Ernährung bei Brustkrebs – das gilt es zu beachten |
Juliane Brüggen |
12.03.2024 08:30 Uhr |
Eine gesunde Ernährung ist zu großen Teilen pflanzenbasiert. / Foto: Getty Images/jchizhe
»Ernährung ist keine Wellness«, betonte Smollich, Leiter der Arbeitsgruppe Pharmakonutrition am Institut für Ernährungsmedizin des UKSH – sondern ein entscheidender Faktor, wenn es um die Prognose nach einer Brustkrebsdiagnose geht. Gerade habe eine groß angelegte Studie gezeigt, dass ein gesunder Lebensstil die Krebssterblichkeit bei postmenopausalen Frauen um bis zu 37 Prozent senken könnte. Es lohne sich also, beim Essen genauer hinzuschauen, auch was die Mikronährstoffe betrifft.
Ist die Akuttherapie überstanden, stehe bei der Rezidivprävention ein gesundes Körpergewicht an erster Stelle, wie Smollich betonte. Sowohl Unter- als Übergewicht seien zu vermeiden – am besten mit Hilfe einer professionellen Ernährungstherapie. Smollich: »Pauschale Konzepte funktionieren nicht.«
Ist das Zielgewicht erreicht, gilt es, eine Ernährungsform zu finden, die einerseits gesund und andererseits gut durchzuhalten ist. Diese sollte abwechslungsreich, nährstoffdicht, pflanzenbasiert und vollwertig sein. Geschmacklich bedeutet das keine Abstriche: »Gesunde Ernährung ist superlecker«, so Smollich. Dabei auf Fett zu verzichten ist nicht nötig – einige Fettsäuren sind gar essenziell. »In vielen Köpfen geistert herum, dass gesunde Ernährung gleich fettarme Ernährung ist. Das ist falsch«, erklärte Smollich. Den Unterschied mache die Fettqualität, ungesättigte Fettsäuren seien zu bevorzugen.
Hartnäckig hält sich der Mythos, bei Brustkrebs auf Soja-haltige Lebensmittel zu verzichten. In verzehrüblichen Mengen stelle die proteinreiche Bohne aber kein Problem dar, entwarnte Smollich. Im Gegenteil, es gebe sogar Hinweise auf Gesundheitsvorteile. Verzehrüblich heiße, zwei Portionen am Tag zu sich zu nehmen – zum Beispiel einmal etwa 250 ml Sojamilch und einmal etwa 100 Gramm Tofu.
Mit einer ärztlichen Notwendigskeitsbescheinigung erstatten die Krankenkassen eine Ernährungsberatung. Wichtig ist, dass die Ernährungsfachkräfte zertifiziert sind.
Ebenfalls relevant ist die optimale Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen, vor allem mit Vitamin D. Sofern möglich, sollte vor einer Supplementation der Blutspiegel bestimmt werden. Denn bei einigen Mikronährstoffen ist es wichtig, im Referenzbereich zu bleiben. So zum Beispiel bei Selen oder Vitamin B12. Letzteres kann bei zu hohen Blutspiegeln das Wachstum bereits vorhandener Krebszellen fördern.
Auch wenn ein Mangel in Deutschland häufig ist, sollte Vitamin D nicht einfach supplementiert werden. Einerseits bestehe das Risiko einer Überdosierung und das schädige auf Dauer die Nieren, warnte Smollich. Andererseits: »Was fast keiner beachtet: Eine Spiegelmessung ist auch deshalb wichtig, weil sie eine Unterdosierung verhindert.« Bei einigen Menschen reiche die Standarddosis von 1000 I.E. Vitamin D nicht aus.
