Essen als Balsam für die Haut |
Bei vielen kleinen Neurodermitis-Patienten verschlechtert sich die Haut nach dem Verzehr bestimmter Lebensmittel. Oft ist diese »Allergie« aber nicht von Dauer und die Lebensmittel werden nach einiger Zeit wieder toleriert. / Foto: Getty Images/Tetiana Soares
Durch eine vermutlich erblich bedingte Störung des Immunsystems reagiert die Haut von rund vier Millionen betroffenen Deutschen, darunter viele Kinder, mit Entzündungen auf eigentlich harmlose Stoffe, beispielsweise Lebensmittel, Pollen, Hausstaub oder Tierhaare. Bei Erstkontakt bildet der Körper IgE-Antikörper, bei einem erneuten Kontakt kann die allergische Reaktion folgen. Dann führt die Ausschüttung von Histamin zu quälendem Juckreiz und Entzündungen. Die Barrierefunktion der trockenen, schuppenden Haut wird geschwächt, sodass Eindringlinge von außen – Bakterien, Pilze oder Viren – leichtes Spiel haben. Auch zusätzliche Trigger wie Infekte, Stress, Klimabedingungen oder Kleidung setzen der empfindlichen Haut zu.
Obwohl das atopische Ekzem nicht mit einer (Nahrungsmittel-)Allergie gleichzusetzen ist, gilt ein Zusammenhang zwischen der Erkrankung und dem Verzehr bestimmter Lebensmittel heute als gesichert. Weil eine Verschlechterung des Hautzustandes erst nach ein bis zwei Tagen zu erwarten ist, muss – wenn der Auslöser im Bereich Ernährung vermutet wird –, besonders akribisch über Mahlzeiten und Symptome Buch geführt werden (siehe Kasten).
Wer herausfinden will, welche Einflussfaktoren eine Rolle im eigenen Krankheitsgeschehen spielen, für den heißt es: Lupe raus und Protokoll führen. Der Deutsche Allergie- und Asthmabund (DAAB) stellt dafür ein Neurodermitis-Tagebuch zu Verfügung, in dem Patienten oder die Eltern betroffener Kinder täglich folgendes dokumentieren können:
Oft kann es beispielsweise einen Unterschied machen, ob Alltag, Wochenende oder Urlaub ist. Eine Mahlzeit im Restaurant wirkt sich aufgrund versteckter Zutaten wie Dressings oder Zusatzstoffe möglicherweise anders aus als Selbstzubereitetes. Wichtig: Nahrungsmittel sollten genau benannt werden, denn ein helles Weizenbrötchen führt vielleicht zu Beschwerden, während ein Roggenvollkornbrötchen gut toleriert wird. Auch sollte die Zutatenliste von verzehrten Fertigprodukten in das Protokoll eingefügt werden. Es gibt hier 14 deklarationspflichtige Hauptallergene, die Hersteller optisch (Fett-/Großdruck) hervorheben müssen, und auch Zusatzstoffe sind dort aufgelistet.
Hilfreich ist auch, die Zubereitungsart aufzuschreiben, da rohes Obst und Gemüse manchmal schlechter verträglich ist als gegartes; dabei Gewürze, Essig und Öle nicht vergessen. Ganz wichtig ist es auch, Süßigkeiten, Knabbereien und Getränke zu dokumentieren. Softdrinks, zuckerhaltige und fettige Snacks können Schübe begünstigen.
Kaffee, schwarzer Tee oder Alkohol reizen genau wie Orangensaft oder scharfes Essen die Haut und verstärken den Juckreiz durch ihre durchblutungsfördernde Wirkung. In der Darmschleimhaut kommt es damit auch zu einer besseren Aufnahme anderer Nahrungsbestandteile. Wirken die allergen, verstärken sich unter Umständen die Hautbeschwerden. PTA und Apotheker sollten Patienten dazu ermutigen, ihr Tagebuch mehrere Wochen ehrlich zu führen und währenddessen ihr gewohntes Essverhalten beizubehalten.
Wenngleich es von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich ist, ob und welche Nahrungsmittel der Haut Probleme bereiten, stechen bei Auswertung der Aufzeichnung einige Lebensmittelgruppen immer wieder hervor. Laut Allergieinformationsdienst des Helmholtz Zentrums München ist jedes zweite Kind mit Neurodermitis gegen Nahrungsmittel sensibilisiert, was jedoch nicht immer eine Ekzemverschlechterung nach sich ziehen muss. Im Kindesalter sind oft Kuhmilch, Ei, Soja, Weizen, Fisch sowie Erd- und Haselnüsse schubauslösend, während bei Erwachsenen eher Kreuzallergien mit Pollen-assoziierten Lebensmitteln wie Kern- oder Steinobst, Kiwi, bestimmten Gemüsen oder Nüssen das Hautbild verschlechtern.
