist eine ED in der Regel psychisch bedingt und ist etwa durch Sorgen oder anhaltenden Stress zu erklären. Die Probleme beginnen meist plötzlich, gehen aber auch wieder vorüber. Anders ist das bei einer organisch bedingten ED: Die Symptomatik kommt schleichend und schreitet allmählich weiter fort. Betroffen sind meist ältere Männer mit Grunderkrankungen. Untersuchungen legen nahe, dass etwa die Hälfte aller Männer ab 70 Jahren Erektionsprobleme hat.
Wie entsteht eigentlich eine Erektion? Zum Verständnis: Bei sexuellem Reiz entsteht der Erregungsreflex im Gehirn und gelangt über Nervenbahnen zum Penis. Auf dem Weg dorthin und im Penis werden Botenstoffe wie Stickstoffmonoxid (NO) und cyclisches Guanosinmonophosphat (cGMP) freigesetzt, die die glatte Gefäßmuskulatur in den Arterien und den Penisschwellkörpern erschlaffen lässt. So kann verstärkt Blut in die drei Schwellkörper einströmen – der Penis wird steif und größer. Durch den Druck der Schwellkörper werden die Venen im Penis abgedrückt. Das Blut kann also nicht abfließen, die Erektion bleibt längere Zeit erhalten.
Nach der Ejakulation oder bei nachlassender sexueller Erregung schüttet der Körper verstärkt das Enzym Phosphodiesterase-5 (PDE-5) aus, das den gefäßerweiternden Botenstoff cGMP in den Schwellkörpern wieder abbaut. Die Gefäße werden wieder eng gestellt, die Venen wieder frei und das Blut kann aus dem Penis herausfließen.
Hier setzen auch die Wirkstoffe aus der Klasse der PDE-5-Hemmer an, die heute die Therapieoption schlechthin bei einer ED sind. Sie hemmen die PDE-5, wodurch cGMP nicht mehr abgebaut wird. Der Bluteinstrom in den Penis und damit die Erektion werden erleichtert. Wichtig für das Wirkverständnis: Die Arzneistoffe erzwingen keine Erektion, eine sexuelle Stimulation ist deshalb immer notwendig.
Die Medikamente werden heute meist recht schnell ohne großartige Diagnostik ausprobiert, und sie helfen auch tatsächlich vielen Männern, vor allem wenn psychisch bedingte Störungen zugrunde liegen. Untersuchungen zeigen: Bei 80 Prozent der Männer verbessert die Einnahme die Erektion; zwei Drittel der Anwender können wieder erfolgreich Geschlechtsverkehr haben.
Urologen weisen aber auch immer wieder auf das Risiko, das mit einer schnellen Verordnung verbunden ist, hin: Eine eventuell zugrunde liegende organische Störung kann leicht übersehen werden. So kann eine ED beispielsweise ein Frühsymptom einer Herzerkrankung sein: Eine Arteriosklerose kann sich in den engen Gefäßen des Penis schneller bemerkbar machen als in den größeren Gefäßen am Herzen. Aber auch Diabetes mellitus oder eine arterielle Hypertonie, Gefäßerkrankungen, eine Polyneuropathie, Bandscheibenvorfälle, Morbus Parkinson, Multiple Sklerose und Schlafapnoe können sich hinter einer ED verbergen.
Die Gefahr, eine Erkrankung hinter der ED zu übersehen, ist auch der Grund, warum es Präparate mit dem Klassiker Sildenafil (Viagra® und Generika) in Deutschland – im Unterschied zu anderen Ländern wie etwa Großbritannien und Polen – nicht ohne Rezept zu kaufen gibt. Der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat im vergangenen Jahr erneut einen entsprechenden Antrag, Viagra aus der Verschreibungspflicht zu entlassen, abgelehnt.
Allerdings könnte eine Rezeptfreiheit dem florierenden Schwarzmarkt Einhalt gebieten. Denn das Schamgefühl hindert viele Männer daran, mit ihrem Arzt zu sprechen. Dazu kommt der Preis: Potenzmittel gelten in Deutschland als Lifestyle-Medikamente und werden nicht von der Krankenkasse bezahlt. Da ist die Verlockung groß, die Präparate anonym und zu womöglich günstigen Preisen im Internet zu bestellen. Doch dabei kann man eben relativ leicht an ein gefälschtes Medikament geraten. Experten zufolge machen gefälschte Potenzmittel bis zu 90 Prozent aller europaweit sichergestellten illegalen Pharmaka aus.
