Erhöhte Calciumwerte abklären lassen |
Juliane Brüggen |
20.07.2023 15:00 Uhr |
Die übermäßige Einnahme von Supplementen kann den Calciumspiegel in die Höhe treiben. / Foto: Getty Images/Thana Prasongsin
»Der Calciumspiegel wird hormonell reguliert«, erklärte Dr. Stephan H. Scharla, Internist und Endokrinologe. Zentral ist Parathormon, ein Hormon aus den Nebenschilddrüsen, das den Calciumspiegel auf mehrere Arten beeinflusst: Es aktiviert Vitamin D, damit mehr Calcium aus dem Darm aufgenommen wird, stimuliert den Knochenabbau, um Calcium aus den Knochen freizusetzen, und reguliert die Ausscheidung von Calcium über die Niere. Der Mechanismus ist einfach: Ist wenig Calcium im Blut, wird Parathormon ausgeschüttet, ist der Calciumwert hoch, wird weniger oder kein Parathormon freigesetzt.
»Wenn der Calciumspiegel im Blut nicht mehr stimmt, ist das immer ein Hinweis darauf, dass diese Regulation nicht mehr kompensiert ist, dass also andere Störungen und Erkrankungen dahinterstecken«, so Scharla. Im ambulanten Bereich handele es sich meist um einen Zufallsbefund. »Es ist schade, dass die Messung des Serum-Calciumspiegels nicht zur Routinediagnostik in der Hausarztpraxis gehört«, so der Mediziner weiter.
Die Symptome einer Hyperkalzämie sind unspezifisch: Bei hohen Calciumwerten kann es zu vermehrtem Harndrang und Durst, Magen-Darm-Beschwerden, Muskelschwäche und Herzrhythmusstörungen kommen. Ein leicht erhöhter Spiegel wird meist gar nicht wahrgenommen. »Trotzdem kann es im Lauf der Zeit zu gravierenden Beeinträchtigungen der Gesundheit kommen«, warnte Scharla, etwa Nierensteine, Magengeschwüre, Osteoporose und Gefäßerkrankungen. Deshalb sei es wichtig, den erhöhten Calciumspiegel ernst zu nehmen – auch, um ursächliche Erkrankungen zu entdecken.
Die häufigste Ursache einer Hyperkalzämie ist die primäre Überfunktion der Nebenschilddrüsen (Hyperparathyreoidismus). »Etwa die Hälfte der Betroffenen leidet daran«, so Scharla – oft bedingt durch gutartige Geschwulste an den Nebenschilddrüsen, sogenannte Adenome, die autonom Parathormon bilden und dadurch den Calciumspiegel in die Höhe treiben. Im Jahr erkranken etwa 200 Menschen pro 1 Million Einwohner an einer Überfunktion. Oft sind Personen in der zweiten Lebenshälfte betroffen, bei jüngeren Menschen ist die Erkrankung meist genetisch bedingt. Bösartige Nebenschilddrüsentumore sind mit etwa 1 Prozent Vorkommen sehr selten.
Hohe Calciumwerte können auch infolge anderer Krebserkrankungen auftreten, etwa bei Plasmozytom, Mammakarzinom, Lungenkarzinom und Prostatakarzinom. Scharla: »Wenn der Parathormonspiegel niedrig ist, bei einem gleichzeitig erhöhten Calciumspiegel, müssen wir nach Tumorerkrankungen schauen.«
Zu den selteneren Ursachen gehört eine Überdosierung mit Vitamin D. »Das sehen wir immer häufiger, nachdem die Vitamin-D-Einnahme in Medien sehr stark propagiert wird«, sagte Scharla. Sein Rat: Den Vitamin-D-Spiegel zuerst bestimmen lassen, bevor Supplemente eingenommen werden. Auch die Einnahme von Arzneimitteln wie Thiazid-Diuretika, die Überdosierung von Vitamin A, rheumatische Erkrankungen oder seltene genetische Syndrome wie Sarkoidose können hohe Calciumwerten hervorrufen.
Rein über die Ernährung könne es nicht zu einer Hyperkalzämie kommen, erläuterte Scharla, hier greifen die körpereigenen Regulationsmechanismen. Anders sehe es jedoch bei der Supplementation von Calcium aus, die hohe Serumwerte zur Folge haben könne.
Im Akutfall werden sehr hohe Calciumspiegel mit Flüssigkeitszufuhr, Calcitonin und Bisphosphonaten behandelt, bei Tumorerkrankungen kommt Cortison zum Einsatz. Wichtig ist laut Scharla vor allen Dingen, die Ursachen zu finden und auszuschalten. Adenome der Nebenschilddrüsen können meist operativ entfernt werden. Ob die Operation schon bei einer leichten Überfunktion erforderlich sei, müsse individuell entschieden werden.
Ist eine Operation nicht möglich, kann mit Bisphosphonaten und/oder Cinacalcet behandelt werden. »In jedem Fall und auch, wenn man sich zunächst gegen den operativen Eingriff entscheidet, müssen die Patienten engmaschig weiterbetreut werden«, betonte Scharla. Etwa 30 Prozent entwickeln im späteren Verlauf doch noch typische Folgekrankheiten.