Erste Hilfe – Leben retten nicht verlernen |
Frühere Randsportarten wie Segeln, Bergsteigen oder Klettern erfreuen sich großer Beliebtheit. Es kann dabei allerdings mitunter Stunden dauern, bis medizinische Hilfe am Unfallort eintrifft. / Foto: Adobe Stock/Stephan Karg
Ein Herzstillstand kann jeden treffen. Unabhängig vom Alter, vom Geschlecht und vom Gesundheitszustand. Von einer Sekunde zur nächsten schlägt das Herz nicht mehr im richtigen Rhythmus oder setzt ganz aus. Außerhalb von Krankenhäusern sind Herzerkrankungen – allen voran die koronare Herzkrankheit - die häufigste Ursache für einen Herz-Kreislauf-Stillstand. Aber auch andere Ursachen wie Atemstörungen, Ersticken, Ertrinken, Vergiftungen, Unterkühlung oder schwere Verletzungen können zu einem Herz-Kreislauf-Stillstand führen. Schlägt das Herz nicht mehr, kann der Körper die Blutzirkulation nicht mehr aufrechterhalten, den Zellen mangelt es zunehmend an Sauerstoff. Der Betroffene wird bewusstlos und bricht zusammen. Die Atmung setzt aus oder findet nur noch unregelmäßig statt. Die Haut färbt sich bläulich bis grau. Mit jeder Minute, die nun ohne Hilfe durch Außenstehende vergeht, sinkt die Überlebensrate des Betroffenen. Bereits drei bis fünf Minuten nach einem Herzstillstand treten irreparable Gehirnschädigungen ein. Nach fünf Minuten ist ein Überleben unwahrscheinlich.
Mittel der Wahl bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand ist nach wie vor die Herzdruckmassage (siehe Kasten). Sie hält einen Minimalkreislauf aufrecht, der das Gehirn noch mit Sauerstoff versorgt, bis der Rettungsdienst eintrifft. Im Idealfall wird die Herzdruckmassage um Atemspenden ergänzt. Viele Ersthelfer scheuen jedoch davor zurück, einen unbekannten Menschen zu beatmen. Um zu verhindern, dass in diesem Fall gar nicht geholfen wird, raten Notfallmediziner heute dazu, ausschließlich die Herzdruckmassage auszuführen. Studien haben gezeigt, dass bei einem plötzlichen Herzstillstand eines Erwachsenen noch etwa acht Minuten lang ausreichend Sauerstoff im Blut vorhanden ist, um mit einer Herzdruckmassage die Versorgung des Gehirns aufrechterhalten zu können.
Mit diesen Songs im Kopf bleibt man bei der Herzdruckmassageim richtigen Takt: Bee Jees: Stayin' Alive, Helene Fischer: Atemlos, ACDC: Highway to Hell, The Beatles: Yellow Submarine, ABBA: Dancing Queen / Foto: shutterstock/spkphotostock
Wenn eine Person bewusstlos zusammenbricht, sind drei Dinge wichtig:
In vielen öffentlichen Gebäuden und Freizeiteinrichtungen sind inzwischen Defibrillatoren verfügbar und wie Feuerlöscher frei zugänglich an der Wand aufgehängt. Nach dem Aufkleben der Elektroden analysieren die sogenannten »Automatischen Externen Defibrillatoren (AED)« den Herzrhythmus des Patienten. Stellt der AED eine defibrillierbare Herzrhythmusstörung fest, löst er einen Elektroschock aus. Liegt keine Herzaktion mehr vor, wird kein Schock ausgelöst, sondern auf die Notwendigkeit der Herzdruckmassage hingewiesen. Hat der Betroffene gar keine Herzprobleme, zeigt der AED auch das an.
AED ergänzen die Laienreanimation ideal und verbessern die Chancen auf Überleben einiger Patienten deutlich. Sie ersetzen die Herzdruckmassage jedoch nicht. Die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) warnt ausdrücklich davor, sich im Ernstfall ausschließlich auf die Suche nach einem Gerät zu konzentrieren. Die erste und wichtigste Maßnahme bleibt, mit der Herzdruckmassage zu beginnen. Ist sie sichergestellt, kann eine weitere Person das Gerät holen, während die andere die Herzdruckmassage weiter kontinuierlich fortsetzt. Sie darf nur für den Schock unterbrochen werden. Angst vor der Benutzung muss man nicht haben. Eine falsche Bedienung, die das Herz zusätzlich schädigen könnte oder erst zum Stillstand bringt, ist ausgeschlossen.
