Ernährung bei Krebs |
Während einer Krebserkrankung liegt der Fokus darauf, eine Gewichtsabnahme zu vermeiden und einer Mangelernährung vorzubeugen. Das ist für viele Patienten gar nicht so einfach. / Foto: Getty Images/FatCamera
Während sowohl die Krankheit als auch deren Behandlung den Ernährungszustand negativ beeinträchtigen, ist unbestritten, dass eine gute Energie- und Nährstoffversorgung die Therapie verträglicher macht sowie Immunabwehr und Lebensqualität steigern kann. Abgestimmt sowohl auf die Krebsart als auch auf individuelle Probleme und Begleiterkrankungen, sollte eine medikamentöse oder Strahlentherapie stets mit der bestmöglichen Ernährung ergänzt werden. Dabei kann die Unterstützung einer qualifizierten Ernährungsfachkraft in Anspruch genommen werden.
Idealerweise beginnt eine individualisierte Ernährungstherapie bereits im Vorfeld einer Behandlung oder Operation, um den Allgemeinzustand zu stabilisieren. Sinnvoll nach der Diagnose ist eine bioelektrische Impedanzmessung (BIA) zur Feststellung der Körperzusammensetzung oder ein Screening auf Mangelernährung. Standardisierte Fragebögen hierfür stellt die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) zur Verfügung.
Laut Angaben der Deutschen Krebshilfe möchten viele Betroffene aktiv dazu beitragen, ihren Gesundheitszustand zu verbessern. Dazu bringt die Ernährung als Quelle für Kraft, Genuss und Wohlbefinden ein Stück Normalität mit. Erkrankte sollten jedoch unbedingt darüber aufgeklärt werden, dass es, nach heutigem Wissensstand, keine Ernährungsform gibt, mit der sich ein Krebsleiden gezielt heilen lässt. Das betonen Fachgesellschaften mit Blick auf sogenannte Krebsdiäten mit dem Hinweis auf unzureichende Studienergebnisse. Der World Cancer Research Fund (WCRF) empfiehlt, dass Patienten sich ähnlich ernähren und verhalten sollten, wie es Gesunden geraten wird, die vorbeugen möchten (siehe Kasten).
Im Verlauf einer Krebserkrankung ist es oft nicht möglich, diese Ernährungsempfehlungen vollumfänglich umzusetzen. Dann sollte zuerst nach dem Prinzip der leichten Vollkost auf Speisen verzichtet werden, die erfahrungsgemäß häufig unverträglich sind, etwa Frittiertes, Scharfes oder Blähendes. Es kann notwendig werden, die Essgewohnheiten anzupassen, wenn unter Strahlen- oder Chemotherapie das sogenannte ANE-Syndrom auftritt. Es bezeichnet eine Kombination aus Nausea (Übelkeit) und Emesis (Erbrechen), die zu starker Gewichtsabnahme (Anorexia) führen kann.
Folgende Tipps können bei unerwünschtem Gewichtsverlust helfen:
Sowohl die Krebserkrankung selbst als auch die Therapie rufen oft Übelkeit mit Erbrechen, Appetitmangel sowie Aversion gegen Speisen hervor. Auch psychische Faktoren wie Angst und Hoffnungslosigkeit schlagen auf den Magen. Deshalb kann es sich positiv auswirken, folgende Hinweise zu berücksichtigen:
Eine Krebstherapie kann von Geschmacksstörungen (Dysgeusie), Entzündungen im Mund- und Rachenbereich verbunden mit Kau- und Schluckbeschwerden sowie Mundtrockenheit begleitet sein. Bei metallischem Nachgeschmack kann man dann etwa Kunststoff- oder Holzbesteck verwenden. Vor und nach dem Essen sollte man sich die Zähne putzen und eine Mundspüllösung verwenden, zwischen den Mahlzeiten helfen Pfefferminztee, Zitronenbonbons und Kaugummi gegen die Geschmacksstörungen.
Durch Chemo- oder lokale Strahlentherapie vermindert sich häufig die Speichelmenge und der Speichel wird dickflüssiger. Betroffene sollten häufig kleine Mengen trinken. Bittere Getränke wie Tonic Water oder Bitter Lemon regen den Speichelfluss an, ebenso Zitronentee oder saures Obst. Achtung: Bei Grapefruit(saft) sollten sie aber ärztliche Rücksprache wegen möglicher Wechselwirkungen mit Medikamenten halten. Oft werden gekühlte Sauermilchgetränke als gut empfunden, etwa Bananenbuttermilch mit einem Trinkhalm. Kleine Bissen sollten lange gekaut werden, das kann den Speichelfluss verbessern.
Die ebenfalls häufig auftretenden Entzündungen der Mundschleimhaut (Stomatitis) sind sehr schmerzhaft und verleiden Betroffenen das Essen besonders. Hier sollten weiche, breiige bis flüssige Kost, püriertes Gemüse oder Babynahrung bevorzugt werden. Auch kalte Gurkenstücke oder das Lutschen von Salbeitee-Eiswürfeln werden oft als angenehm empfunden. Verzichten sollten Betroffene dagegen besser auf hartes, krümeliges Essen, wie Knäckebrot oder Kekse, und Lebensmittel, die die Schleimhaut reizen, etwa Tomaten, saure Obstsorten, scharfe Gewürze, heiße Speisen und Getränke sowie Früchtetees.
