Extreme Überbeweglichkeit kann Fehler im Erbgut sein |
Isabel Weinert |
09.10.2025 08:00 Uhr |
Kann ein Kind Bewegungen deutlich über das normale Maß hinaus, kann unter Umständen ein Ehlers-Danlos-Syndrom dahinterstecken. / © Adobe Stock/Picture-Factory
Das Bindegewebe verbindet alle anderen Gewebe im Körper miteinander, trennt sie gleichzeitig und stützt sie. Die Zellen des Bindegewebes liegen lose in der extrazellulären Matrix. Das unterscheidet es von allen anderen Geweben. Mediziner differenzieren außerdem zwischen dem eigentlichen Bindegewebe und dem spezialisierten, also unter anderem dem retikulären oder demjenigen von Knochen und Knorpel. Bei Menschen mit Ehlers-Danlos-Syndrom mangelt es dem Bindegewebe an Festigkeit, weil genetisch bedingt die Produktion von Kollagen gestört ist. Das macht die Haut so dehnbar, dass Patienten sie am Hals und im Gesicht oft um mehrere Zentimeter abheben können. Lässt man sie los, schnellt sie zurück. Fachsprachlich heißt das Phänomen »Cutis hyperelastica«. Außerdem ist die Haut sehr empfindlich, Wunden heilen schlecht und vernarben stark.
Der Fehler in der Genetik für den Bau mehrerer Faserproteine macht auch die Gelenke stark überbeweglich (Hypermobilität), wodurch bereits völlig normale Bewegungen ausreichen, um sich ein Gelenk zu zerren oder zu verrenken. Zudem leidet das Skelett, die Wirbelsäule kann sich deutlich verkrümmen, die Füße verformen sich unter Umständen massiv. Auch im Inneren des Körpers wirkt sich die mangelnde Festigkeit des Bindegewebes aus. Blutungen in Organen, Aneurysmen, Risse in Blutgefäßen sind nur ein paar der möglichen Folgen.
Wissenschaftler unterscheiden 13 Arten des Ehlers-Danlos-Syndroms. Am häufigsten handelt es sich entweder um das Hypermobile EDS (hEDS), das vor allem die Gelenke betrifft und um das klassische EDS (cEDS), das sich vorwiegend an der Haut und dem Bewegungsapparat zeigt sowie um das vaskuläre EDS (vEDS), das große Gefahren mit sich bringt, weil Blutgefäße reißen und so innere Blutungen entstehen können.
Weil die Erkrankung sehr selten ist, ist der Leidensweg vieler Betroffener oft sehr lange, bis die Diagnose steht. Denn irgendein Mediziner muss erst einmal auf die Idee kommen, der Mensch vor ihm könne von Ehlers-Danlos betroffen sein. Umso wichtiger, das Syndrom in der Bevölkerung bekannter zu machen und auch als PTA bei den oben geschilderten Symptomen aufzumerken. Die klinische Symptomatik kann den Verdacht erhärten, oft unter anderem auf Basis des sogenannten Beighton-Scores, bei der der Patient einige Bewegungen machen muss, die zeigen, ob seine Gelenke überbeweglich sind.
Weitere Untersuchungen sollten in einer Spezialsprechstunde durchgeführt werden. Dazu gehört neben der Symptomatik auch die genetische Abklärung. Man kennt die veränderten Genorte und kann so feststellen, ob Ehlers-Danlos vorliegt und auch welche Typen davon. Wichtig für Betroffene ist es, dem ersten Arzt, den sie aufsuchen, wirklich die ganze Krankheitsgeschichte zu berichten – einschließlich derjenigen von Verwandten, die von der Erkrankung ebenfalls betroffen (gewesen) sein könnten.
Bis heute und auf Weiteres lässt sich ein Ehlers-Danlos-Syndrom nicht heilen. Deshalb gilt es, die Symptome unter Einsatz verschiedener Maßnahmen zu lindern. Dazu zählen neben Physio- und Ergotherapie auch die adäquate Behandlung von Schmerzen sowie eine psychologische Begleitung. Menschen mit Ehlers-Danlos müssen lernen, die engen Grenzen ihres Körpers richtig einzuschätzen und direkt zu handeln, wenn sie akute Veränderungen zeigen. Dabei können auch Selbsthilfegruppen eine Rolle spielen, wie die ehlers-danlos-initiative.de oder der bundesverband-eds.de.