Nach Angaben des Deutschen Reanimationsregisters erleiden in Deutschland jährlich mindestens 50.000 Menschen außerhalb eines Krankenhauses einen Herz-Kreislauf-Stillstand. Das tragische: Nur 10 Prozent von ihnen überleben, obwohl bis zu 45 Prozent der Herz-Kreislauf-Stillstände durch Familienangehörige, Freunde oder andere Personen beobachtet werden. Würden diese sofort mit einer Herzdruckmassage beginnen, könnten laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) pro Jahr allein in Deutschland 10.000 Leben gerettet werden.
Seit Jahren wird versucht, die Zahl der Laienreanimationen durch Aufklärungskampagnen zu erhöhen. Und obwohl sich erste Erfolge zeigen – 2011 starteten 18 Prozent der Ersthelfer eine Herzdruckmassage, 2018 bereits 39 Prozent – gehört Deutschland im internationalen Vergleich nach wie vor zu den Schlusslichtern bei der Laienreanimation. In den Niederlanden etwa werden Quoten von 70 Prozent erreicht. In den skandinavischen und osteuropäischen Ländern sogar bis zu 80 Prozent.
Warum zögern in Deutschland so viele Ersthelfer, wenn es darum geht, ein Leben zu retten? Grundsätzlich ist die Bereitschaft zur Hilfe auch hierzulande groß, aber die Erste-Hilfe-Kenntnisse weisen bei vielen Menschen Lücken auf, zeigt eine repräsentative Online-Befragung des Marktforschungsinstituts Toluna, die im Jahr 2017 im Auftrag der Asklepios Kliniken durchgeführt wurde. Obwohl 90 Prozent der 1000 Befragten schon einmal einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert haben, schätzen nur 23 Prozent ihre Fähigkeiten mit gut ein. Der Grund dafür: Der Kurs liegt bei mehr als der Hälfte der Befragten mindestens zehn Jahre zurück, bei älteren Teilnehmern sogar mindestens 20 Jahre.
Kinder lernen schnell, was zu tun ist und können ihr Wissen im Ernstfall auch an Erwachsene weitergeben. / Foto: Mike Auerbach
Hier setzen viele Länder an. Sie schreiben regelmäßiges Erste-Hilfe-Training bereits in der Schule auf den Stundenplan. Kinder sind für Wiederbelebungsmaßnahmen leicht zu motivieren. Sie lernen die notwendigen Fertigkeiten rasch und behalten das Erlernte gut. Aus Studien ist bekannt, dass Jugendliche ab etwa 13 bis 14 Jahren Thoraxkompressionen so effektiv durchführen wie erwachsene Laien. Jüngeren Kindern fehlt aufgrund ihrer Körpergröße und des Gewichts in den meisten Fällen noch die Kraft für eine erfolgreiche Reanimation. Sie gelten aber als wichtige Multiplikatoren, die im Ernstfall ihr Wissen an einen ausführenden Erwachsenen weitergeben können. In Dänemark machten Experten die Erfahrung, dass sich die Wiederbelebungsrate innerhalb von fünf Jahren nach Einführung des Erste-Hilfe-Unterrichts von 20 auf 45 Prozent erhöht hat.
In Deutschland hat der Schulausschuss der Kultusministerkonferenz 2014 beschlossen, dass alle Schüler ab der siebten Klasse jedes Jahr zwei Stunden Wiederbelebungstraining erhalten. Lehrkräfte sollen entsprechend geschult werden, um den Unterricht zu übernehmen. Laut dem Deutschen Rat für Wiederbelebung ist der Umsetzungsstand in den Bundesländern derzeit jedoch noch sehr unterschiedlich.
Deutschland hat ein sehr gut ausgebautes Rettungssystem. Im Durchschnitt dauert es vom Absetzen des Notrufs bis zum Eintreffen des Rettungswagens acht Minuten, im ländlichen Bereich können bis zu zehn Minuten vergehen. Es gibt jedoch auch Situationen, in denen Ersthelfer wesentlich länger auf sich allein gestellt sind.
Eine aktive Freizeitgestaltung hat heute einen hohen Stellenwert. Frühere Randsportarten wie Segeln, Bergsteigen oder Klettern erfreuen sich großer Beliebtheit. Was man dabei nicht unterschätzen darf: Im Gebirge, auf dem Wasser sowie in ablegenden Regionen und womöglich bei schlechten Wetterverhältnissen, kann es mitunter Stunden dauern, bis medizinische Hilfe am Unfallort eintrifft. Ruhe bewahren und genau zu wissen, wie man sich selbst und anderen hilft, ist nun besonders gefragt.
