PTA-Forum online
Skoliose

Es kommt auf die frühe Therapie an

Eine Verkrümmung der Wirbelsäule, eine Skoliose, ist meist nicht komplett zu korrigieren, aber behandelbar. Abhängig vom Ausmaß der Verkrümmung kann Jugendlichen eine Korsetttherapie helfen – das Tragen fällt jedoch vielen Teenagern schwer.
Judith Schmitz
26.08.2024  08:00 Uhr

»Aus Sicht von Skoliosespezialisten ist es sehr bedauerlich, wenn Betroffene erst dann zur Behandlung kommen, wenn die Wirbelsäule bereits so stark verkrümmt ist, dass nur noch eine Operation sinnvoll ist«, sagt Professor Dr. Tobias Schulte, Direktor der Orthopädischen Universitätsklinik am St. Josef-Hospital Bochum und Leiter des Skoliose-Zentrum Ruhr, gegenüber PTA-Forum. Viel besser sei es, wenn sich Patienten früh vorstellen, da man dann häufig auch konservativ behandeln könne. »Auch wenn nur der Verdacht auf eine Skoliose besteht, sollten Betroffene sich zur Abklärung in einem erfahrenen Zentrum vorstellen«, rät der Experte.

Das Problem bei der Diagnose einer Skoliose sei, dass sie eine längere Zeit meist keine Schmerzen verursacht und damit den Betroffenen selbst nicht auffällt. Auch achtet nicht jeder Kinder- und Jugendarzt bei den Vorsorgeuntersuchungen auf orthopädische Variationen wie eine Wirbelsäulenverkrümmung oder weiß, ab wann eine solche Auffälligkeit von einem Spezialisten abgeklärt werden sollte. »Insbesondere das Jugendalter ist aber die Phase im Leben, in der eine Skoliose in vielen Fällen am besten konservativ ohne Operation korrigiert beziehungsweise aufgehalten werden kann«, so Schulte.

Gemeinsam mit Kollegen hat Schulte im vergangenen Jahr eine Leitlinie zur Behandlung der Skoliose bei Heranwachsenden (S2k-Leitlinie »Adoleszente Idiopathische Skoliose«) unter Federführung aller drei großen deutschen orthopädischen Fachgesellschaften veröffentlicht. Außerdem hat der Orthopäde für Betroffene basierend auf den Inhalten der Leitlinie und langjähriger Erfahrung den Ratgeber »Der Rücken-Doc Skoliose« zu der richtigen Diagnose, geeigneten Therapien und Alltagsfragen verfasst. Von der Physiotherapeutin Frauke Mecher gibt es darin außerdem Trainingsübungen.

Ursache meist unklar

Konkret beschreibt das Krankheitsbild Skoliose eine Wirbelsäulenverkrümmung – und zwar in allen drei Raumebenen. Betroffen ist vor allem die frontale Aufsicht: Die Wirbelsäule ist nach links oder rechts außen, also seitlich, gekrümmt. In der seitlichen Ansicht ist ein Hohlkreuz, Rundrücken oder Flachrücken zu sehen. In der horizontalen Ebene wird das Ausmaß der Verdrehung um die Längsachse der Wirbelsäule deutlich, was zur Entstehung eines Lendenwulstes und Rippenbuckels führt.

Man unterscheidet verschiedene Arten der Skoliose abhängig von ihrer Ursache; diese kann eine Nerven- oder Muskelerkrankung sein, eine Knochenfehlbildung, eine Verschleißkrankheit oder ein komplexes Syndrom. In den meisten Fällen ist die Ursache aber unklar, die Skoliose erhält dann den Zusatz »idiopathisch«. Circa 0,5 bis 5 Prozent der Heranwachsenden weisen eine idiopathische Skoliose auf. Mädchen sind häufiger betroffen, vor allem bei stärker gekrümmter Wirbelsäule.

Um das Ausmaß einer Skoliose zu quantifizieren und davon abhängig eine Therapie abzuleiten, wird der sogenannte Cobb-Winkel bestimmt beziehungsweise am Röntgenbild gemessen. Auf dem Röntgenbild markiert der Arzt die beiden am stärksten geneigten Wirbelkörper am oberen und unteren Ende der Krümmung. Der Schnittpunkt der beiden Linien bildet den Cobb-Winkel; ab 10 ° spricht man von einer echten Skoliose, bei einem kleineren Winkel von einer »skoliotischen Fehlhaltung«.

Wann ist eine Operation nötig?

Bei bis zu 40° bis 50° Krümmung lässt sich die Skoliose konservativ behandeln. Darüber hinaus ist eine Operation indiziert, um ein Fortschreiten der Erkrankung zu stoppen. Ohne Operation würde die Krümmung stetig zunehmen, selbst wenn die Betroffenen ausgewachsen sind und die Zeit des Skelettwachstums, in der Skoliosen rasch massiv zunehmen können, bereits abgeschlossen ist. Ziel einer Operation ist eine bestmögliche Korrektur der Skoliose durch eingebrachte Implantate.