Es stehen vier verschiedene PDE-5-Hemmer zur Verfügung: Sildenafil, Tadalafil, Vardenafil und Avanafil. Die Wirkung der Substanzen ist vergleichbar. Sie unterscheiden sich bei der empfohlenen Dosierung und vor allem darin, wie schnell die Wirkung eintritt und wie lange sie anhält (siehe Tabelle). Auch die Nebenwirkungen der allgemein gut verträglichen PDE-5-Hemmer sind ähnlich. Es treten vor allem Kopfschmerzen, Flushs, verstopfte Nase und Dyspepsie auf, bei Tadalafil sind auch Rückenschmerzen möglich.
Kontraindiziert sind PDE-5-Hemmer unter anderem bei der Einnahme von Nitraten oder NO-Donatoren wie Molsidomin, hohem kardiovaskulärem Risiko, arterieller Hypertonie mit Blutdruckwerten > 170/110 mmHg, komplexer antihypertensiver Medikation und Herzinfarkt, Schlaganfall oder Arrhythmien in den vergangenen sechs Monaten.
Wirkstoff (Handelsname) | Empfohlene Dosis, Einnahmezeitpunkt | Beratungswissen |
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Avanafil (Spedra®) | 100 mg, 15 bis 30 Minuten vor einer sexuellen Aktivität |
• Neuester PDE-5-Hemmer, seit zehn Jahren auf dem Markt • Einnahme zum Essen verzögert Wirkeintritt. |
Sildenafil (Viagra® und Generika) | 50 mg, etwa eine Stunde vor dem Geschlechtsverkehr |
• Seit mehr als 25 Jahren auf dem Markt, am besten untersuchte Substanz • Sildenafil ist auch zur Behandlung der pulmonalen arteriellen Hypertonie zugelassen. • Einnahme zum Essen verzögert Wirkeintritt. |
Tadalafil (Cialis® und Generika) | 10 mg, mindestens 30 Minuten vor einer sexuellen Aktivität |
• Wirkung hält für 24 bis 36 Stunden nach der Stimulation an. • Tadalafil ist auch zur Behandlung der pulmonalen arteriellen Hypertonie und des benignen Prostata-Syndroms zugelassen. Es kann auch über einen längeren Zeitraum einmal täglich eingenommen werden. |
Vardenafil (Levitra® und Generika) | 10 mg, etwa 25 bis 60 Minuten vor dem Geschlechtsverkehr |
• auch als Schmelztablette erhältlich • Einnahme zusammen mit einer fettreichen Mahlzeit kann den Wirkeintritt verzögern. |
Andere Therapieoptionen haben neben den PDE-5-Hemmern in der Praxis untergeordnete Bedeutung. Bei leichten nicht organisch bedingten Störungen wird selten noch der alpha-Blocker Yohimbin (Yocon-Glenwood®), ein Alkaloid aus der Rinde des afrikanischen Yohimbe-Baums, angewendet. In der Dosis von 5 mg ist Yohimbin verschreibungspflichtig; es gibt zahlreiche Kontraindikationen und Nebenwirkungen, die beachtet werden müssen.
Des Weiteren gibt es nicht orale Therapiemöglichkeiten mit dem synthetischen Prostaglandin Alprostadil, beispielsweise eine Creme (Vitaros®), die auf die Penisspitze und unter die Vorhaut aufgetragen wird. Außerdem können Alprostadil-haltige Pellets lokal über die Harnröhre (MUSE: Medical Urethral System for Erection) oder durch Selbstinjektion in den Schwellkörper (SKAT: Schwellkörper-Autoinjektionstherapie) injiziert werden. Wegen der schwierigen Handhabung werden die beiden Verfahren jedoch nur selten angewendet.
Eine nicht medikamentöse Option ist die Anwendung einer Vakuumpumpe, die auf den Penis aufgesetzt wird. Durch den Unterdruck füllen sich die Schwellkörper mit Blut und erzeugen eine »künstliche« Erektion, die bis zu 30 Minuten aufrechterhalten werden kann. Eine solche Pumpe kann vor dem Geschlechtsverkehr und auch regelmäßig zum »Schwellkörpertraining« eingesetzt werden. Bei therapieresistenter ED kann in Einzelfällen auch die operative Implantation einer Penisprothese (Schwellkörperimplantat) erwogen werden.