Fazit aus fünf Jahren Cannabis auf Rezept |
Unter anderem getrocknete Cannabisblüten können seit 2017 auf Rezept verordnet werden. / Foto: Getty Images/Oksana Smith / EyeEm
Cannabis als Arzneimittel wird einer Erhebung zufolge bislang in drei Viertel der Fälle gegen chronische Schmerzen eingesetzt. Weitere häufig behandelte Symptome seien Spastik und Anorexie beziehungsweise eine bestimmte Art von Gewichtsverlust (Wasting), teilte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mit. Viele der behandelten Symptome stünden in Zusammenhang mit einer Tumorerkrankung. »Neben Schmerzen sind dies insbesondere Übelkeit und Erbrechen sowie starker Gewichtsverlust und Appetitlosigkeit«, heißt es in dem Abschlussbericht. Nebenwirkungen seien bei der Therapie vergleichsweise häufig, heißt es weiter. Jedoch schienen die Nebenwirkungen meist nicht schwerwiegend zu sein, da die Abbruchrate aus diesem Grund vergleichsweise gering gewesen sei. Hauptgrund für einen Abbruch sei eine ausbleibende oder nicht ausreichende Wirkung gewesen. Bezogen auf alle Cannabis-Arzneimittel seien die behandelten Personen im Durchschnitt 57 Jahre alt und in der Mehrzahl weiblich.
Die vorgestellten Ergebnisse sind Teil eines Abschlussberichts zu einer Begleiterhebung, die der Gesetzgeber beauftragt hatte. In die Auswertung seien seit 2017 anonymisierte Daten zu rund 21.000 Behandlungen eingeflossen, schreibt das BfArM. Zwar waren Ärzte zur Übermittlung der anonymisierten Daten verpflichtet, jedoch sei dies wegen der weitgehenden Anonymisierung faktisch freiwillig erfolgt. Das Bundesinstitut erklärte, die Erhebung der Behandlungsdaten aus der ärztlichen Praxis sei wertvoll, um vor allem Hinweise zu Anwendungsgebieten von Cannabis-Arzneimitteln und zu Nebenwirkungen einer Therapie zu erhalten.
»Zum Beleg der Wirksamkeit und Sicherheit von Cannabis-Arzneimitteln ist die Durchführung klinischer Studien nach internationalen Standards erforderlich«, betonte die für die Zulassung von Arzneimitteln zuständige Behörde. Die Begleiterhebung erfülle die Anforderungen an eine solche klinische Studie in keiner Weise und sei auch zu keinem Zeitpunkt als solche bezeichnet worden. Positiv sei, dass klinische Studien mit Cannabis-Arzneimitteln in der Zwischenzeit auch in Deutschland begonnen wurden. Die Ergebnisse sollen dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) als eine Grundlage dienen, um unter anderem über mögliche Kassenleistungen zu entscheiden.
Der Einsatz von Cannabis-Arzneimitteln bei schwerwiegenden Erkrankungen wurde 2017 gesetzlich geregelt. Bedingung für die Anwendung auf Kassenkosten ist unter anderem, dass die Mittel nach ärztlicher Einschätzung den Krankheitsverlauf spürbar positiv beeinflussen.
Das BfArM weist auf eine große Meldelücke hin. Obwohl Ärzte gesetzlich dazu verpflichtet waren, wurden viele Verordnungen nicht gemeldet – offenbar liegen für weniger als die Hälfte der Patientinnen und Patienten tatsächlich Daten in der Begleiterhebung vor. Die Behörde vermutet, dass vor allem Hausärzte ihrer Meldepflicht nicht nachkamen. Denn die eingegangenen Meldungen stammten zu 52 Prozent von Anästhesisten, während Hausärzte nur 25 Prozent der Meldenden ausmachten. Laut Auswertungen von Krankenkassen – die die Therapien ja genehmigen mussten und somit alle Anträge erhielten – habe der Anteil der Anästhesisten an den Verordnungen jedoch lediglich zwischen 7 und 8 Prozent gelegen, der der Hausärzte dagegen zwischen 32 und 39 Prozent. »Die Meldungen in der Begleiterhebung stellen somit nicht die Versorgungsrealität dar«, heißt es dazu vom BfArM.
Das Bundesinstitut wies besonders auf ein Ergebnis bei der Behandlung mit Cannabisblüten hin: Das Durchschnittsalter der Behandelten war hier mit 45,5 Jahren vergleichsweise jung, mehr als zwei Drittel waren männlich. Bezogen auf den Gehalt der psychoaktiven Substanz THC wurden sie mit einer vielfach höheren Dosis therapiert und berichteten dreimal häufiger von einer euphorisierenden Wirkung. »Die Gefahr von Missbrauch und Abhängigkeit bei der Therapieplanung mit Cannabisblüten« sollte von Ärzten beachtet werden, erklärte das Bundesinstitut dazu.