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Etablierte Rezepturen für Kinder finden

Nur ein geringer Teil der Arzneimittel ist auch für Kinder zugelassen. Dadurch bedingte Versorgungslücken bei jungen Patienten lassen sich mithilfe von Individualrezepturen schließen. Eine Datenbank stellt dafür etablierte Rezepturen zur Verfügung.
Nicole Schuster
09.05.2022  12:00 Uhr

Geeignete Arzneimittel fehlen oft bei Krankheiten, die im Kindesalter eher selten vorkommen. In anderen Fällen mangelt es an Daten aus klinischen Studien für diese Altersgruppen und ohne klinische Daten erlangen Hersteller auch keine Zulassung für Kinder. »Betroffene junge Patienten erhalten dann Arzneimittel beziehungsweise Darreichungsformen, die für ihre Altersgruppe nicht zugelassen (off-label) oder nicht geeignet sind«, sagt Professor Dr. med. Petra Staubach-Renz, Oberärztin der Hautklinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz, Referentin für Rezepturen beim Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVVD) sowie Vorstandsmitglied der Fachgruppe Magistralrezepturen der Gesellschaft für Dermopharmazie im Gespräch mit PTA-Forum. Wie in der Medizin und Pharmazie bekannt, seien Kinder aber keine kleinen Erwachsenen.

Für Erwachsene zugelassene Fertigarzneimittel für Kinder herunter zu verdünnen sei oft, etwa im Falle von Topika, keine ideale Lösung. Eine bessere Option sind genau auf die Bedürfnisse von Kindern abgestimmte Magistralrezepturen aus der Apotheke. Entsprechende Rezepturen stehen aber nicht immer zur Verfügung. Hier soll zukünftig eine europaweite Datenbank Abhilfe schaffen. Das Projekt PaedForm (Pediatric Formulary) sammelt bewährte Magistralrezepturen, die derzeit in nationalen Formelsammlungen in Europa beschrieben sind. Die Rezepturen sind nicht obligatorisch, können jedoch Ärzten und Apothekern die Arbeit erleichtern, wenn kein passendes zugelassenes Fertigarzneimittel für eine Altersgruppe verfügbar ist. Die europaweite Initiative wurde 2013 vom European Committee on Pharmaceuticals and Pharmaceutical Care (CD-P-PH) und der Europäischen Arzneibuch-Kommission ins Leben gerufen. PaedForm ergänzt Sammlungen wie das Neue Rezeptur-Formularium (NRF), durch das in Deutschland seit vielen Jahren eine große Auswahl von Magistralrezepturen zur Verfügung steht.

Strenge Kriterien

Um ein hohes Qualitätsniveau der Rezepturen sicherzustellen, wurden Kriterien erstellt, mit denen bestehende Formulierungen für die Aufnahme in das European Pediatric Formulary bewertet werden sollen, und Ende 2015 vom CD-P-PH verabschiedet.

Voraussetzung dafür, einen Wirkstoff und eine Formulierung in die Formelsammlung aufzunehmen, ist ein beschriebenes und reproduzierbares Herstellungsverfahren. Alle für die Formulierung benötigten Rohstoffe müssen im Europäischen Arzneibuch (European Pharmacopoeia, Ph. Eur.) oder einem nationalen Arzneibuch beschrieben sein. Weiterhin achten die Experten darauf, dass alle Hilfsstoffe eine Berechtigung haben, für ihre Funktion geeignet und verträglich sind und in der geringst notwendigen Menge eingesetzt werden. Tests zur Prozesskontrolle beziehungsweise zusätzliche analytische Tests am Endprodukt sichern die Qualität des Produkts. Damit das Arzneimittel auch bei Lagerung verlässlich stabil ist, sollten Daten zur chemischen, physikalischen und mikrobiologischen Stabilität verfügbar sein. Die Haltbarkeit ist in den Monographien ebenso wie das Behältersystem vorgegeben. Der Behälter sollte wie die anderen Ausgangsstoffe in Arzneibuchqualität vorliegen.

Auf Ebene der klinischen Bewertung gilt es zu beachten, dass der Wirkstoff für seine Verwendung positiv bewertet ist und es keine Sicherheitsbedenken gibt. Ein Ausschlusskriterium für die Aufnahme ist, dass ein Wirkstoff vom Markt genommen werden musste, weil er für unsicher oder unwirksam befunden wurde. Allerdings kann es Ausnahmen geben, etwa wenn ein Arzneistoff für eine bestimmte Gruppe wichtig ist. Ein Beispiel ist Chloralhydrat, das heute weitgehend obsolet ist. Die abhängig von der Dosierung sedativ oder schlaffördernd wirkende Substanz hat jedoch noch einen Stellenwert in der Pädiatrie zur Prämedikation vor operativen Eingriffen und vor diagnostischen Maßnahmen. Für die Aufnahme ins Rezeptur-Formularium der Kinderarzneimittel muss ein Arzneistoff grundsätzlich von therapeutischem Nutzen und relevant für die aktuelle Praxis sein und er sollte für andere Altersgruppen in zugelassenen Produkten zur Verfügung stehen.

Alle fünf Jahre reevaluieren Experten die Rezepturen. Dafür ziehen sie mögliche neue Erkenntnisse zum Risiko-Nutzen-Verhältnis heran und prüfen auch, ob es mittlerweile mit dem Wirkstoff ein für Kinder zugelassenes Fertigarzneimittel gibt.

