Fettleber bringt Gehirn in Gefahr |
Eine Fettleber kann sich auch bei schlanken Menschen entwickeln und das Gehirn Richtung Depression beeinflussen. / Foto: Adobe Stock/StockPhotoPro
Zu viel Zucker und Fett in der Ernährung können die Leber verfetten lassen. Frühere Studien wiesen bereits darauf hin, dass bei einer Fettleber die Hirnfunktion beeinträchtigt werden kann. Das Risiko, neurologische Erkrankungen wie Depression oder Demenz zu entwickeln, scheint dadurch zu steigen. Die Pathophysiologie dahinter war allerdings bislang unklar. Jetzt zeigte eine aktuelle Studie, die im »Journal of Hepatology« veröffentlicht wurde, dass ursächlich der Monocarboxylat-Transporter-1 (MCT1) eine Schlüsselrolle spielen könnte.
Eine verfettete Leber kann durch einen erhöhten Alkoholkonsum bedingt sein. Viel häufiger aber kommt die nicht alkoholische Fettleber (NAFL) vor. Sie kann unbehandelt zu Folgeerkrankungen wie der nicht alkoholischen Steatohepatitis (NASH) und der Leberzirrhose (NASH-Zirrhose) führen. Die Störungen werden unter dem Begriff nicht alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD) zusammengefasst. Patienten mit NAFLD haben ein erhöhtes Risiko, dass ein hepatozelluläres Karzinom entsteht.
Die NAFLD ist eine verbreitete Krankheit mit zunehmender Prävalenz. An ihr leidet etwa jeder dritte bis vierte Erwachsene in Industrienationen. Besonders häufig sind adipöse Menschen betroffen. Das Tückische an der Fettleber ist, dass die Krankheit über Jahre hinweg schleichend verläuft und kaum Beschwerden bereitet. Die Diagnose erfolgt oft erst spät. Im Rahmen der Krankheit können Symptome wie chronische Müdigkeit oder Stimmungsveränderungen auftreten.
Die vorliegende Studie führten die Wissenschaftler des Roger Williams Institute of Hepatology in London zusammen mit Forschern des französischen Nationalen Instituts für Gesundheit und medizinische Forschung (Inserm) und der Universität Poitiers am Tiermodell mit Mäusen durch. Sie fütterten die Hälfte der Nager mit einer Kontrolldiät (normales Futter, Fettanteil von höchstens 10 Prozent) und normalem Wasser. Die restlichen Tiere erhielten Wasser mit einem hohen Gehalt an gelöster Fructose/Glucose und eine Kost mit bis zu 55 Prozent Fett. Diese Diät soll den Effekt einer Ernährung mit verarbeiteten Lebensmitteln und zuckerhaltigen Getränken widerspiegeln. Nach 16 Wochen führten die Forscher mit den Mäusen Tests durch, um zu untersuchen, wie sich die beiden Ernährungsweisen auf die Leber und das Gehirn ausgewirkt hatten.
Die Mäuse, die die höheren Fettmengen aufgenommen hatten, mussten als fettleibig klassifiziert werden. Sie hatten eine NAFLD und eine Insulinresistenz entwickelt, welche die Entstehung von Typ-2-Diabetes begünstigt. Während die Ernährung als Ursache hier naheliegend erscheint, mag es überraschen, dass die Tiere nach 16 Wochen »Junk-Food-Diät« auch Funktionsstörungen des Gehirns aufwiesen. So zeigten Untersuchungen, dass das Gehirn von Mäusen mit NAFLD unzureichend mit Sauerstoff versorgt war. Durch die Krankheit schienen Anzahl und Dicke der Blutgefäße im Gehirn verändert worden zu sein. Gleichzeitig verbrauchten einige Zellen mehr Sauerstoff und das Gehirn wies Entzündungen auf. Das deutete nach Ansicht der Forscher auf das Frühstadium einer durch die Ernährung ausgelösten Enzephalopathie hin. Betroffene Mäuse veränderten ihr Verhalten. Sie wirkten ängstlicher und zeigten Anzeichen von Depressionen. Die Tiere in der Kontrollgruppe mit einer geringen Fettzufuhr entwickelten weder eine NAFLD noch eine Insulinresistenz. Sie zeigten keine Störungen im Gehirn oder Verhaltensauffälligkeiten.
»Es ist sehr besorgniserregend zu sehen, welche Auswirkungen die Fettansammlung in der Leber auf das Gehirn haben kann, vor allem, weil sie oft mild beginnt und viele Jahre lang unbemerkt bestehen kann«, sagte die Hauptautorin der Studie, Dr. Anna Hadjihambi.
Auf der Suche nach einem Schutzfaktor züchteten die Wissenschaftler Mäuse, die weniger MCT1 aufwiesen. Dieses Transportprotein ist dafür zuständig, Energiesubstrate aus Zellen heraus zu befördern. Tiere, denen es an MCT1 mangelte, reagierten toleranter als unveränderte Mäuse auf die fett- und zuckerreiche Diät. Sie entwickelten trotz Fettansammlung im Gewebe weder eine Fettleber noch zerebrale Veränderungen. Ein MCT1-Mangel könnte demnach sowohl vor NAFLD als auch vor davon ausgelösten Hirnfunktionsstörungen schützen. Professor Luc Pellerin, leitender Forscher der Studie, betrachtete MCT1 als ein Schlüsselelement bei der Entwicklung von NAFLD und der damit verbundenen Funktionsstörung des Gehirns. Die Entdeckung zeige Mechanismen innerhalb der Leber-Hirn-Achse auf und weise auf eine mögliche therapeutische Zielstruktur hin. Die Hoffnung ist, dass sich durch einen gezielten Eingriff in die Leber-Hirn-Achse zukünftig sowohl NAFLD als auch dadurch entstehende Hirnveränderungen behandeln lassen könnten.
Aktuell gibt es jedoch weder für die Fettleber noch ihre Folgeerkrankungen wirksame medikamentöse Therapien. Bis neue Arzneimittel entwickelt und zugelassen sind, bleibt Betroffenen nur eine Ernährungsumstellung. Wer rechtzeitig und konsequent handelt, kann dadurch eine NAFLD im Frühstadium vollständig ausheilen. Laut des Bundeszentrums für Ernährung (BZfE) sind für die Patienten 50 bis 55 Prozent Kohlenhydrate, 15 bis 20 Prozent Eiweiß und 30 Prozent Fett ideal. Kohlenhydrate wählen sie am besten in Form von Vollkornprodukten. Geeignete Eiweißquellen sind Eier, Hülsenfrüchte, Milchprodukte, Fisch und Geflügel.
Hadjihambi betonte, dass eine verringerte Zucker- und Fettmenge nicht nur wichtig sei, um Fettleibigkeit zu bekämpfen. Sie helfe auch, die Leber zu schützen, die Hirngesundheit zu erhalten und das Risiko zu minimieren, im Alter an Krankheiten wie Depression und Demenz zu erkranken. Bei der Prävention kann das Apothekenteam eine wichtige Rolle spielen und Risikopersonen ermutigen, bei der Lebensmittelwahl nicht nur an ihre Leber, sondern auch an ihre Hirnfunktion zu denken.