Erstes Twincretin im Handel |
Sven Siebenand |
24.11.2023 08:30 Uhr |
Doppelt wirksam: Der neue Wirkstoff Tirzepatid wirkt an zwei Inkretinhormon-Rezeptoren. Er wird deshalb auch als Twincretin bezeichnet. / Foto: Adobe Stock/Halfpoint
Tirzepatid ist ein weiteres Inkretinmimetikum. Aus dieser Klasse sind schon einige Substanzen im Handel, etwa Exenatid, Liraglutid, Dulaglutid und Semaglutid. Diese Wirkstoffe sind reine GLP-1-Rezeptoragonisten, die die Wirkung des Inkretinhormons GLP-1 (Glucagon-Like Peptide1) nachahmen. Die Substanzen binden wie GLP-1 an dessen Rezeptor und veranlassen so die Betazellen der Bauchspeicheldrüse, Insulin freizusetzen. Daraufhin sinkt der Blutzuckerspiegel. GLP-1 hat darüber hinaus noch weitere Funktionen im Körper, etwa eine verbesserte Insulinempfindlichkeit und eine verzögerte Magenentleerung. Zudem steigert es das Sättigungsgefühl und mindert das Hungergefühl. Insgesamt ist mithilfe eines Inkretinmimetikums eine deutliche Reduktion des Körpergewichts zu erreichen.
Auch das neue Tirzepatid ist ein GLP-1-Rezeptoragonist. Zudem ist die Substanz ein Agonist am Rezeptor von GIP (Glucose-dependent Insulinotropic Polypeptide). Dies ist ein weiteres Inkretinhormon, welches die Wirkungen von GLP-1 ergänzen kann. Tirzepatid wird wegen dieses dualen Wirkmechanismus auch als Twincretin bezeichnet. In präklinischen Modellen hat sich gezeigt, dass GIP die Nahrungsaufnahme verringert und den Energieverbrauch erhöht, was zu einer Gewichtsreduktion führt. Die mit Tirzepatid erzielten Ergebnisse in Studien zur Gewichtsreduktion sind sehr überzeugend, sodass der Hersteller es auch für die Indikation Adipositas einsetzen will.
Zugelassen ist Tirzepatid zur Behandlung von Erwachsenen mit unzureichend eingestelltem Typ-2-Diabetes als Ergänzung zu Diät und Bewegung. Es kann als Monotherapeutikum zum Einsatz kommen, wenn die Gabe von Metformin nicht möglich ist. Zudem kann es zusätzlich zu anderen Antidiabetika verordnet werden.
Tirzepatid wird subkutan in Bauch, Oberschenkel oder Oberarm verabreicht. Die Injektionsstellen sollten rotieren. Wenn ein Patient auch Insulin spritzt, sollte er Mounjaro an einer anderen Stelle injizieren. Die Applikation erfolgt einmal wöchentlich. Die Anfangsdosis beträgt 2,5 mg. Nach vier Wochen sollte die Dosis auf 5 mg gesteigert werden. Bei Bedarf kann die Dosis in 2,5-mg-Schritten weiter erhöht werden, nachdem eine Behandlung mindestens vier Wochen mit der jeweils aktuellen Dosis erfolgt ist. Die Höchstdosis beträgt 15 mg einmal wöchentlich.
Falls eine Dosis versäumt wurde, sollte die Gabe so schnell wie möglich innerhalb von vier Tagen nach der versäumten Dosis nachgeholt werden. Wenn mehr als vier Tage vergangen sind, ist die vergessene Dosis zu überspringen und die nächste Dosis am regulär geplanten Tag zu verabreichen. Der Tag der wöchentlichen Gabe kann bei Bedarf geändert werden, solange der Zeitraum zwischen zwei Dosen mindestens drei Tage beträgt.
Bei schwerer Leber- oder Nierenfunktionsstörung gibt es nur begrenzte Erfahrungen mit Tirzepatid, weshalb eine Therapie in diesen Fällen mit besonderer Vorsicht erfolgen sollte. Gleiches gilt bei Personen mit Pankreatitis in der Vorgeschichte. Unter Behandlung mit Tirzepatid kam es bei Patienten zu einer akuten Entzündung der Bauchspeicheldrüse. Die Patienten sollten daher die Symptome einer solchen akuten Pankreatitis kennen. Bei Verdacht darauf sollten sie Tirzepatid absetzen.
Wie die Glutide kann auch Tirzepatid Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen und Blähungen verursachen. Im Allgemeinen waren diese Reaktionen meist leicht oder moderat, traten häufiger während einer Dosissteigerung auf und nahmen mit der Zeit ab. Patienten, die mit Tirzepatid behandelt werden, sollten auf das potenzielle Risiko einer Dehydratation aufgrund gastrointestinaler Nebenwirkungen hingewiesen werden und Vorkehrungen treffen, um einen Flüssigkeitsmangel und Elektrolytstörungen zu vermeiden. Dies sollte insbesondere bei älteren Patienten berücksichtigt werden.
In Kombination mit Insulin oder Sulfonylharnstoffen kommt es unter Tirzepatid sehr häufig zur Unterzuckerung. Der Arzt sollte daher laut Fachinformation von Mounjaro eine Dosisreduktion des Insulins beziehungsweise Sulfonylharnstoffs in Erwägung ziehen.
Es liegen keine oder nur begrenzte Daten zur Anwendung von Tirzepatid bei Schwangeren vor. Tierexperimentelle Studien haben eine Reproduktionstoxizität gezeigt. Daher wird der neue Wirkstoff während der Schwangerschaft und bei Frauen im gebärfähigen Alter, die keine Kontrazeptiva anwenden, nicht empfohlen. Bei Stillenden ist zu entscheiden, ob das Stillen oder die Tirzepatid-Therapie beendet wird.
Mounjaro ist im Kühlschrank bei 2 bis 8 °C zu lagern. Es kann ungekühlt insgesamt bis zu 21 Tage bei einer Temperatur von nicht mehr als 30 °C gelagert werden.