Essen für Mensch und Natur |
Inka Stonjek |
24.04.2019 13:00 Uhr |
Viel Gemüse, wenig Fleisch: Mit der Planetary Health Diet können die Menschen den Planeten retten und ihre eigene Gesundheit fördern. / Foto: Getty Images/Thomas Vogel
Im Jahr 2050 werden rund 10 Milliarden Menschen auf der Erde leben. Um ihren Hunger zu stillen, müsste die Agrarproduktion um mehr als 70 Prozent gesteigert werden, schätzt die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO). Eine gewaltige Herausforderung, denn schon heute sind Lebensmittel ungleich verteilt. Obwohl sich die Zahl hungernder Menschen zwar langsam verringert, bekommen der Welthungerhilfe zufolge noch immer mehr als 800 Millionen Menschen nicht genug zu essen. Dabei ist ausreichende Ernährung ein Menschenrecht, festgehalten im Sozialpakt der Vereinten Nationen.
Die Problematik ist vielschichtiger Natur. Einmal ist die weltweite Anbaufläche begrenzt. Zusätzlich gehen jährlich weitere zwölf Millionen Hektar durch Überweidung, Versalzung, ungeeignete Anbaumethoden, Erosion oder durch Straßen- und Städtebau verloren. Setzt sich dieser Trend fort, sinken die Ernten in den nächsten 25 Jahren um bis zu 12 Prozent.
Die Produktion von Lebensmitteln verursacht beachtliche Mengen von Treibhausgasen. Denn sie werden zunächst angebaut, dann geerntet, transportiert, gelagert, eventuell noch weiterverarbeitet, bis sie im besten Fall schließlich im Verkauf landen. Im Privathaushalt werden sie ebenfalls gelagert, oft gekühlt, dann zubereitet und verzehrt. Im schlimmsten Fall enden sie irgendwo entlang dieser Wertschöpfungskette im Abfall, der entsorgt werden muss. Insbesondere tierische Produkte tun unserem Planeten nicht gut. Dem Fleischatlas zufolge tragen sie nur zu einem Fünftel der Welternährung bei, beanspruchen aber vier Fünftel der Fläche. Gleichzeitig verursachen die fünf weltgrößten Fleisch- und Milchkonzerne mehr Klima-Gase als der Öl-Riese Exxon. Im Jahr 2050 werden rund 10 Milliarden Menschen auf der Erde leben. Sie zu ernähren, wird nur möglich sein, wenn alle ihre Essensgewohnheiten ändern.
Mit all diesen Problemen hat sich die EAT-Lancet Commission, an der die Fachzeitschrift »The Lancet« und das unabhängige Forschungsinstitut Stockholm Resilience Centre und die norwegische Nichtregierungsorganisation (NGO) EAT beteiligt sind, zwei Jahre lang beschäftigt. In dieser Zeit sind 37 Experten verschiedener Fachbereiche aus 16 Nationen einigen Fragen nachgegangen, etwa: Wie viel Fleisch ist noch gesund? Welches Ausmaß der Produktion schadet dem Planeten?
Herausgekommen ist ein Referenz-Speiseplan, der keine Total-Verbote enthält und sich weltweit in allen Ländern und Kulturen umsetzen ließe. Der Name »Planetary Health Diet« ist Programm: »planetary«, weil er die natürlichen Grenzen des Planeten berücksichtigt und für alle Menschen auf der Erde gelten soll; »health«, weil er auch Krankheiten wie Herzinfarkte und Diabetes vorbeugen soll, die durch falsche Ernährung wahrscheinlicher werden. Elf Millionen frühzeitige Todesfälle könne die Diät jährlich verhindern, sagen die Forscher. Zuletzt spiegelt der Begriff »diet« (zu deutsch: Ernährung) die zeitliche Dimension wider, denn das Konzept ist als dauerhafte Ernährungsumstellung zu verstehen.
Die Planetary Health Diet ist eine »Flexitarier«-Kost für Erwachsene. Sie ist pflanzenbetont, wobei der Konsum von tierischen Produkten wie Fleisch, Fisch, Milch oder Eiern nicht verboten ist, jedoch limitiert bleibt. Alternativ lässt sie sich auch vegetarisch oder vegan umsetzen. Die Kernpunkte lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Nährstoffaufnahme pro Tag (Spanne) | Kalorienaufnahme pro Tag | |
---|---|---|
Getreide und Kartoffeln | ||
Vollkorn (Reis, Weizen und andere Getreidesorten) | 232 g, (etwa eine Portion Vollkornreis, zwei Scheiben Vollkornbrot, eine Portion Haferflocken) | 811 |
Wurzelgemüse oder stärkehaltiges Gemüse | 50 g (0-50 g), (etwa vier Kartoffeln pro Woche) | 39 |
Obst und Gemüse | ||
Gemüse (alle Sorten) | 300 g (200-600 g), (etwa eine halbe Zucchini, eine halbe Paprika, zwei Tomaten) | 78 |
Obst (alle Sorten) | 200 g (100-300 g), (etwa ein Apfel, eine Banane) | 126 |
Tierische Erzeugnisse | ||
Milchprodukte | 250 g (0-500 g), (etwa ein Becher Joghurt, ein halbes Glas Milch) | 153 |
Rotes Fleisch (Schwein, Rind) | 14 g (0-28 g), (etwa zwei Steaks pro Monat) | 30 |
Weißes Fleisch (Geflügel) | 29 g (0-58 g), (etwa eine Hähnchenbrust pro Woche) | 62 |
Eier | 13 g (0-25 g), (etwa anderthalb Eier pro Woche) | 19 |
Fisch | 28 g (0-100 g), (etwa zwei Portionen Forelle pro Woche) | 40 |
Pflanzliche Eiweißquellen | ||
Hülsenfrüchte (Erbsen, Bohnen, Soja etc.) | 75 g (0-100 g), (etwa eine Portion Kichererbsen) | 284 |
Nüsse (Erdnüsse, Walnüsse etc.) | 50 g (0-75 g), (etwa zwei Handvoll Nüsse) | 291 |
Fette und Öle | ||
Ungesättigte Fettsäuren | 40 g (20-40 g), (in Nüssen, Avocado und Fisch) | 354 |
Gesättigte Fettsäuren | 11,8 g (0-11,8 g ), (etwa 32 g Schweineschmalz) | 96 |
Zucker (zugesetzt) | 31 g (0-31 g), (etwa fünf Stück Schokolade) | 120 |
Kalorisch ist die Planetary Health Diet auf 2500 kcal pro Tag ausgelegt. Dies entspricht dem durchschnittlichen Energiebedarf eines 70 kg schweren Mannes im Alter von 30 Jahren und einer 60 kg schweren Frau im gleichen Alter, deren körperliche Aktivität moderat bis hoch ist.
Wichtig zu wissen: Die von den Wissenschaftlern ermittelten Werte sind tägliche Durchschnittswerte. 13 Gramm Ei am Tag lassen sich nicht umsetzen, da dies ungefähr einem Viertel eines Eis der Klasse M entspricht. Sonntags steht so einem Frühstücksei nichts im Weg. Insgesamt können die Angaben hochgerechnet auf eine Woche als Orientierung für den wöchentlichen Speiseplan dienen. /