Fertigprodukte erschweren das Abnehmen |
Auf den Grad der Verarbeitung kommt es an. Wer Gewicht verlieren möchte, sollte möglichst nicht zu Fertiggerichten greifen – selbst wenn diese gesund klingen. / © Getty Images/Peter Dazeley
Was haben ein veganes Schnitzel und eine Tüte Chips gemeinsam? Beides sind hochverarbeitete Lebensmittel. Dennoch würden wohl die meisten Menschen annehmen, dass das vegane Schnitzel gesünder ist als die Tüte Chips. Das Beispiel verdeutlicht, warum die Einteilung von Nahrungsmitteln nach ihrem Verarbeitungsgrad teilweise umstritten ist. In Ermangelung von überzeugenderen Alternativen nutzen viele Forschende aber trotzdem die sogenannte NOVA-Klassifikation, die Lebensmittel nach ihrem Verarbeitungsgrad in vier Gruppen einteilt: nicht oder nur minimal verarbeitete Lebensmittel (NOVA 1), verarbeitete Zutaten (NOVA 2), verarbeitete Lebensmittel (NOVA 3) und hochverarbeitete Lebensmittel (NOVA 4). NOVA-4-Lebensmittel werden auch UPF genannt (engl. für ultra-processed foods).
Diese Einteilung ist relevant, denn es gibt mittlerweile gute Evidenz dafür, dass ein hoher Anteil von hochverarbeiteten Lebensmitteln (ultra-processed food, UPF) an der Ernährung das Risiko für gewichtsbezogene Folgeerkrankungen wie Adipositas, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bestimmte Krebsarten erhöht. Auch auf das Gehirn sollen UPF negative Auswirkungen haben. Das wird in der Regel damit begründet, dass UPF zumeist eine ungünstige Nährstoffzusammensetzung haben – mehr Fett und Zucker, dafür aber weniger Ballaststoffe als minimal verarbeitete Lebensmittel (minimally processed food, MPF).
Um zu testen, ob es tatsächlich der Verarbeitungsgrad ist, der den Unterschied macht, müssten unterschiedlich stark verarbeitete Lebensmittel, die aber ähnlich viele Makronährstoffe enthalten, hinsichtlich ihrer Auswirkung auf den Stoffwechsel miteinander verglichen werden. Genau das haben nun Forschende um Samuel J. Dicken vom University College in London getan und das Ergebnis der Untersuchung im Fachjournal »Nature Medicine« veröffentlicht.
Sie rekrutierten 55 übergewichtige bis adipöse Erwachsene in England, deren übliche Diät zu mindestens 50 Prozent aus UPF bestand. Im Rahmen der randomisierten, kontrollierten Crossover-Studie erhielt jeder Proband für zweimal acht Wochen Nahrungsmittel gestellt, von denen er so viel essen durfte, wie er wollte. Einmal bestanden die Lebensmittel dabei aus UPF und einmal aus MPF, wobei beide Diäten – das ist wichtig – in ihrer Zusammensetzung den offiziellen Empfehlungen (UK Eatwell Guide) entsprachen. In welcher Reihenfolge die beiden Interventionen erfolgten, bestimmte der Zufall; dazwischen lagen zwei Wochen, in denen der Proband sich wie üblich ernähren sollte.
Der primäre Endpunkt, über den die Teilnehmenden verblindet waren, war der Unterschied in der Veränderung des Körpergewichts zwischen den Diäten, gemessen jeweils am Ende der acht Wochen. Hier zeigte sich ein signifikanter Unterschied: Während die Probanden mit der UPF-Ernährung durchschnittlich 1,01 Prozent ihres Ausgangsgewichts verloren hatten, waren es mit der MPF-Ernährung durchschnittlich 2,06 Prozent, also doppelt so viel.
Dass die Teilnehmenden mit der UPF-Diät überhaupt abnahmen, führen die Forschenden darauf zurück, dass die Lebensmittel in ihrer Zusammensetzung den Empfehlungen entsprachen, obwohl sie hochverarbeitet waren. Die Studie zeige aber, dass für die Gewichtsregulation nicht nur das relevant ist. Die bestehenden Empfehlungen sollten daher um solche zum Verarbeitungsgrad ergänzt werden.
Welche Mechanismen könnten hinter diesem Effekt stecken? Dr. Stefan Kabisch vom Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD) an der Charité Berlin verweist hierzu auf weitere Ergebnisse der Studie, für die Veränderungen des Essverhaltens erfasst wurden. Durch die MPF-Diät habe das Bedürfnis der Probanden nach süßen und herzhaften Lebensmitteln abgenommen, was in puncto Gewichtsverlust wohl auch eine Rolle gespielt habe.
»Hochverarbeitete Lebensmittel sind geschmacklich auf unser Suchtverhalten optimiert, insbesondere starke Süßreize verhindern Sättigung«, erklärt der Endokrinologe. Darüber hinaus führten leicht verdauliche Kohlenhydrate zu stärkeren Blutzuckerschwankungen, die schon kurze Zeit nach der Mahlzeit in einem neuen Hungergefühl resultieren.
Auch hätten stark verarbeitete Produkte eine leicht verzehrbare Textur, müssten also weniger gekaut werden. »Dies ermöglicht schnelleres Essen, aber reduziert auch die Dauer des Schmeckens. Infolge kann man in kürzerer Zeit mehr verzehren und nimmt die Menge des Verzehrten weniger stark wahr.«