Erhöhte Blutfettwerte bei Diabetes besonders gefährlich |
Diabetiker sollten besonders auf normale Blutfettwerte achten. / Foto: Adobe Stock/jarun011
Eine Dyslipidämie wird durch Diabetes begünstigt, da bei den Patienten die Lipolyse im intraabdominellen Fettgewebe verstärkt ist. Dazu kommt es, wenn der hemmende Effekt von Insulin auf die hormonsensitive Lipase vermindert ist oder fehlt. In der Leber werden aus den freigesetzten Fettsäuren triglyceridreiche Lipoproteine, also Chylomikronen und Very Low Density Lipoprotein (VLDL), synthetisiert. Das lässt die Spiegel an Triglyceriden im Blut ansteigen. Erhöhte Triglyzeridkonzentrationen können unter anderem feine Gefäße der Bauchspeicheldrüse schädigen. Bei einer akuten Pankreatitis werden auch Insulin-produzierende Betazellen in ihrer Funktion beeinträchtigt, was den Insulinmangel beim Diabetes verschärft.
Bei erhöhten Triglyceridwerten und Diabetes sind häufig auch die Spiegel an LDL-Cholesterol erhöht und die HDL-Cholesterolspiegel erniedrigt. Insbesondere kleine, dichte LDL-Partikel besitzen ein hohes atherogenes Potenzial und fördern die Bildung von atherosklerotischen Plaques in den Arterien. Cholesterinablagerungen schädigen die Endothelzellen und die Blutgefäße verengen sich. Instabile Plaques brechen leicht auf und können Blutgerinnsel verursachen, die zu Herzinfarkten oder Schlaganfällen führen.
Bei Menschen mit Diabetes sind erhöhte Blutfettwerte daher besonders gefährlich. Bei ihnen sollten Lipidparameter, insbesondere das LDL-Cholesterol, Gesamtcholesterol, HDL-Cholesterol sowie die Triglyceride, mindestens einmal im Jahr bestimmt werden. Eine genetische Diagnostik ist bei Verdacht auf familiäre Hypercholesterinämie oder schwere monogene Hypertriglyceridämie gerechtfertigt. Die Zielwerte für Cholesterol bei Diabetikern variieren je nach Leitlinie und individuellem Risikoprofil des Patienten. Als ungefähre Richtwerte können die folgenden Empfehlungen für LDL-Cholesterol gelten:
In einer gemeinsamen Stellungnahme zur Lipidtherapie bei Patienten mit Diabetes mellitus betonten mehrere deutsche Fachgesellschaften 2023, dass eine Lipidtherapie zur Senkung des LDL- und Non-HDL-Cholesterols ein integraler Bestandteil der Diabetestherapie sei. Stark erhöhte Triglyzeridwerte zu senken, kann zusätzlich das Risiko für akute Pankreatitiden verringern und die Blutzuckereinstellung verbessern. Mittel der Wahl sind Statine. Die Heart Protection Study (HPS) zeigte, dass die Behandlung mit Statinen bei Patienten mit Diabetes eine Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen um fast ein Viertel bewirkte. Ähnliche Ergebnisse wurden in der CARDS-Studie (Collaborative Atorvastatin Diabetes Study) beobachtet, die eine signifikante Reduktion von Herzinfarkten und Schlaganfällen durch Atorvastatin bei Diabetikern ohne vorherige Herzkrankheit dokumentierte.
Laut der Nationalen VersorgungsLeitlinie (NVL) für Typ-2-Diabetes aus dem Jahr 2023 gibt es zwei Strategien zur medikamentösen Senkung des LDL-Cholesterins mit Statinen. Bei der Strategie der festen Dosis wird, wenn das kardiovaskuläre Gesamtrisiko einen bestimmten Schwellenwert überschreitet, eine feste Statin-Dosis verabreicht (»fire and forget«). Weitere Lipidbestimmungen oder Dosisanpassungen sind nicht mehr erforderlich. Die Zielwertstrategie bedeutet hingegen, dass das LDL-Cholesterol auf einen zuvor festgelegten Zielwert gesenkt wird. Bei unzureichender Senkung des LDL-Cholesterins oder bei Unverträglichkeiten wird die Therapie individuell angepasst. Das kann durch eine modifizierte Statindosis, den Wechsel auf ein anderes Statin oder die Kombination mit anderen lipidsenkenden Maßnahmen erfolgen.
Bei Patienten mit Diabetes und Statinintoleranz gehen Ärzte meist ähnlich wie bei Patienten ohne die Zuckerkrankheit vor. Sie probieren zunächst mindestens zwei verschiedene Statine aus, bevor sie eine Statinintoleranz diagnostizieren. Eine Ausnahme sind Patienten, bei denen sich eine Rhabdomyolyse entwickelt hat. In diesen Fällen sollte ein anderes Statin nur sehr zurückhaltend eingesetzt werden. Oftmals kann bei Menschen, die Statine nicht gut vertragen, eine niedrige Statindosis in Kombination mit Ezetimib eine Option sein, um den LDL-Cholesterolwert zu senken.
Wenn Statine auch in niedrigster Dosis nicht vertragen werden, kann der Arzt Alternativen wie eine Monotherapie mit Ezetimib, Bempedoinsäure oder PCSK9-Inhibitoren verschreiben. Bempedoinsäure steht seit November 2020 zur Verfügung. Das Arzneimittel hemmt ähnlich wie Statine die Cholesterolbiosynthese, wirkt jedoch nur in der Leber, weshalb Myopathien deutlich seltener auftreten. Eine Endpunktstudie zeigte, dass Bempedoinsäure bei statinintoleranten Patienten zu einer kardiovaskulären Risikoreduktion führt.