Zwei Bereiche

PaedForm ist ein lebendes Projekt und wird stetig erweitert. Die Sprache des Online-Tools ist Englisch. Der Zugang zur Datenbank ist kostenlos, die Anwender müssen sich aber zunächst auf der Website registrieren. Anleitungen zur Registrierung und Bedienung finden sich im Benutzerhandbuch. Auf der Plattform stehen zwei Bereiche zur Verfügung:

  • European Paediatric Formulary
  • Pharmeuropa PaedForm

Unter »European Paediatric Formulary« stehen die bereits angenommenen Rezepturen zur Verfügung. In eine Suchmaske können Stichworte wie etwa der Wirkstoffname zum Auffinden der Rezepturen eingegeben werden. Hat man die passende Rezeptur ausgewählt, kann man sie als pdf-Datei herunterladen oder ausdrucken. Allerdings ist die Anzahl der Rezepturen bislang überschaubar. Bei den drei bereits verabschiedeten Vorschriften handelt es sich um Hydrochlorothiazid 0,5 mg/ml Lösung zum Einnehmen, Phosphat 60 mg/ml Lösung zum Einnehmen und Sotalolhydrochlorid 20 mg/ml Lösung zum Einnehmen.

Die Monographien haben einen einheitlichen Aufbau. Der Titel setzt sich in der Regel aus dem Namen des Wirkstoffs, seiner Konzentration und der Darreichungsform zusammen. Der Name entspricht dabei der Bezeichnung in der European Pharmacopoeia (Ph. Eur.). Die Konzentration orientiert sich an dem, was üblicherweise für die pädiatrische Gruppe verabreicht wird. Zubereitungen für unterschiedliche Konzentrationen oder Stärken desselben Wirkstoffs werden in der Regel in separaten Monographien beschrieben, um Verwechslungen zu vermeiden. Unter dem Titel steht der Applikationsweg (»Route of administration«). Der Punkt »Definition« informiert über das spezifische Salz, als das der Wirkstoff vorliegt, und seine Stärke. Unter »Content« (Inhalt) finden sich Hinweise auf mögliche enthaltene besorgniserregende Hilfsstoffe. Es folgt die therapeutische Klassifikation (»Therapeutic classification«), also die anatomisch-therapeutisch-chemische (ATC) Klassifikation des Wirkstoffs.

Schritt für Schritt

Der nächste Punkt bezieht sich auf die qualitative und quantitative Zusammensetzung des Arzneimittels. Unter »Additional information« (zusätzliche Information) geht es um enthaltene, potenziell besorgniserregende Hilfsstoffe. Die Bewertung stützt sich dabei auf Vorgaben etwa in der Richtlinie »Excipients in the labelling and package leaflet of medicinal products for human use« der Europäischen Kommission. In diesem Abschnitt gibt es auch hilfreiche Hintergrundinformationen zur Entwicklung der Formulierung sowie – falls vorhanden – Daten zur Bioverfügbarkeit, Osmolalität und Kompatibilität mit Ernährungssonden.

Unter »Production« (Herstellung) wird der Herstellungsprozess inklusive Inprozess-Kontrollen Schritt für Schritt beschrieben und es gibt Informationen zur geeigneten Primärverpackung. Der Punkt »Information for the Patient« (Patienteninformation) bietet Informationen für den Patienten, die entweder der ursprünglichen Monographie oder einer anderen zuverlässigen Quelle entstammen. Es folgt »Quality control«, also die Qualitätskontrolle. Die Monographie gibt hier in der Regel Testmethoden vor, die der Quellenmonografie entnommen sind. Wenn keine Vorgaben zur Qualitätskontrolle gemacht werden, wird erwartet, dass der Apotheker nach eigenem Ermessen und gemäß seinen Fachkenntnissen festlegt, welche Tests und Kontrollen geeignet sind, um die Qualität sicherzustellen und das Produkt zur Verwendung freizugeben. Angegebene Akzeptanzkriterien stammen ebenfalls aus der Quellenmonographie.

Unter dem Punkt »Storage« finden sich Hinweise zur Lagerung. Vorgaben zu Lagerzeit und Gebrauchsstabilität sind, sofern bekannt, der Originalmonographie oder anderen verlässlichen Quellen entnommen. Im letzten Punkt »References« wird in der Monographie auf die Hauptquellen und weitere Referenzen verwiesen.

Mitarbeit gefragt

Im zweiten Bereich der Plattform, unter »Pharmeuropa PaedForm«, stehen Entwürfe zur Verfügung, die aktuell kommentiert werden können beziehungsweise es lässt sich auch ersehen, wann Kommentierungsfristen geendet haben. Hier ist die Mithilfe von Apothekenteams gefragt, die das Projekt unterstützen können, indem sie mit ihrem Praxiswissen die vorveröffentlichten Versionen prüfen. Bis zum 31. März 2022 war es zum Beispiel noch möglich, in Ausgabe 4 der Monographie-Entwürfe Stellungsnahmen zu einem konservierungsmittelfreien Zuckersirup als Grundlage für wirkstoffhaltige Zubereitungen sowie einer Phosphat-Lösung 60 mg/mL abzugeben. Die Phosphatlösung war 2021 bereits vorab publiziert worden und wurde jetzt wegen eines neuen Anhangs zum Verweis auf national zugelassene Fertigarzneimittel als mögliche Therapiealternativen erneut präsentiert.

Fachleute wie die Rezepturspezialistin Staubach-Renz halten das Projekt PaedForm für extrem wichtig. »Magistralrezepturen sind unverzichtbar für therapeutische Nischen und eine Domäne der Apotheke vor Ort.« Gerade bei älteren Wirkstoffen ist ungewiss, ob es jemals ein zugelassenes Fertigarzneimittel auch für die ganz jungen Patientengruppen geben wird. Rezepturen aus der Apotheke werden somit auch in Zukunft unverzichtbar sein, um eine sichere und verlässliche Versorgung der jüngsten und besonderes vulnerablen Patienten sicherzustellen.

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