Wichtig ist, dass die Röntgenaufnahme zur Winkelbestimmung standardisiert im Stehen in einer Gesamtaufnahme der Wirbelsäule vom Kopf bis zum Becken erfolgt. Die Einhaltung dieses Standards ist für die Beurteilung des Röntgenbildes und die Vergleichbarkeit bei Verlaufskontrollen wichtig. »Betroffene sollten darauf achten, dass die Aufnahmen tatsächlich so erfolgen«, rät Schulte.

Betroffene im Wachstum laufen Gefahr, dass sich ihre Wirbelsäule weiter rasch verkrümmt. In dieser sensiblen Zeit sollten sie halbjährlich bei erfahrenen Ärzten vorgestellt und kontrolliert werden. Nach Abschluss des Wachstums sind Kontrollen aber nur in Einzelfällen nötig.

Vor jeder Röntgenuntersuchung sollte stets eine klinische Untersuchung erfolgen. Zu dieser gehören die Bestimmung des Schulterstandes, des Beckenstandes und des Rumpfüberhanges in der Ansicht von hinten, die Bewertung der Symmetrie der Taillendreiecke und die Quantifizierung des Rippenbuckels und des Lendenwulstes mittels einer Wasserwaage. Diese Kriterien kann man auch selbst oder mithilfe der Familie vor einem Arztbesuch prüfen.

Solange das Skelett noch wächst (abschätzbar am Alter der ersten Regelblutung und auf einem Röntgenbild der linken Hand an den Wachstumszonen der Knochen), ist das Korsett die wirksamste Therapie bei einer Skoliose im Bereich zwischen 25° und 50° in der Brustwirbelsäule sowie 20° und 40° in der Lendenwirbelsäule. Begleitend sollten Betroffene Physiotherapie bekommen und Sport machen.

Korsett kann OP verhindern

»Wichtig für die Jugendlichen ist es, zu verstehen, dass das Ziel einer Korsetttherapie darin besteht, eine Operation langfristig zu verhindern. Das ist erreicht, wenn sich die entsprechende Hauptkrümmung nach Therapieende nicht verschlechtert hat. Nur selten, wenn mit der Korsetttherapie schon in früherer Kindheit begonnen wurde, kann sich die Ursprungskrümmung dauerhaft merklich verbessern«, verdeutlicht Schulte.

»Das ist gerade für Jugendliche, die im Hier und Jetzt ihre Bedürfnisse befriedigen möchten, erst einmal schwer vermittelbar, zumal sie das Korsett über mehrere Jahre rund 23 Stunden täglich tragen müssen«, sagt Carolin Reuschel aus Baden-Württemberg. Sie ist selbst Betroffene, hat in ihren Jugendjahren ein Korsett getragen und 20 Jahre lang als Jugendreferentin beim Bundesverband Skoliose-Selbsthilfe Heranwachsende und ihre Eltern zum Thema Skoliose beraten.

In einem Alter, bei dem sich bei Mädchen vieles um Schönheit dreht, passt ein Korsett nicht in die Lebenswelt: Es ist unbequem, sichtbar und schränkt die Kleiderwahl ein. »Viele dieser Mädchen mit Korsett fühlen sich in der Schule wie ein Alien mit Plastikpanzer. Hier sind die Eltern gefragt, die Betroffenen hundertprozentig in puncto Disziplin und Organisation etwa über Belohnungssysteme und auch seelisch zu unterstützen«, so Reuschel. Eine psychologische Betreuung standardmäßig wäre zudem wünschenswert.

Hilfe und Austausch für Betroffene

Zur Unterstützung gehöre auch, sich von auf Skoliose spezialisierten Orthopäden zu Diagnose und Therapie beraten und behandeln zu lassen und das Korsett von einem darauf spezialisierten, erfahrenen Orthopädietechniker anfertigen zu lassen. »Betroffene Familien können sich bei der Suche nach einem Spezialisten gerne an den Bundesverband Skoliose-Selbsthilfe wenden, der zudem über seinen Fachbeirat Hilfestellung geben kann«, sagt Reuschel. Auch Lehrer sollten um Überprüfung des Korsetttragens in der Schule gebeten werden, das auch schon einmal auf dem Schulweg aus- und auf dem Heimweg wieder angezogen wird.

Helfen kann den Teenagern auch der Austausch mit Leidensgenossen bei Aktionen der Skoliose-Selbsthilfe, über die sozialen Medien und vor allem bei Rehabilitationsmaßnahmen. »Der Austausch vor Ort mit anderen Jugendlichen mit Skoliose und die intensiven Schulungen stärken die Betroffenen, langfristig mit ihrer Skoliose besser klarzukommen«, so Reuschel. Schulte ergänzt: »Frühzeitig und kompetent beraten zu werden und Kontakt zu seriösen Informationsquellen zu haben, ist der Schlüssel zum Erfolg bei der Skoliosebehandlung.«

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.
TEILEN
Datenschutz

Mehr von Avoxa