Essenszeiten beeinflussen das Hungergefühl |
Für viele ist ein gutes Frühstück gleich ein guter Start in den Tag. Den Hauptteil der Nahrungsaufnahme in die erste Tageshälfte zu legen und spätes Abendessen zu vermeiden, könnte Studien zufolge auch das Hungergefühl im Zaum halten. / Foto: Getty Images/Luis Alvarez
Ernährung und Bewegung: Diese beiden Stellschrauben gibt es bekanntlich, um das Körpergewicht zu kontrollieren. Ebenso bekannt ist allerdings, dass es vielen Menschen in Industrienationen wegen der allgemeinen adipogenen Lebensumstände nicht gelingt, ihr Wunschgewicht zu halten. Vielfach sei dabei nicht klar, wann und wie man essen beziehungsweise sich bewegen sollte, heißt es dazu nun in »Cell Metabolism«. Mehrere Artikel in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins widmen sich daher diesen beiden Fragen.
Zwei Veröffentlichungen beschäftigen sich dabei mit dem Timing der Nahrungsaufnahme. Hierzu gibt es verschiedene Standpunkte. Während die einen gemäß dem Sprichwort »morgens essen wie ein König, mittags wie ein Edelmann und abends wie ein Bettler« eine Verlagerung der Haupt-Nahrungsaufnahme in die erste Tageshälfte propagieren, gilt für andere das Motto »eine Kalorie ist eine Kalorie« – egal wann man sie zu sich nimmt. Die beiden Publikationen in »Cell Metabolism« liefern nun starke Argumente für den erstgenannten Standpunkt.
In der einen Studie untersuchten Dr. Nina Vujović vom Brigham and Women’s Hospital in Boston, USA, und Kollegen 16 übergewichtige oder adipöse Personen. Es handelte sich um eine randomisierte, kontrollierte Crossover-Studie, mit der die Forscher untersuchen wollten, welchen Effekt es auf das Hungergefühl, den Energieumsatz des Körpers und die molekularen Signalwege im Fettgewebe hat, wenn exakt dieselbe Kalorienmenge zu unterschiedlichen Tageszeiten verzehrt wird. Es sei zwar nicht die erste Studie dieser Art gewesen, räumen die Autoren ein, dafür aber wahrscheinlich die »am besten kontrollierte und umfassendste«.
In der Tat betrieben die Forscher einen großen Aufwand, um Störgrößen möglichst auszuschalten und für alle Probanden genau dieselben Versuchsbedingungen zu schaffen. Das Protokoll sah nach einer Vorbereitungszeit von jeweils zwei bis drei Wochen, während der die Probanden bereits einen regelmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmus einhalten und an den letzten drei Tagen zusätzlich eine bereitgestellte Diät essen sollten, zwei jeweils neuntägige Aufenthalte im Versuchslabor vor. Dort erhielten sie an Tag 2 jeweils exakt dieselbe Nahrungsmenge, die auf drei Mahlzeiten verteilt war.
Beim einen Mal fanden diese Mahlzeiten früh am Tag statt mit der letzten Nahrungsaufnahme circa sechs Stunden und 40 Minuten vor dem Schlafengehen. Beim anderen Mal waren alle drei Mahlzeiten etwa vier Stunden nach hinten verschoben, das Frühstück wurde ausgelassen und es gab stattdessen Mittag- und Abendessen sowie noch eine Mahlzeit etwa zweieinhalb Stunden vor dem Zubettgehen. Zwischen allen Mahlzeiten lagen jeweils vier Stunden und es wurde darauf geachtet, dass sich die körperliche Aktivität der Teilnehmer, ihre Schlafenszeit sowie die Lichteinwirkung nicht unterschieden. An den Tagen 3 und 6 der jeweiligen Aufenthalte im Versuchslabor wurden verschiedene Parameter gemessen.
Die Ergebnisse waren eindeutig: Am Folgetag des Spät-essen-Protokolls hatten die Teilnehmer stärkeren Hunger als nach dem Tag mit den früheren Mahlzeiten und das Verhältnis der beiden Hormone Ghrelin und Leptin im Blut war deutlich zugunsten des Hunger-vermittelnden Ghrelins und zuungunsten des »Sättigungshormons« Leptin verschoben. Auch der Grundumsatz der Teilnehmer und ihre Körpertemperatur waren einen Tag nachdem sie spät gegessen hatten gesenkt. Die Analyse von Fettgewebe, das mittels Punktion an Tag 5 des Protokolls von sieben Probanden gewonnen worden war, zeigte ebenfalls, dass infolge des späten Essens Signalwege verstärkt in Richtung einer Fetteinlagerung verschoben waren. All dies könne aus Sicht der Autoren dazu beitragen, dass das persönliche Adipositasrisiko steigt, wenn man spät am Tag isst.
Der Einfluss auf das Hungergefühl könnte dabei entscheidend sein, wie die zweite Studie von Forschern um Dr. Leonie Ruddick-Collins von der University of Aberdeen in Großbritannien zeigt. Sie hatten 30 ebenfalls übergewichtige oder adipöse Personen auf andere Weise untersucht: Die Probanden erhielten in dieser Studie zweimal jeweils vier Wochen lang eine auf ihren persönlichen Grundumsatz abgestimmte, kalorienreduzierte Diät. Einmal lag dabei der Schwerpunkt der Nahrungsaufnahme auf dem Vormittag: Das Frühstück hatte einen Anteil von 45 Prozent an der Tageskalorienmenge, das Mittagessen 35 Prozent und das Abendessen 20 Prozent. Beim anderen Mal war es genau umgekehrt.
Anders als in der ersten Studie führte die Verlagerung des Schwerpunkts der Nahrungsaufnahme auf den Abend in dieser Untersuchung nicht dazu, dass der Grundumsatz der Teilnehmer gedrosselt wurde, sie also weniger Energie verbrauchten. Stattdessen blieb der Grundumsatz bei beiden Ernährungsprotokollen gleich und die Probanden verloren auch in beiden Fällen gleich viel Gewicht. Signifikant unterschiedlich war jedoch das Hungergefühl: In den vier Wochen, in denen das Studienprotokoll ihnen ein großes Frühstück vorschrieb, waren die Probanden deutlich weniger hungrig als wenn sie stattdessen kräftig zu Abend aßen.
Obwohl die Ergebnisse dieser Studie die der anderen nur teilweise bestätigen, sieht Seniorautorin Professor Dr. Alexandra Johnstone von der University of Aberdeen darin keinen Widerspruch. Es gebe immer mehr Hinweise darauf, dass die Nahrungsaufnahme eng mit dem circadianen Rhythmus des Körpers verbunden sei, schreibt sie auf der Plattform »The Conversation«. Spät zu essen, könne diesen Rhythmus durcheinanderbringen; das Hungergefühl verändere sich und auch die Art und Weise, wie der Körper Kalorien verwerte beziehungsweise in Fettgewebe speichere. Menschen, die auf ihr Gewicht achten möchten, sollten sich daher späte Snacks verkneifen und stattdessen lieber früher am Tag essen.