Typische Allergene: Kuhmilch, Erd-und Haselnüsse, Ei, Weizen, Soja und Fisch lösen vor allem bei Kindern häufig allergische Hautsymptome aus. / Foto: Getty Images/monticelllo
Zeigt das Symptomtagebuch reproduzierbare Zusammenhänge, kann ein Allergietest sinnvoll sein, dem bei positivem Ergebnis ein begleiteter Auslassversuch mit anschließender oraler Provokation und Beobachtung der Symptome unter Aufsicht eines Allergologen folgen. Werden daraufhin Ernährungseinschränkungen nötig, sollten diese vor allem bei Kindern so gering und kurz wie möglich ausfallen, denn oft sind nach einiger Zeit die Lebensmittel wieder verträglich. Das Wiedereinführen muss wegen möglicher allergischer Reaktionen ärztlich betreut werden.
Oberstes Ziel ist es, trotz atopischer Dermatitis möglichst abwechslungsreich zu essen. Ein eigenmächtiger und vor allem dauerhafter Verzicht kann bei Patienten jeden Alters nämlich in zweierlei Hinsicht kontraproduktiv sein: Die Toleranz für diese Nahrungsmittel schwindet und Fehl- oder Mangelernährung wird Vorschub geleistet, die bei Kindern im schlechtesten Fall zu Entwicklungsverzögerungen führen kann.
Hautreaktionen in Form von Ekzemen sind besonders häufige Beschwerden einer Pseudoallergie. Da hier keine immunologische Reaktion erfolgt, helfen klassische Allergietests wie der Pricktest diagnostisch nicht weiter. Häufige Pseudoallergene sind Zusatzstoffe wie Farb-, Aroma- oder Konservierungsstoffe, etwa Sorbinsäure – E200, Benzoesäure – E210, Schwefeldioxid – E220. Auch glutamathaltige Geschmacksverstärker (E620 bis 625) und verschiedene Süßstoffe (E 950 bis 969) können für Neurodermitiker problematisch sein. Für Betroffene ist es daher ratsam, die E-Nummern auf Zutatenlisten zu studieren oder möglichst nur naturbelassene Lebensmittel einzukaufen.
Auch gegen in pflanzlichen Lebensmitteln natürlicherweise vorkommende Salicylsäure, die als sekundärer Pflanzenstoff zur Abwehr bakterieller Infektionen dient, kann es Unverträglichkeiten geben. Allerdings wird aktuell keine Meidung salicylathaltiger Lebensmittel empfohlen, weil dadurch der Verzehr von Gemüse und Obst zu stark eingeschränkt würde.
Ebenfalls befeuert wird die Neurodermitis häufig durch biogene Amine, vor allem histaminreiche Lebensmittel (Sauerkraut, gereiften Käse, Salami und Räucherfisch) und Histaminliberatoren, zum Beispiel Kiwi, Erdbeeren, Tomaten, Champignons oder Hülsenfrüchte. Erschwerend hinzu kommt, dass ein Lebensmittel mal besser, mal schlechter verträglich sein kann, weil sein Histamingehalt auch von Lagerdauer und Verarbeitung abhängig ist. Eine verlässliche Laboruntersuchung steht hier nicht zur Verfügung. Um Pseudoallergenen auf die Spur zu kommen, ist daher vor allem die gründliche Auswertung des Neurodermitis-Tagebuchs gefolgt von einem individuellen Speiseplan hilfreich.
Lebensmittelgruppe | Häufig gut verträgliche Lebensmittel bei atopischem Ekzem | |
---|---|---|
Getreide und Beilagen | Dinkel, Hafer, Hirse, Amaranth, Quinoa, Reis, Kartoffeln | |
Gemüse | Blattsalate, Brokkoli, Kohl, Lauch, Mangold, Pilze, Rote Bete, Salatgurke, Spargel, Zucchini | evtl. Bohnen, Erbsen, Linsen, Spinat |
Obst | süße Apfelsorten, Heidelbeere, Mango, Wassermelone, evtl. Bananen, Birnen, Trauben | |
Fleisch | Huhn, Lamm, Pute, Rind, Wild | |
Fisch | individuelle Verträglichkeit prüfen | evtl. Hochseefisch |
Milchprodukte | in Maßen (Verträglichkeit prüfen): fermentierte Milchprodukte wie Joghurt, Kefir, (Frisch-)Käse von Kuh, Schaf, Ziege | |
Fette/Öle | kaltgepresstes, unraffiniertes Raps-, Oliven-, Leinöl, ungehärtetes Kokosfett, Sauerrahmbutter, milchfreie Margarine | |
Nüsse/Samen | Mandeln, Cashew-, Kürbis-, Pinien-, Sonnenblumenkerne, Kokosnuss | |
Gewürze und Aufstriche | Meersalz, milde Gewürze ohne Hefe, Vegetabile Pasten ohne Milch, Soja, Ei, Hefe | |
Süßes und Snacks (in Maßen) | Trockenfrüchte ohne Zuckerzusatz, Reiswaffeln, Selbstgebackenes mit wenig Zucker oder Honig | |
Getränke | Wasser, grüne Kräutertees (1-Blatt-Sorten), Getreidekaffee, Reis-, Mandeldrink | evtl. stark verdünnter Apfel oder Birnensaft |
Eine ausgewogene Ernährung wappnet den Körper gegen Infekte, welche Neurodermitis-Schübe häufig begünstigen. Reichlich verträgliches Gemüse und Obst bringt entzündungshemmende Antioxidanzien auf den Teller, deren Wirkung durch gesunde Omega-3-reiche Öle wie Lein-, Oliven- oder Rapsöl unterstützt wird.