Der erste und wichtigste Schritt für Ersthelfer im Outdoor-Bereich ist, sich einen Überblick über die Situation zu verschaffen und die Lage einzuschätzen. Gibt es im Unfallbereich weitere Gefahren, droht ein Absturz oder ein Steinschlag? Dann muss die betroffene Person aus dem Gefahrenbereich gebracht werden, wobei immer gilt: Selbstschutz geht vor Fremdschutz. Ein Verletzter, der sich nicht selbst bewegen kann, wird aus dem Gefahrenbereich gezogen. Dafür werden die Arme über den Kopf geführt, überkreuzt und die Handgelenke fest umschlossen. Beim anschließenden Ziehen sollte darauf geachtet werden, dass der Kopf nicht auf der Erde schleift. Ist das gelungen, schützt man die verletzte Person mit einer Rettungsdecke vor Unterkühlung.
Die Bergrettung wird europaweit über die 112 erreicht. / Foto: Fotolia/fotokalle
Mit der kostenlosen europäischen Notrufnummer 112 kann die Bergrettung verständigt werden. Dabei sollten Helfer die fünf »W« im Kopf haben (siehe unten). Befindet man sich im Ausland, können unter Umständen Probleme mit der Verständigung für Komplikationen sorgen. Denn der Notruf wird immer von einer regionalen Leitstelle entgegengenommen. Nach dem Absetzen des Notrufs müssen Ersthelfer das Handy unbedingt eingeschaltet lassen, um für Rückfragen erreichbar zu sein. Bis die Rettung eintrifft, sollte man auch nicht mehr telefonieren. Obwohl der Alpenraum mit Mobilfunknetzen abgedeckt ist, gibt es häufig Funklöcher. Solange man sich auf einem beliebten Wanderweg oder in Sichtweite einer Hütte befindet, kann man vermutlich relativ schnell auf sich aufmerksam machen. Ist man ganz auf sich allein gestellt, empfehlen Experten einen Standortwechsel. Bringt er keinen Erfolg, kann man auf das Alpine Notsignal zurückgreifen. Dafür gibt man eine Minute lang alle zehn Sekunden ein Signal (Rufe, Pfiffe oder Lichtsignale) ab. Dann folgt eine Pause von einer Minute. Anschließend wiederholt man die Signale wieder alle zehn Sekunden. Hören weitere Helfer den Notruf, antworten sie mit einem Signal, dass sie alle 20 Sekunden abgeben.
Um medizinische Einsätze auf dem Wasser kümmert sich die Seenotrettung. Für die deutschen Gebiete von Nord- und Ostsee ist die Seenotleitung Bremen der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) zuständig. Sie wird per Funk verständigt und vermittelt rund um die Uhr funkärztliche Beratung oder koordiniert die Bergung des Verunfallten. Alternativ kann Hilfe auch per Handy über 112 angefordert werden, solange man sich nicht in einem Funkloch befindet.
5 »W«: Die wichtigsten Angaben
Auch wer weniger riskant unterwegs ist, sollte eine Outdoor-Apotheke im Gepäck haben. / Foto: Adobe Stock/Soloviova Liudmyla
Im alpinen Bereich entstehen die meisten Verletzungen durch Stürze. Größere und kleinere Wunden, Knochenbrüche und Gelenkverletzungen sind die Folge. Auf dem Boot hingegen entstehen viele Verletzungen aus Unachtsamkeit: eine Bänderdehnung durch Ausrutschen auf dem nassen Deck, eine Platzwunde, weil man nicht auf den Baum geachtet hat oder eine Verbrennung an der Hand, weil Seile hindurchgerutscht sind.
Wer sich abseits der Zivilisation bewegt, sollte eine gut ausgestattete Outdoor-Apotheke immer mit dabeihaben. Die Empfehlungen zur Ausstattung orientieren sich in erster Linie an der Tourenlänge. Für Tagesausflüge empfiehlt das Rote Kreuz, mehrere sterile Kompressen, einen sterilen Momentverband, Heftpflasterstreifen, verschiedene Pflasterstrips, Blasenpflaster, mehrere elastische Mullbinden, Einmalhandschuhe, elastische Binden zur Stabilisierung, Dreieck- und Beatmungstuch, eine Rettungsdecke sowie Wunddesinfektionsmittel mitzunehmen. Darüber hinaus macht es Sinn, eine Pinzette, eine Zeckenzange und einen Wundkleber einzupacken. Das Nähen von Schnitt- und Risswunden muss innerhalb eines Zeitfensters von maximal sechs Stunden geschehen.
