Fachärzte kritisieren Hormon-Selbsttests |
Verena Schmidt |
05.11.2024 14:00 Uhr |
Speichelprobe zuhause abgeben, eintüten und einschicken: So kann man selbst zu Hause einfach seinen Hormonstatus testen. Die Ergebnisse seien jedoch unsicher, warnt die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie. / © Getty Images/Nils Hasenau
Kommerzielle Hormon-Selbsttests für zu Hause sind seit einigen Jahren etwa im Internet, Drogerien und auch Apotheken erhältlich. Verbraucher können unter anderem Werte des Schlafhormons Melatonin, des Stresshormons Cortisol und der Sexualhormone Estrogen und Testosteron bestimmen lassen. Das läuft in der Regel folgendermaßen ab: Die testende Person gibt eine Speichelprobe (selten auch Urinprobe) zu Hause ab und schickt diese dann an ein Labor. Dort wird der Spiegel eines oder mehrerer Hormone bestimmt und nach wenigen Tagen erhalten die Kunden das Ergebnis; manche Hersteller bieten dazu auch eine Telefonberatung für Fragen zum Ergebnis an.
Es gebe viele Gründe, warum sich Betroffene bei Beschwerden nicht an den Facharzt wenden und sich stattdessen für die kommerziellen Hormon-Selbsttests entscheiden, erklärt Professor Dr. W. Alexander Mann, Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie am Endokrinologikum Frankfurt, in einer Pressemeldung der DGE. »Unter Umständen ist ihnen die Wartezeit bis zu einem Arzttermin zu lang oder sie fühlen sich dort mit ihren Beschwerden nicht ernst genommen und erhoffen sich von den Hormontests neue Erkenntnisse.« Doch die Selbst-Diagnostik könne bei den Betroffenen zu unnötiger Sorge führen, falls die Ergebnisse falsch oder ungenau sind, gibt Mann zu bedenken. Da es bei dem Großteil der Tests danach kein Beratungsgespräch mit einer Fachärztin oder einem Facharzt gibt, hätten die Testergebnisse für Laien im günstigen Fall geringe oder keine, im schlimmsten Fall jedoch eine irreführende Aussagekraft, so die Kritik.
Mann weist auch darauf hin, dass bei vielen kommerziellen Hormon-Selbsttests nicht nachverfolgt werden könne, welche Qualität die Tests und somit auch die Ergebnisse besitzen. Auch sei die Konzentration der Hormone, für die die Tests ausgelegt sind, schwerer zu messen, da diese von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird. »Selbst wenn die Tests beispielsweise in einem zertifizierten Verfahren durchgeführt werden, sind Hormontests immer stark abhängig von äußeren Bedingungen. Das fängt schon bei der Tageszeit an, an der die Probe entnommen wurde. Diese beeinflusst beispielsweise die Bewertung von männlichen Hormonen sehr stark. Somit kann der vorliegende Hormonspiegel nicht zuverlässig bewertet werden.«
Um eine Hormon-Dysbalance als Ursache für bestimmte Beschwerden zu identifizieren, ist Endokrinologe Mann zufolge im ersten Schritt der Gang zum Facharzt sinnvoll. »Bei begründetem Verdacht auf eine hormonelle Störung ordnen Ärztinnen und Ärzte einen Hormontest an. Dieser wird in der Regel als Blut-, Speichel- oder Urintest durchgeführt, die Ergebnisse werden im Anschluss mit den Patientinnen und Patienten im Detail besprochen, ebenso die mögliche Therapie«, erläutert er. Grundsätzlich könnten Patienten bei Beschwerden auch immer um eine Abfrage des Hormonstatus bitten. Liegt ein ärztlich begründeter Verdacht auf eine hormonelle Störung vor, übernehmen die Krankenkassen die Kosten für einen entsprechenden Test in einer endokrinologischen Praxis. Andernfalls müssen Patienten die Kosten selbst tragen.
»Bei einer klaren medizinischen Fragestellung, die in der Regel ärztlich begleitet ist, können Selbsttests ein hilfreiches Instrument sein: Ovulationstests können beispielsweise beim Erfüllen eines Kinderwunsches sinnvoll sein. Die zunehmende Kommerzialisierung allgemeiner Hormontests für zu Hause sehen wir dagegen kritisch, da ihre Validität in Frage steht und Betroffene oftmals mit den Ergebnissen vollkommen allein gelassen werden«, fasst Privatdozentin Dr. Dr. Birgit Harbeck, Mediensprecherin der DGE, zusammen.