Die Zufuhr von Gamma-Linolensäure, einer Omega-6-Fettsäure aus Nachtkerzen- oder Borretschöl, konnte in Studien allerdings keinen positiven Effekt auf den Hautzustand zeigen. Linolsäure aus Sonnenblumen- oder Maiskeimöl kann Entzündungen sogar fördern; in Untersuchungen verschlechterten sich atopische Ekzeme sogar. Empfehlenswert sind dagegen fermentierte Milchprodukte. Sie wirken probiotisch und stabilisieren das Darmmikrobiom. Selbst hergestellter Joghurt punktet mit besonders vielen Milchsäurebakterien und niedrigem Lactosegehalt – aber Vorsicht: zunächst individuelle Verträglichkeit testen. Auch interessant: Präbiotika wie Inulin aus Chicoreé, Topinambur oder Schwarzwurzel sind besondere Ballaststoffe, die vorwiegend Wachstum und Aktivität nützlicher Bakterien im Dickdarm fördern.
Die Artenvielfalt des Mikrobioms spielt eine tragende Rolle, denn der Darm als unser größtes immunologisches Organ entscheidet darüber, ob eigentlich harmlose Lebensmittel als solche erkannt oder aber zu Allergien führen. Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass die Zusammensetzung der Darmbakterien bei Neurodermitis-Patienten von der Flora bei Menschen ohne atopisches Ekzem abweicht. Ein wichtiger Hinweis für werdende Mütter: Säuglingen verhilft eine vaginale Geburt und Muttermilchnahrung dazu, eine gesunde Mikrobiota zu entwickeln.
Um einer Neurodermitis beim Nachwuchs vorzubeugen, können Mütter noch mehr Gutes tun: Während Schwangerschaft und Stillzeit sollten sie sich gesund und ausgewogen ernähren, dabei aber nur verzichten, auf was sie selbst allergisch reagieren. Das Meiden bestimmter Lebensmittel bringt dem Ungeborenen keine Vorteile, birgt jedoch das Risiko einer Frühgeburt oder eines niedrigen Geburtsgewichtes.
Es gibt Hinweise, dass eine mediterrane Ernährung in der Schwangerschaft mit Gemüse, Früchten und langkettigen Omega-3-Fettsäuren aus fettreichem Seefisch wie Wildlachs, Hering, Makrele oder Sardine präventiv wirkt. Studienergebnisse geben auch erste Hinweise darauf, dass eine Probiotikagabe in der Schwangerschaft das Neurodermitisrisiko des Ungeborenen senken könnte.
In den ersten vier Lebensmonaten sollte möglichst jeder Säugling ausschließlich gestillt werden, besonders aber diejenigen, deren Eltern oder Geschwister bereits Atopiker sind. Sofern Stillen nicht möglich ist, rät das Forschungsdepartment Kinderernährung der Universitätsklinik Bochum (FKE) für diese Babys zu hypoallergener Säuglingsnahrung, sogenannter HA-Nahrung. Die darin enthaltenen Eiweiße sind aufgespalten und lösen daher seltener Allergien aus. Für den äußerst seltenen Fall, dass über die Muttermilch aufgenommene Allergene eine atopische Dermatitis beim Nachwuchs auslösen, kann der Kinderarzt zu Spezialnahrung raten.
Der Ernährungsfahrplan des FKE für das erste Lebensjahr sieht den Start der Beikost ab dem fünften Lebensmonat bis spätestens zu Beginn des siebten Lebensmonats vor, je nach Reife und Interesse des Kindes. Von der Empfehlung bei allergiegefährdeten Babys mit Beikost bis nach dem sechsten Monat zu warten, ist man in den vergangenen Jahren abgerückt: Ein frühes Training macht das Immunsystem widerstandsfähiger gegenüber Fremdstoffen. Auch auf möglicherweise allergene Nahrungsmittel wie Milch oder Fisch sollte nicht vorsorglich verzichtet werden.
Forscher vermuten auch, dass die Zufuhr kleiner Menge Gluten nach dem vierten Lebensmonat die Toleranz dafür steigert. Unter Berücksichtigung der FKE-Vorgaben sollten Babys im zweiten Lebenshalbjahr also insgesamt vielfältig, ausgewogen und ohne Einschränkungen ernährt werden. Im Beikostalter weiterhin zu stillen, verbessert dabei die Verträglichkeit der Lebensmittel.