Erkältungstherapie mit Evidenz |
Hygienisch husten hat auch nach der Pandemie seine Berechtigung. / © Adobe Stock/ Andrei
Phytopharmaka sind laut der S2k-Husten-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie deshalb für die Therapie von grippalen Infekten empfehlenswert, »da einige pflanzliche Präparate Evidenz aus randomisierten kontrollierten Studien für eine Linderung der Intensität und ein schnelleres Abklingen des Hustens gegenüber Placebo haben«. Auch im Vergleich zu chemisch-synthetischen Expektoranzien schnitten evidenzbasierte Phytopharmaka positiv ab, ihre Studienlage sei häufig besser, schreiben die Leitlinienautoren. Unter den chemisch-synthetischen Wirkstoffen verfügten nur Ambroxol und Dextromethorphan über »akzeptable randomisierte kontrollierte Studien, die eine Verkürzung der Dauer und/oder die Senkung der Intensität des Hustens bei akuter Bronchitis belegen«.
Unter den Phytos bringen folgende Extrakte einen rund zwei Tage schnelleren Heilungsverlauf von Erkältungshusten und Bronchitis: Efeu-Extrakte (wie Prospan®) sowie solche aus Pelargonium sidoides (wie Umckaloabo®), die Extraktkombinationen aus Efeu und Thymian (Bronchipret® Saft TE) sowie Primel und Thymian (wie Bronchipret TP Filmtabletten, Bronchicum® Elixier und Tropfen), zudem das Mischspezialdestillat auf Basis rektifizierter Eukalyptus-, Süßorangen-, Myrten- und Zitronenöle (ELOM-080, Gelomyrtol® forte) sowie 1,8-Cineol (wie Sinolpan® forte, Soledum® forte). Des Weiteren verfügt die Senföl-haltige Zubereitung aus gepulvertem Kapuzinerkressekraut und Meerrettichwurzel (Angocin® Anti-Infekt) über gute Studiendaten bei Bronchitis und Rhinosinusitis.
Auch die S2k-Leitlinie zur Therapie der Nasennebenhöhlenentzündung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde nennt phytotherapeutische Optionen. Die Leitlinienautoren stellen vor allem der standardisierten Fünfer-Fixkombination aus Primelblüten, Enzian-, Ampfer- und Eisenkraut sowie Holunderblüten (Sinupret® extract) sowie »definierten Eukalyptusextrakten« ein gutes Zeugnis aus. Produkt- beziehungsweise Extrakt-/Destillat-spezifische Daten aus doppelt verblindeten placebokontrollierten Studien zeigen eine signifikante Überlegenheit gegenüber Placebo. Die verbesserte Drainage in der Nasenhaupt- und in den Nebenhöhlen lassen Beschwerden schneller abklingen. Für das Symptom Druckkopfschmerz liefern die Präparate einen Genesungsvorsprung von zwei Tagen.
»Freilich sind die meisten Atemwegsinfekte selbstlimitierend und verlaufen harmlos. Dennoch ist eine in Studien nachgewiesene frühere Genesung von im Durchschnitt zwei Tagen ein erstrebenswertes Ziel der Therapie von millionenfach auftretenden Infekten. Ein, zwei Tage früher in der Kita, der Schule oder am Arbeitsplatz zu sein, hat enormen volkswirtschaftlichen Nutzen«, sagte Dr. Rainer Stange, Abteilung Naturheilkunde, Charité – Universitätsmedizin Berlin und Immanuel Krankenhaus Berlin, bei einem Online-Seminar der Gesellschaft für Phytotherapie (GPT) Ende des vergangenen Jahres.
Wie kann man sich die verkürzte Zeitspanne der Symptombelastung mechanistisch vorstellen? Basis ist der breite Wirkansatz, weil er abhängig von der jeweiligen Pflanze aus mehreren Komponenten bestehen kann. Die klassische Unterteilung in Expektoranzien und Antitussiva entfällt somit bei pflanzlichen Präparaten. »Zum einen sind es direkte antivirale oder antibakterielle Effekte, zum anderen die Erhöhung der Ziliarschlagfrequenz und damit der Sekretolyse. Sputum, das leichter abgehustet werden kann, wirkt bronchodilatorisch, entlastet also die Hustenrezeptoren und lindert indirekt den Hustenreiz. Extraktspezifisch ist auch eine immunmodulierende/-stimulierende Komponente bekannt, vor allem vom Pelargonium-sidoides-Extrakt EPs® 7630 oder von Echinacea-Präparaten«, erklärte Stange, langjähriger Vizepräsident der GPT.
Beratungstipp: rechtzeitig bei noch milden Symptomen mit der Therapie beginnen. Ein passendes Präparat in der jeweiligen Hausapotheke zu haben, habe durchaus seinen Sinn, empfahl Stange auf Nachfrage von PTA-Forum. »Konfrontiert man die Schleimhäute mit einem pflanzlichen Arzneimittel, kommt es durch die Aktivierung der Flimmerhärchen zu einem schnelleren Abtransport der Erreger. Wenn es gelingt, den zähen Schleim zu lösen und eventuell auch das eigene Abwehrsystem gegen die Erreger zu aktivieren, dann findet die nachfolgende Entzündungskaskade in geringerem Maße statt. Diese indirekte antientzündliche Komponente kommt umso besser zum Tragen, je früher man mit der Therapie beginnt.« Jüngere Studien zeigen, dass die Zilienaktivität durch einen Anstieg des Calciumspiegels in den Zellen stimuliert wird. In der Folge steigen die Schlagfrequenz und die Amplitude der Zilien.