PCSK9-Inhibitoren wie Evolocumab werden von Patienten mit Statinintoleranz meistens vertragen und können bei hohem Risiko und wenn der Zielwert deutlich entfernt ist eingesetzt werden. Seit Februar 2021 gibt es Inclisiran als zusätzliches lipidsenkendes Medikament. Es stellt eine Alternative zu PCSK9-Antikörpern dar, obwohl bisher keine Endpunktstudie vorliegt.
Wenn bei Patienten, die Statine vertragen, trotz ausreichender Dosierung die individuellen Zielwerte nicht erreicht werden, ist der nächste Schritt eine Kombinationstherapie mit Ezetimib und gegebenenfalls Bempedoinsäure. Bei fortschreitender Arteriosklerose kann zusätzlich eine Therapie mit PCSK9-Inhibitoren in Betracht gezogen werden. Da diese stufenweise Therapie oft nicht konsequent umgesetzt wird, wird diskutiert, ob bei Patienten mit sehr hohem Risiko von Anfang an eine Kombinationstherapie (Statin mit Ezetimib) eingesetzt werden sollte. Als Ultima-Ratio-Therapie kann die regelmäßige Lipoproteinapherese nach Ausschöpfung aller diätetischen und medikamentösen Maßnahmen zum Einsatz kommen.
Sollten bei einer Triglyceridämie Lebensstiländerungen (Alkoholkarenz, weitgehender Verzicht auf schnell verstoffwechselbare Kohlenhydrate), Blutzuckerkontrolle und gegebenenfalls Statine nicht ausreichen, können in schweren Fällen und bei familiärer Dysbetalipoproteinämie Fibrate eine Option sein. Sie können das VLDL-Cholesterol zwar senken, doch ist ihr prognostischer Nutzen unklar.
Das Apothekenteam kann ergänzend zur Pharmakotherapie zu weiteren Maßnahmen beraten, mit denen Menschen mit Diabetes ihre Blutfettwerte, insbesondere den LDL-Cholesterolspiegel, senken und das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen reduzieren können. Die Patienten stellen dazu ihre Ernährung um und verzehren mehr ballaststoffreiche Lebensmittel wie Vollkornprodukte, Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte. Sie verwenden gesunde ungesättigte Fette aus Quellen wie pflanzlichen Ölen, Nüssen oder Avocados und vermeiden weitgehend gesättigte Fette und speziell Transfette, die in frittierten Lebensmitteln, Backwaren und einigen Margarinen vorkommen. Fettreiche Fische wie Lachs, Makrele und Sardinen dürfen sie hingegen regelmäßig in die Ernährung integrieren. Diese Meerestiere sind reich an Omega-3-Fettsäuren, die verschiedene positive Effekte auf den Körper haben.
Ein weiterer Baustein ist regelmäßige körperliche Aktivität. Idealerweise führen Patienten mindestens 150 Minuten lang pro Woche ein moderates aerobes Training wie zügiges Gehen, Radfahren oder Schwimmen aus. Das ergänzen sie mindestens zweimal pro Woche mit einem auf ihre Möglichkeiten abgestimmten Krafttraining. Bei Übergewicht kann eine Gewichtsabnahme dazu beitragen, den LDL-Cholesterolspiegel zu senken und gleichzeitig den Blutzuckerspiegel besser kontrollieren zu können.
Ermutigend kann Patienten, dass bereits eine leichte Gewichtsabnahme Vorteile für die Gesundheit bietet. Ein weiterer wichtiger Hinweis ist, Rauchen zu vermeiden und Alkohol nur in Maßen zu genießen. Rauchen erhöht das LDL-Cholesterol und senkt das HDL-Cholesterol. Das verschlechtert das Gesamtcholesterolprofil. Menschen mit Nikotinabhängigkeit kann das Apothekenteam eine Beratung zur Abstinenz anbieten. Übermäßiger Alkoholkonsum erhöht das ohnehin schon im Vergleich zu gesunden Menschen erhöhte Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Menschen mit Diabetes weiter und ist daher zu vermeiden.
Das Apothekenteam kann die Patienten zudem immer wieder unterschwellig daran erinnern, regelmäßige Kontrolluntersuchungen beim Arzt ernst zu nehmen und Bluttests in Anspruch zu nehmen, um den Cholesterolspiegel zu überwachen. Einige Apotheken bieten es als Serviceleistung an, Cholesterolwerte zu bestimmen. Dazu kommen die Patienten am besten morgens nüchtern und die PTA entnimmt ihnen Blut am Ring- oder Mittelfinger.
Haben sich die Werte verschlechtert, kann der Patient mit dem Arzt darüber sprechen, ob in der Praxis eine erneute Bestimmung erfolgen soll oder Maßnahmen wie eine Therapieanpassung erforderlich sind. So mühevoll es für die Betroffenen auch ist, gerade durch eine Änderung der Lebensweise die Blutfettwerte zu senken, so sehr lohnt es sich doch. Eine langfristige Senkung des Cholesterolspiegels bei Menschen mit Diabetes trägt nicht nur zur Prävention von kardiovaskulären Ereignissen bei, sondern verbessert auch die Gesamtmortalität.