Erste CRISPR/Cas9-Gentherapie im Handel |
Sven Siebenand |
22.01.2025 08:30 Uhr |
Bei der Sichelzellanämie liegt ein Fehler in den Genen vor – die Erythrozyten weisen dann die typische Sichelform auf. Mithilfe der Genschere CRISPR-Cas9 kann der Genfehler korrigiert werden. / © Adobe Stock/Kateryna_Kon
Bei beiden Bluterkrankungen kommt es zu Fehlern in den Genen für den Blutfarbstoff Hämoglobin. Im Falle der Sichelzellanämie nehmen die roten Blutkörperchen aufgrund einer Mutation und der Bildung von abnormalem Hämoglobin S – wie der Name schon sagt – die Form einer Sichel ein. Es kommt zu starken Schmerzen, Anämien, Verstopfungen der Blutgefäße und Organschäden. Bei der β-Thalassämie fehlen genetisch bedingt β-Ketten. Folge ist eine schwere Blutarmut und die Betroffenen sind auf regelmäßige Bluttransfusionen und Medikamente, die Eisen binden, angewiesen.
Mit der neuen Gentherapie wird die Produktion von fetalem Hämoglobin angekurbelt. Was ist das und wie funktioniert das genau? Fetales Hämoglobin produziert der Körper fast ausschließlich in der Fetalzeit, um den Sauerstofftransfer zum Fetus im Mutterleib zu gewährleisten. Es besitzt eine besonders hohe Sauerstoffaffinität. Nach der Geburt stellt der Körper die Produktion dieser Hämoglobin-Form aber normalerweise weitgehend ein.
CRISPR/Cas9 ist eine präzise und vielseitige Geneditierungs-Technologie mit dem Ziel, die DNA an einer definierten Position gezielt zu verändern. Die auf dieser Genschere basierte Therapie mit Exagamglogen autotemcel zielt darauf ab, ein bestimmtes Gen zu inaktivieren, das nach der Geburt die weitere Produktion von fetalem Hämoglobin hemmt. So produzieren mit Casgevy behandelte Menschen auch noch nach der Geburt größere Mengen an fetalem Hämoglobin, was die Symptomatik bei beiden Erkrankungen verbessern kann.
Den Patienten werden zunächst Blutstammzellen entnommen, die dann im Labor mit der Genschere behandelt werden. Das Gen, das die fortlaufende Produktion von fetalem Hämoglobin bremst, wird dabei herausschnitten. Vor der Rückinfusion der veränderten Stammzellen erhalten die Patienten eine Chemotherapie, um verbleibende Blutstammzellen abzutöten. Dann erst werden ihnen die modifizierten Blutstammzellen infundiert. Sie sollen dann rote Blutkörperchen mit einem hohen Anteil an fetalem Hämoglobin bilden.
Zugelassen ist Casgevy zur Behandlung von transfusionsabhängiger β-Thalassämie bei Patienten ab zwölf Jahren, die für eine Transplantation von hämatopoetischen Stammzellen (HSZ) geeignet sind und für die kein humaner Leukozyten-Antigen (HLA)-kompatibler, verwandter HSZ-Spender zur Verfügung steht. Zudem darf das Präparat zur Behandlung von schwerer Sichelzellkrankheit bei Patienten ab zwölf Jahren mit rezidivierenden vasookklusiven Krisen, die für eine Transplantation von HSZ geeignet sind und für die kein humaner HLA-kompatibler, verwandter HSZ-Spender zur Verfügung steht, zum Einsatz kommen.
Es wird empfohlen, vor der Infusion von Casgevy eine Prämedikation mit Paracetamol und Diphenhydramin oder gleichwertigen Arzneimitteln anzuwenden, um das Risiko einer Infusionsreaktion zu verringern. Die Infusion von Exagamglogen autotemcel muss schnellstmöglich verabreicht werden und muss innerhalb von 20 Minuten nach dem Auftauen abgeschlossen sein.
Wichtig: Casgevy ist ausschließlich für die autologe Anwendung bestimmt und darf unter keinen Umständen anderen Patienten verabreicht werden. Vor der Gabe ist deshalb zu bestätigen, dass die Identität des Patienten mit den eindeutigen Patienteninformationen auf der/den Durchstechflasche(n) mit Casgevy und den Begleitdokumenten übereinstimmt. Sehr häufig beobachtete Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen, Übelkeit sowie Muskel- und Knochenschmerzen.