Für die Indikation milder Infekte der oberen Atemwege dürfen die ätherischen Öle als pflanzliche Therapieoption nicht fehlen. Eukalyptus-, Minz-, Kamillen-, Fichtennadel- oder Latschenkiefernöl kommen als Flüssig-Inhalate oder Erkältungsbalsame (wie Wick VapoRub® Erkältungssalbe, Transpulmin® Erkältungsbalsam, Retterspitz® Bronchialcreme) zum Einsatz. Diese halbfesten Zubereitungen – meist mit Vaseline – werden auf Brust und Rücken aufgetragen und ermöglichen so eine Dauerinhalation von mehreren Stunden.
Die Kenntnis, auf welche Weise die wahrgenommene Symptomlinderung überhaupt zustande kommt, hat sich in jüngster Zeit enorm erweitert. »Ätherische Öle sind ein Beispiel für Dynamik in der Phytotherapie«, so Stange während des Webcasts. Eine zentrale Rolle im Wirkgeschehen spielen die TRP-Kanäle, sogenannte Transient Rezeptor Potential Channels, zelluläre Ionenkanäle, die sich überall auf der Schleimhaut der Atemwege befinden. Werden sie aktiviert, leiten sie die entsprechenden Signale über die sensorischen Neuronen an das Gehirn weiter, wo das Hustenzentrum aktiviert wird. Die Inhaltsstoffe ätherischer Öle adressieren und modulieren verschiedenste TRP-Kanäle.
Mal wieder richtig gut schlafen können, ist die halbe Miete auf dem Weg zur Besserung. / © Getty Images/busra İspir
Das kennt wohl jeder: Hustenattacken und eine verstopfte Nase können den Schlaf empfindlich stören beziehungsweise verschlechtern sich währenddessen. Und das ist gar nicht gut: Denn wie man mittlerweile weiß, fördert ein erholsamer Schlaf die Proliferation der Lymphozyten und die Neutrophilenfunktion, während Schlafmangel die Komplementaktivierung und die Expression entzündlicher Gene erhöht. Bei einer erholsamen Nachtruhe werden verschiedene Körperfunktionen wie Herzfrequenz, Atmung oder Muskelspannung runtergefahren, während die Funktionen des Immunsystems hochreguliert werden.
Zu wenig Schlaf wirkt sich auf die Infektanfälligkeit aus, zeigt eine Studie mit mehr als 22.000 Teilnehmern. Lag die Schlafdauer unter fünf Stunden, erhöhte sich die Empfänglichkeit für Infekte immerhin um das 1,8- bis 2,2-Fache.
Insofern liegt ein Anwendungstipp für Erkältungsbalsame auf der Hand: Diese sind am besten vor dem Schlafengehen auf Rücken und Brust aufzutragen. Somit erzielt man eine anhaltende Inhalation über mehrere Stunden und damit einen besseren Schlaf.
Zu den Kanälen, die an der Entstehung von Erkältungssymptomen beteiligt sind, gehören TRPM8, TRPA1, TRPV1 und TRPV4. Die Kanäle werden durch die unterschiedlichsten Reize wie Temperatur, Druck und Dehnung stimuliert. Bei Aktivierung sind sie typabhängig für Kationen wie Calcium, Natrium oder Magnesium permeabel und schütten vermehrt ATP aus.
Menthol, der Hauptbestandteil von Pfefferminzöl, erreicht zum Beispiel beim Inhalieren nasale Kälterezeptoren, wodurch ein Gefühl erleichterter Nasenatmung entsteht. Zusätzlich wirkt Menthol agonistisch an TRPM8- und antagonistisch an TRPA1-Ionenkanälen – was eine antitussive Wirkkomponente vermittelt.
1,8-Cineol, der Hauptbestandteil im Eukalyptusöl, nutzt wie Menthol den TRPM8-Kanal und antagonisiert TRPA1. Wird 1,8-Cineol inhalativ angewendet, reagiert es direkt mit Thermorezeptoren der Nasenschleimhaut. Dies stimuliert das Flimmerepithel und treibt somit die mukoziliäre Clearance an. Zudem wird auch der TRPV4-Kanal antagonisiert, was die ATP-Freisetzung in den Epithelzellen mindert: Das trägt zu seiner abschwellenden, bronchienerweiternden und schleimlösenden Wirkkomponente bei – was auch in oralen Darreichungsformen wie Weichgelatinekapseln (wie Soledum® Kapseln, Sinolpan® Kapseln, Gelomyrtol®) genutzt wird.
Nasen- und Hustensalben mit ätherischen Ölen sind leicht in der Rezeptur herzustellen und für die Wintersaison ein bei Kunden beliebtes Add-on. Im DAC/NRF gibt es etwa Rezepturvorschriften für eine Menthol-Paraffinnasensalbe 0,9 % (NRF 8.9) und eine Hustensalbe (NRF 4.8). Beide sind mit Menthol standardisiert.
Das europäische Arzneibuch beschreibt Menthol (Levomenthol) und racemisches Menthol. Doch nur das linksdrehende Levomenthol wirkt sekretolytisch und bronchospasmolytisch an den Atemwegen und ist als Rezeptursubstanz erhältlich. Die Hustensalbe enthält überdies noch racemischen oder D-Campher, Eukalyptusöl, Latschenkiefernöl und Terpentinöl.
Grundlage ist jeweils eine Vaselin-Paraffin-Mischung. Menthol löst sich darin problemlos, der Ansatz muss nicht erwärmt werden. Das ist wegen des leicht flüchtigen Menthols ohnehin zu vermeiden. Beide Salben werden in Aluminiumtuben abgefüllt, bei der Nasensalbe kann zusätzlich ein Nasensalben-Applikator angebracht werden.