Ernährung bei Divertikelkrankheit |
Der Darm ist, was der Mensch isst: Eine pflanzenbasierte Ernährungsweise hält ihn gesund. / © Getty Images/piotr_malczyk
Kolondivertikel sind sackartige Ausstülpungen von bis zu einem Zentimeter, die sich im Sigma, also dem S-förmigen Bereich vor dem Mastdarm, bilden können. Dazu kommt es, wenn durch hohen Innendruck im Dickdarm Schleimhaut in die Muskellücken der Darmwand geschoben wird.
Diese machen bei rund 70 Prozent der Betroffenen keine Beschwerden, bleiben daher oft unerkannt oder werden zufällig bei einer Koloskopie diagnostiziert. Ein solcher Befund hat keinen Krankheitswert und wird Divertikulose genannt. Ein Befund mit Krankheitswert liegt vor, wenn es bei bestehender Divertikulose zu Symptomen wie Schmerzen, Blutungen oder einer Entzündung (Divertikulitis) kommt.
Mehr als die Hälfte aller Über-75-Jährigen weist Divertikel auf. Betroffen sind aber durchaus auch junge Menschen. Trotz dieses starken Verbreitungsgrades ist deren Entstehung noch nicht vollständig geklärt und sicher multifaktoriell. Neben Diät und Lebensstil scheinen sie auch genetisch bedingt zu sein. Beschrieben werden außerdem Veränderungen im Bindegewebe, eine verdickte Kolonwand sowie Störungen im enterischen Nervensystem und in der Darmmotilität. Und eine in höherem Lebensalter nachlassende Elastizität der Darmwand scheint auch die Ausbuchtungen im Dickdarm zu begünstigen.
Begleiterkrankungen spielen ebenfalls eine Rolle. So zeigten sich in Studien Assoziationen zwischen einer Divertikelkrankheit und Hypothyreose, Diabetes Typ 2, arterieller Hypertonie oder chronischen Nierenerkrankungen. Komplizierte Divertikulitiden wurden bei Personen mit allergischer Prädisposition gegenüber Pollen, Nahrungsmitteln, Medikamenten oder Haustieren sowie bei Immunsupprimierten dokumentiert.
Divertikel an sich haben per se keinen Krankheitswert. Wenn sie sich jedoch im Sigma-Abschnitt des Darms entzünden, drohen Blähungen, Bauchschmerzen oder Blutungen. / © PZ-Grafik Jens Ripperger
Geht die Divertikulose in eine symptomatische Form über, berichten Betroffene über Schmerzen im linken Unterbauch vornehmlich nach dem Essen, Blähungen sowie wechselhaften Stuhlgang. Oft sind diese Beschwerden schwer von denen eines Reizdarmsyndroms abzugrenzen oder werden für ein solches gehalten.
Entzündet sich dagegen die Divertikelwand, liegt eine mehr oder minder schwere, oft behandlungsbedürftige Divertikulitis vor. Sie wird durch Ablagerung von Stuhl, Nahrungsresten, Schleim oder Eiter in den Ausbuchtungen verursacht, weshalb sich Bakterien ansiedeln. Im weiteren Krankheitsverlauf kann die Entzündung auf umliegendes Darmgewebe übergreifen.
In diesem Akutstadium leiden Betroffene an heftigen, meist linksbetonten Unterbauchschmerzen, häufigem Stuhldrang sowie einem Wechsel zwischen Durchfall und Verstopfung. Auch Übelkeit, Fieber und allgemeines Krankheitsgefühl treten auf.
Weil diese Symptome mitunter wenig spezifisch sind, also auch durch andere Krankheiten bedingt sein können, sollten laut S3-Leitlinie bei Verdacht auf eine Divertikulitis eine körperliche Untersuchung sowie eine Laboruntersuchung einschließlich der Bestimmung von Leukozyten, C-reaktivem Protein (CRP) und Urinstatus erfolgen.