Grundsätzlich gilt es, beim Essen auf den eigenen Körper zu hören und nicht zu streng mit sich zu sein. Denn: »Essen ist mehr als Nährstoffzufuhr. Man darf nicht vergessen, Essen hat etwas mit Kultur, sozialem Kontext, Lebensfreude und Genuss zu tun«, so Smollich. »Wenn die Basisernährung stimmt, kann man zwischendurch ›sündigen‹« – und sich beispielsweise die Sahnetorte am Sonntag gönnen. Anders stellt sich die Situation bei Alkohol dar. Eine evidenzbasierte, sichere Untergrenze gibt es Smollich zufolge nicht. Das heißt: »Am besten gar kein Alkohol.«
Über die allgemeinen Empfehlungen hinaus kann es sinnvoll sein, die Ernährung an die jeweilige medikamentöse Therapie anzupassen. So ist bei Einnahme von Tamoxifen oder Aromatase-Hemmern beispielsweise eine knochenstärkende Ernährung wichtig, wie Smollich erklärte. Das bedeutet, möglichst auf die empfohlene tägliche Proteinzufuhr von 1,2 bis 1,4 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht zu kommen und auf eine ausreichende Versorgung mit Calcium und Vitamin D zu achten.
Der Vitamin-D-Spiegel im Blutserum kann in verschiedenen Einheiten angegeben werden: in der Regel Nanomol pro Liter (nmol/L) oder Nanogramm pro Milliliter (ng/ml). Das ist bei der Interpretation der Werte wichtig. Ein Vitamin-D-Wert von 30 nmol/L liegt beispielsweise fast im Mangelbereich während ein Wert von 30 ng/ml in Ordnung ist.
Ein Mikronährstoff ist während der onkologischen Therapie besonders wichtig – Vitamin D. Optimal ist ein Blutspiegel von 75 bis 125 nmol/L. Das könne die Wirksamkeit der Chemotherapie fördern und Nebenwirkungen reduzieren, so Smollich. Es gebe außerdem Hinweise, dass ein optimaler Vitamin-D-Spiegel dazu beiträgt, die Metastasierung zu mindern – eindeutige Belege fehlen aber noch. Vorteilhaft ist außerdem ein Selen-Spiegel im Normbereich.
Auch wenn es verlockend erscheint, den Körper in Eigenregie mit vermeintlich »harmlosen« Nahrungsergänzungsmitteln zu unterstützen – bei einer Strahlentherapie und bestimmten Formen der Chemotherapie kann dies mehr schaden als nutzen. Das betrifft laut Smollich vor allem hochdosierte, antioxidativ wirksame Präparate mit Vitamin A, C und E, Betacarotin, Coenzym Q10, Glutathion, Resveratrol oder Grüntee-Extrakt.
Die Aussage »Mit den Nahrungsergänzungsmitteln vertrage ich die Therapie viel besser« sei als Warnzeichen zu verstehen. Denn nicht nur die Nebenwirkungen, auch die Hauptwirkungen der Therapie könnten abgeschwächt sein, so Smollich. Lebensmittel in üblichen Mengen sind hingegen in der Regel kein Problem. »Eine Tasse Tee ist etwas anderes als ein hochdosierter Extrakt«, so Smollich. Hochdosiert heißt ihm zufolge, dass mehr als 150 Prozent der täglichen Zufuhrempfehlungen enthalten sind.
Grundsätzlich sollten Wechselwirkungen von Lebensmitteln oder Nahrungsergänzungsmitteln mit der jeweiligen Krebstherapie beachtet werden. Problematisch können beispielsweise auch Johanniskraut, Grapefruit und Pomelo sein.
Einen Mythos räumte Smollich aus: »Man kann keinen Tumor aushungern.« Tumorzellen seien variabel – wenn auf Zucker verzichtet werde, wichen sie beispielsweise auf andere Energiequellen wie Protein oder Fett aus.
Aber: Eine bestimmte Form des Fastens könnte die Wirksamkeit von Immunonkologika wie Checkpoint-Inhibitoren verbessern – darauf deuten neuere Studien hin. Es bedarf allerdings noch weiterer Forschung. Es gilt: Kein Fasten auf eigene Faust, sondern nur in einem kontrollierten Studiensetting.