Fallstricke bei der Selbstinjektion |
Juliane Brüggen |
19.05.2023 10:30 Uhr |
Die im Handel befindlichen Adrenalin-Pens unterscheiden sich teils in der Anwendung. (Symbolbild) / Foto: Getty Images/AndreyPopov
»Online-Videos sind schön und gut, aber sie ersetzen nicht das Training und die Beratung in der Vor-Ort-Apotheke«, machte Kircher deutlich und regte an, sich intensiv mit der Handhabung der Adrenalin-Autoinjektoren auseinanderzusetzen. »Wir müssen selbstkritisch ein«, ergänzte er. Eine Studie aus Neuseeland habe Defizite offengelegt: Nur 20 Prozent der Apotheken konnten die Applikation korrekt schulen.
Zu lange sollte man mit der Adrenalin-Gabe nicht warten, meinte Kircher. In Leitlinien werde sie ab einem Schweregrad 2 der anaphylaktischen Reaktion empfohlen, wenn beispielsweise Blutdruckabfall, starke Übelkeit, plötzliche Heiserkeit oder Atemnot auftreten. »Sie schaden dem Patienten damit nicht. Das Outcome ist immer besser, wenn Sie den Pen anwenden, als wenn Sie darauf verzichten.« Orientierung bezüglich des Vorgehens bieten der Anaphylaxie-Notfallplan des Deutschen Allergie- und Asthmabundes und die aktuelle Leitlinie zu Anaphylaxie. Nicht zu vergessen ist das Absetzen eines Notrufs unter 112.
Personen, die ein erhöhtes Anaphylaxie-Risiko haben, führen meist ein Notfallset mit sich, das neben den Adrenalin-Autoinjektoren ein H1-Anthistaminikum, ein Glucocorticoid und gegebenenfalls ein bronchienerweiterndes Dosieraerosol und/oder ein inhalatives Adrenalinpräparat mit Sprühkopf beinhaltet. Ein Anaphylaxie-Pass und eine Anleitung sollten ebenfalls beigelegt sein.
Am Beispiel von Fastjekt® machte Kircher potenzielle Fallstricke deutlich, beginnend mit der versehentlichen Injektion in den Daumen. Der Finger gehört aus diesem Grund nicht auf das Ende des Pens, wenn die blaue Schutzkappe abgezogen ist. An welcher Seite die Nadel sitzt, kann ein Merksatz veranschaulichen: »Blau zum Himmel, orange zum Oberschenkel«. Die Nadel bekommt der Patient nicht zu Gesicht, da sie sowohl vor als auch nach der Injektion durch eine Hülle verdeckt ist. Keinesfalls sollten Betroffene sich in einer Notfallsituation damit aufhalten, die Injektionslösung auf Luftblasen oder Farblosigkeit zu prüfen, so Kircher. Leichte Kleidung wie Jeans oder Baumwolle kann die Nadel durchdringen, sehr dicke Stoffe wie Leder oder Skibekleidung jedoch nicht.
Um das Epinephrin zu verabreichen, wird der Autoinjektor kräftig, in einem 90-Grad-Winkel seitlich in den Oberschenkel gedrückt. Aktives Auslösen ist beim Fastjekt nicht erforderlich – ein Klicken zeigt an, dass die Nadel ausgefahren ist. Laut Kircher ist es wichtig, die Position etwa 10 Sekunden zu halten und den Injektor erst danach langsam zu entfernen. Häufig werde zudem vergessen, die Injektionsstelle nach der Applikation 10 Sekunden zu massieren. »Dadurch wird Stickstoffmonoxid freigesetzt, das Adrenalin verteilt sich besser im Körper«, erklärte Kircher.
Patienten sollten immer zwei Pens mit sich führen, falls einer beim Auslösen blockiert. Eine zweite Injektion kann auch erforderlich werden, wenn bestimmte Risikofaktoren vorliegen. Nimmt die betroffene Person beispielsweise Betablocker oder ACE-Hemmer ein, kann es zu einer stärkeren Symptomatik kommen. Grundsätzlich dürfe man nicht zurückschrecken, eine zweite Injektion – immer mit einem neuen Pen – durchzuführen, falls nach fünf bis zehn Minuten keine Besserung eingetreten ist, so der Apotheker. Auch in Schwangerschaft und Stillzeit sei die Adrenalin-Gabe sicher.
Präparat | Vorbereiten | Auslösen | Nadelschutz nach Injektion | Erfolgskontrolle |
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Fastjekt® | Blaue Kappe abziehen, orange Seite zum Oberschenkel: »Blau zum Himmel, orange zum Oberschenkel« | automatisch durch Drücken in den Oberschenkel (akustisches Signal Klicken) | automatisch | Sichtfenster wird dunkel |
Jext® | Gelbe Kappe abziehen, schwarze Seite zum Oberschenkel: »Gelb zur Sonne, schwarz zum Oberschenkel« | automatisch durch Drücken in den Oberschenkel (akustisches Signal Klicken) | automatisch | gefärbter Kunststoffstreifen im Sichtfenster (150 µg blau, 300 µg weiß) |
Emerade® | Weiße Nadelkappe abziehen, Seite mit abgezogener Kappe zum Oberschenkel | automatisch durch Drücken in den Oberschenkel (akustisches Signal Klicken) | automatisch | Etikett ablösen, Sichtfenster darunter erscheint gelb (150 µg), grün (300 µg) bzw. blau (500 µg) |
Anapen® | Schwarze Nadelkappe abziehen, graue Sicherheitskappe vom roten Auslöseknopf ziehen, Nadelseite zum Oberschenkel | manuelles Auslösen: Nadelseite auf Oberschenkel drücken, roten Auslöseknopf betätigen (akustisches Signal Klicken) | schwarze Nadelkappe mit breiter Seite auf die Nadelseite setzen | Injektionsanzeige wird rot |