Zur Diagnosesicherung wird außerdem dringend eine computertomografische oder Ultraschalluntersuchung empfohlen. Dadurch lassen sich andere Ursachen wie ein Reizdarmsydrom oder eine Colitis ulcerosa ausschließen. Bei Frauen ist auch eine gynäkologische Abklärung angeraten.
Was letztendlich zur Entzündung der Ausbuchtungen führt, ist nicht abschließend geklärt. Neuere Studien konnten aber die Annahme widerlegen, dass sich Divertikel durch Nüsse, Körner oder Kerne, die sich darin verfangen, entzünden.
Wird eine Divertikulitis zu spät bemerkt oder nicht adäquat therapiert, drohen Komplikationen: Divertikel können bluten, perforieren und zu Abszessen im Bauchraum führen. Es kann zu einer Bauchfellentzündung und Sepsis kommen. Darmverengungen aufgrund entzündlicher Schwellungen bergen die Gefahr eines Darmverschlusses. Außerdem ist eine Fistelbildung zwischen verschiedenen Darmabschnitten oder zu benachbarten Organen möglich.
Zwar gibt es für die Behandlung einer Divertikelkrankheit keine evidenzbasierte Ernährungstherapie, doch haben sich verschiedene Empfehlungen je nach Ausmaß in der ambulanten und stationären Behandlung etabliert (siehe Kasten).
Während einer komplizierten Divertikulitis ist anfangs strikte Nahrungskarenz erforderlich, um den Dickdarm zu entlasten. Betroffene dürfen also nichts essen, sondern nur Wasser, Kräutertee und fettfreie Brühe zu sich nehmen. In aller Regel werden sie in der Klinik mit Trink- oder Sondennahrung versorgt und erhalten Antibiotika intravenös.
Oft wird auch bei unkomplizierten Verläufen eine antibiotische Therapie eingeleitet. Ob sie Schlimmeres verhindern hilft, ist in Studien noch nicht belegt. Es gibt sogar Befunde, die bei diesem Patientenkollektiv auf eine längere Krankheitsdauer hindeuten. Dahingegen kann laut Leitlinie in leichten Fällen eine Off-Label-Behandlung mit Mesalazin in Betracht gezogen werden.
Nicht evidenzbasiert, aber etabliert ist folgendes Vorgehen:
Wenn es bei Schwererkrankten wieder aufwärts geht, wird von ärztlicher Seite die Nahrungsaufnahme langsam gesteigert. Sobald Reis- oder Haferschleim vertragen wird, kann schrittweise folgende ballast- und fettarme Nahrung eingeführt werden:
Im Anschluss wird bis zum vollständigen Abklingen der Entzündung schrittweise eine leichte, fettarme Vollkost aufgebaut. Welche Nahrungsmittel und ihre Zubereitungsart helfen, den heilenden Darm zu schonen, fasst der Kasten zusammen.
Sobald eine Divertikulitis vollständig ausgeheilt ist, wird ganz langsam auf eine ballaststoffreiche und überwiegend pflanzliche Ernährung umgestellt. Während der Nutzen einer medikamentösen Rezidivprophylaxe nicht belegt ist, präsentiert sich eine pflanzenbasierte Ernährung in verschiedener Hinsicht vorteilhaft.
Fehlen Ballaststoffe, so wird der Stuhl hart und verbleibt länger im Darm. Durch zu geringes Stuhlvolumen erhöht sich außerdem der Darminnendruck. Lange Zeit wurde deswegen allein Obstipation für die Ausstülpungen im Verdauungstrakt verantwortlich gemacht. Pflanzenfasern erhöhen dagegen das Stuhlvolumen, wodurch der Darm leichter und schneller entleert und damit Verstopfung vorgebeugt wird. Gemüse, Obst und Vollkorn verändern zudem die Bakterienzusammensetzung im Dickdarm positiv – neueren Annahmen zufolge kann ein gesundes Mikrobiom helfen, Divertikel und deren entzündliche Veränderungen zu verhindern.