Nach jeder Mahlzeit sollte der Mund vorsichtig mit mildem Salzwasser, Salbei- oder Eibischwurzeltee gespült werden. Zum Zähneputzen werden eine weiche Zahnbürste und mentholfreie Zahncreme empfohlen. Auch Lippenbalsam verwenden! Viele Betroffene empfinden zudem Ölziehen mit Kokosöl oder Butter als angenehm. Wichtig: Das Öl nicht schlucken und über den Restmüll entsorgen.
Auch im Gastrointestinaltrakt zeigen sich Nebenwirkungen einer Chemotherapie. Sodbrennen, Völlegefühl, Blähungen und vor allem Durchfall machen den Kranken zu schaffen. Indische Flohsamen, Karottensuppe nach Moro, geriebener Apfel oder pürierte Banane und Schwarztee wirken stopfend. Für einige Tage sollten neben reichlich Flüssigkeitszufuhr Schonkost und gut verdauliche Zubereitungsarten wie Dünsten oder Dämpfen bevorzugt werden.
In den Tagen nach einer Chemotherapie kommt auch Verstopfung vor. Um den Darm in Schwung zu bringen, wird morgens nüchtern ein Glas lauwarmes Wasser getrunken. Über den Tag beträgt die Trinkmenge mindestens zwei Liter. Für kurzfristige Abhilfe kann Dörrpflaumensaft sorgen. Der Ballaststoffanteil in der Ernährung wird dann langsam gesteigert, um Unverträglichkeiten zu vermeiden. Milchsauer vergorene Lebensmittel wie Sauerkraut oder Kimchi helfen ebenso wie Joghurt und Kefir mit geschrotetem Leinsamen. Darüber hinaus zeigen körperliche Bewegung und Bauchmassage im Uhrzeigersinn Wirkung.
Eine Schmerztherapie mit Opioidanalgetika verursacht durch Wirkung auf die µ-Opioid-Rezeptoren des Darmnervensystems ebenfalls Obstipation, deren Behandlung in ärztliche Hand gehört. Es sind meist entweder Laxanzien oder peripher wirksame µ-Opioid-Rezeptorantagonisten erforderlich.
Im Rahmen einer Chemotherapie kann die Leukozytenbildung verringert sein. So kommt es zu einer geschwächten Infektabwehr, die besondere Hygiene bei der Speisenzubereitung verlangt:
Zur Stärkung des Immunsystems ist buntes Gemüse und Obst empfehlenswert: Es ist reich an Vitaminen und sekundären Pflanzenstoffen, die durch ihre antioxidative Wirkung zellschützend wirken. Zink aus Hülsenfrüchten und Vollkornprodukten, Selen aus Fisch und Eiern sowie eine ausreichende Vitamin-D-Aufnahme wirken sich positiv auf die Infektabwehr aus. Die Verwendung von Knoblauch, Ingwer, Oregano und Kurkuma hemmt Entzündungen. Ballaststoffe und Fermentiertes unterstützen ein immunkompetentes Darmmikrobiom.
Eine sichere Bedarfsdeckung an Mikronährstoffen sollte über die Nahrung gewährleistet sein, da die Studienlage zur Wirksamkeit von Nahrungsergänzungsmitteln bislang nicht aussagekräftig ist. Darüber hinaus kann die antioxidative Wirkung der Vitamine C, E oder ß-Carotin eine Strahlen- oder Chemotherapie beeinträchtigen. Bei ausgeprägtem Mikronährstoffmangel entscheidet der behandelnde Arzt über eine notwendige Einnahme.
Ist die Abwehrschwäche sehr ausgeprägt oder steht eine Transplantation bevor, so muss eine keimarme Ernährung eingehalten werden. Bei Kopf-Hals-Tumoren, Operationen am Gastrointestinaltrakt oder der Harnblase erhalten Betroffene während des Klinikaufenthaltes eine genaue Anleitung für ihre künftige Ernährung. Auch ein Darmstoma oder eine (Teil-)Entfernung der Bauchspeicheldrüse machen Änderungen im Speiseplan erforderlich. Unterstützung durch Fachpersonal sollte ebenso beim Auftreten von Begleiterkrankungen wie Lymphödem, Osteoporose, Gicht oder Niereninsuffizienz sowie bei Gewichtszunahme im Rahmen einer Brust- beziehungsweise Prostatakrebstherapie gesucht werden.
Sobald über tägliche Mahlzeiten eine optimale Versorgung mit Energie, Nährstoffen und Flüssigkeit nicht gewährleistet ist, kommt eine mehrstufige Ernährungstherapie ins Spiel. Diese sollte zur Erhaltung der Lebensqualität und zur Verringerung von Komplikationen stets dem Leitsatz »oral vor enteral vor parenteral« folgen. Die einzelnen Stufen können miteinander kombiniert werden.