Erneuter Rückschlag für das E-Rezept |
»Die Entscheidung des Datenschützers ist eine Bankrotterklärung für die Digitalisierung im Gesundheitswesen generell und speziell in der ambulanten Versorgung«, sagte KVWL-Vorstand Thomas Müller. Das Ziel, dass 25 Prozent aller Verschreibungen von gesetzlich Versicherten elektronisch erfolgen, könne nicht erreicht werden. Durch die Entscheidung des Datenschutzbeauftragten sei der angestrebte Fortschritt für Patienten, Ärzte und alle weiteren Beteiligten in Frage gestellt. »Wir fordern erneut eine rein digitale Lösung – nur dann kann eine Fortsetzung des Rollouts durch die KVWL erfolgen.
Die Bundesregierung hat in ihrer Digitalisierungsstrategie das Ziel ausgegeben, dass das E-Rezept bis 2025 »als Standard etabliert« ist. Angesichts der gravierenden Startschwierigkeiten ist es unsicher, ob dieses Ziel erreicht wird. Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums sagte heut, dass man die Entscheidung der KVWL bedauere. Die Einführung des E-Rezepts gehe aber weiter und es könne weiterhin bundesweit eingesetzt werden.
»Mitte kommenden Jahres werden wir die Nutzung des E-Rezepts mit einer einfacheren und sicheren Lösung ermöglichen.« Die für die Digitalisierung des Gesundheitswesens zuständige Berliner Firma Gematik äußerte sich ebenfalls enttäuscht. Das E-Rezept werde aber bundesweit weiterhin genutzt, stellte sie heraus. Seit Anfang Oktober hätten mehr als 3700 Arztpraxen E-Rezepte ausgestellt, die in mehr als 9200 Apotheken eingelöst worden seien. Die Anzahl der für die App »Das E-Rezept« ausgegebenen PIN sei zwar noch niedrig, aber Berichte von Patienten bestätigten die Vorteile des komplett papierlosen Wegs.
Die nächsten Schritte für die bundesweite Einführung des E-Rezepts werden die Gesellschafter der Gematik – neben dem Mehrheitseigner Bundesgesundheitsministerium auch Interessenorganisationen aus der Gesundheitsbranche – bei einer ihrer nächsten Versammlungen abstimmen. Das Ziel einer flächendeckenden Einführung des E-Rezepts im Jahr 2023 bleibe bestehen, so die Gematik.
Die Umstellung von Papierrezept auf Digitalverschreibung ist ein Großvorhaben im deutschen Gesundheitswesen, das bereits Startprobleme hatte. Ein Pilotprojekt in Berlin-Brandenburg verlief im vergangenen Jahr weitgehend im Sande, eine bundesweite Testphase begann später als geplant. Die eigentlich für Januar 2022 vorgesehene Pflichteinführung wurde abgebrochen. Die freiwillige Einführung mit Pilotregionen, wo die Motivation in der Ärzteschaft relativ hoch ist, entwickelt sich nun ebenfalls zum Rohrkrepierer.
Der Zugriff auf die Digitalverschreibung über die App kann praktisch sein, etwa, wenn man eine Videosprechstunde wahrgenommen hat und der Arzt danach kein Papierrezept per Post schicken muss. Für Privatversicherte gilt das Digitalrezept nicht.
Die Entscheidung aus Westfalen hatte heute auch Folgen an der Börse. Die Kurse des Online-Versandhändlers Shop Apotheke und der Doc-Morris-Mutter Zur Rose brachen bis Mittag um 16 beziehungsweise 18 Prozent ein – diese Firmen erhoffen sich ein starkes Wachstum, wenn das E-Rezept massenhaft genutzt wird.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.