Die im Dickdarm ansässigen Bakterien fermentieren unverdauliche Fasern zu kurzkettigen Fettsäuren wie Butter- und Propionsäure, die den pH-Wert im Dickdarm senken. Das macht unerwünschten Bakterienstämmen das Leben schwer. Buttersäure unterstützt außerdem die Barrierefunktion der Darmschleimhaut. Das verlangsamt Entzündungsprozesse. Essen wir hingegen ballaststoffarm, so holen sich die nützlichen Untermieter, was sie zum Leben brauchen, aus der Dickdarmschleimhaut. Die wird dadurch dünner und anfälliger für Ausstülpungen.
Wer um seine Divertikulose weiß, sollte daher konsequent und lebenslang pflanzenbetont und faserreich essen, dazu gut kauen sowie ausreichend trinken. So stehen die Chancen günstig, den Übergang zur Divertikelkrankheit zu verhindern. Wer dagegen erst durch das Auftreten einer Divertikulitis schmerzlich von den Ausstülpungen seiner Dickdarmschleimhaut erfährt, tut gut daran, seine Lebensweise dauerhaft umzustellen, sobald nach überstandener Entzündung dazu von ärztlicher Seite grünes Licht gegeben wird.
Immer wichtig ist es, dem Darm einige Wochen Zeit zu geben, um sich langsam an die Pflanzenkost und deren unverdauliche Fasern zu gewöhnen. Wer zu schnell zu viel will, reagiert oft mit Blähungen oder Bauchschmerzen. Wie von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlen, sollte jeder Erwachsene – mit oder ohne Divertikel – täglich mindestens 30 Gramm Ballaststoffe verzehren. Das schafft die Mehrheit der Bevölkerung aber nicht.
Grundsätzlich werden lösliche und unlösliche Ballaststoffe unterschieden, die täglich zu ungefähr gleichen Teilen auf den Teller gehören. Zu den löslichen Ballaststoffen gehören Pektine, die vor allem in Früchten stecken, Beta-Glukane etwa aus Hafer und Gerste, lösliche Hemicellulosen aus Hülsenfrüchten und Schleimstoff-haltige Samen wie Flohsamen. Zu den unlöslichen Ballaststoffen gehören Cellulose, Lignin aus Kartoffeln und Getreide sowie unlösliche Hemicellulosen, die etwa in Weizen und Roggen stecken.
Probiotische Lebensmittel wie Naturjoghurt, Kefir oder fermentiertes Gemüse stabilisieren das Darmmikrobiom zusätzlich. Weißmehl, Zucker und Transfette wirken dagegen inflammatorisch und sollten möglichst eingeschränkt werden. Auch der Verzehr von rotem Fleisch und Wurstwaren kann eine Entzündung der Divertikel begünstigen.
Als alternative Proteinquelle sind neben Hülsenfrüchten oder Magerquark Fischsorten wie Wildlachs oder Makrele empfehlenswert. Beide Meeresbewohner punkten zusätzlich mit entzündungshemmenden Omega-3-Fettsäuren.
Auch Nüsse und Samen liefern neben Eiweiß auch gesunde Fette und dürfen entgegen früherer Annahmen bei Divertikulose gegessen werden. Wichtig ist, sie sehr gründlich zu kauen oder direkt vor dem Verzehr zu mahlen. Grobe Obstkerne wie in Äpfeln, Melonen oder Birnen sollten aus dem Obst entfernt werden.
Wer diese Ernährungsweise dauerhaft beibehält, täglich mindestens 1,5 bis 2 Liter Wasser oder ungesüßte Kräutertees trinkt und sich dazu regelmäßig bewegt, hat nicht nur bessere Karten, von einer Divertikelkrankheit verschont zu bleiben, sondern beugt auch einer Vielzahl anderer chronischer Erkrankungen vor.