Ist innerhalb dieser Zeit kein Arzt erreichbar, sollte die Wunde gereinigt, desinfiziert, mit Wundkleber versorgt und mit einem Pflaster geschützt werden. Bei sehr tiefen Wunden, Wunden über Gelenken oder stark verschmutzten Wunden wird trotz der Erstversorgung ein Arztbesuch empfohlen. Er ist auch dann unabdingbar, wenn kein Tetanusschutz mehr besteht und die Impfung aufgefrischt werden muss. Experten raten davon ab, aus Stöcken oder Ähnlichem improvisierte Schienen anzulegen. Besser ist es, das betroffene Areal mit einem Dreiecktuch oder einer faltbaren Aluminiumschiene, wie zum Beispiel der SAM® Splintschiene, ruhig zu stellen. Schienen dieser Art sind so leicht und klein, dass sie im Rucksack Platz finden.
Auf mehrtägigen Touren sollten zusätzlich eine Wundheilsalbe, ein Sport-Gel, Augentropfen und Medikamente des persönlichen Bedarfs nicht fehlen. Dazu kommen Medikamente gegen Übelkeit und Erbrechen, Durchfall, Fieber und Schmerzen, Höhen- oder Seekrankheit sowie ein Antibiotikum und ein Fieberthermometer. Im alpinen Bereich wird oft noch empfohlen, einen leichten Biwaksack mitzunehmen. Er eignet sich im Notfall auch als Trage.
Ob an Land oder auf dem Wasser, bei größeren Wunden, Weichteilverletzungen und Knochenbrüchen hilft die sogenannte PECH-Formel, Schmerzen zu reduzieren und Schwellungen zu vermeiden:
P = Pause: Schonung, Ruhigstellung, kein Weitergehen, evtl. passiver Abtransport
E = Eis: Kühlung durch Eisbeutel, Schnee, kaltes Wasser oder feuchte Umschläge
C = Compression: festes Bandagieren mit einer elastischen Binde
H = Hochlagern: Hochhalten oder Hochlagern der betroffenen Extremitäten
Die meisten Menschen sind dazu bereit, ihre Erste-Hilfe-Kenntnisse regelmäßig aufzufrischen. Laut der Umfrage des Toluna Marktforschungsinstituts sprachen sich 74 Prozent der Befragten sogar für verpflichtende Erste-Hilfe-Kurse aus. Das Apothekenteam kann helfen, die Bedeutung der Ersten Hilfe in das Bewusstsein der Kunden zu rücken und Tipps geben, wie sich eingerostete Kenntnisse auffrischen lassen.
Bei der BZgA können kostenlose Aufsteller mit den Infokarten »Du kannst Leben retten« im Scheckkartenformat oder die Broschüre »Wie funktioniert Wiederbelebung« bestellt werden. Wie verhält man sich bei einem Herznotfall richtig? Woran erkennt man einen Herzstillstand, und auf was muss man bei der Wiederbelebung achten? Diese Fragen beantwortet das Herznotfall-Set der Deutschen Herzstiftung. Es besteht aus zwei Faltblättern und zwei Notfallkarten im Scheckkartenformat. Das Herznotfall-Set kann ebenfalls kostenfrei bestellt werden.
Zwei Drittel der vom Toluna Institut Befragten würden eine Lebensrettungsapp auf ihrem Smartphone installieren – besonders jüngere Menschen und Eltern mit kleinen Kindern. Bekannt sind die Apps jedoch nur wenigen der Befragten, und lediglich drei Prozent haben tatsächlich solch eine App installiert. Mit der App »Erste Hilfe im Notfall« des Arbeiter-Samariter-Bundes lässt sich das Wissen zu Erste-Hilfe-Maßnahmen rasch reaktivieren. Mit Hilfe von Bildern werden alle Sofortmaßnahmen gut verständlich erklärt, kurze Videos verdeutlichen das richtige Verhalten bei Kindernotfällen. Zusätzlich gibt es eine Übersicht mit allen europäischen Notrufnummern und eine Zusammenstellung der wichtigsten Arznei- und Verbandmittel zur Ersten Hilfe für die Haus- oder Reiseapotheke.
Vielen Menschen fällt der Besuch eines Erste-Hilfe-Kurses leichter, wenn er nach ihren persönlichen Bedürfnissen oder Interessen ausgerichtet ist. So bieten zum Beispiel der Verein Alpines Rettungswesen, das Rote Kreuz oder die Johanniter Kurse an, die sich auf die Erste Hilfe im Outdoor-Bereich konzentrieren und auch dort stattfinden. Wassersportler finden entsprechende Kurse an der örtlichen Segelschule oder im Yachtclub.