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Alles andere als banal

Fieber bei Kindern

Fiebert der Nachwuchs, ist eine viertel Brausetablette von Papas Fiebersenker nicht die beste Idee. Denn Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Bei ihnen gibt es selbst bei einem so häufigen Symptom wie Fieber einiges zu beachten.
AutorKontaktAnna Carolin Antropov
Datum 27.11.2020  16:00 Uhr

Egal ob Bauchweh, Ohrenschmerzen oder Husten: Die Liste der Beschwerden kleinerer und größerer Kinder reicht von harmlosen Wehwehchen über lebensbedrohliche Zustände. Viele Eltern suchen zunächst Rat in der Apotheke, ehe sie in den Arzneischrank greifen. Zum Glück! Denn Kinder sind keine Miniatur-Erwachsenen, sondern unterscheiden sich von »den Großen« in ihrer Körperzusammensetzung und Physiologie. Dadurch variieren sowohl Pharmakokinetik als auch Nebenwirkungen von Arzneistoffen bis hin zu Krankheitsverläufen. Pauschale Empfehlungen sind schwierig, oft heißt es: »Kommt drauf an!« Doch worauf eigentlich? Anhand des Dauerbrenners Fieber erklärt genau das Privatdozent Dr. Burkhard Rodeck, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, im Gespräch mit PTA-Forum.

Besonders störanfällig

»Kinder haben einen Aufbaustoffwechsel - nicht nur wie wir Erwachsene einen Erhaltungsstoffwechsel«, so der Kinder- und Jugendarzt. »Dabei verlaufen ganz unterschiedliche dynamische Prozesse im Rahmen der kindlichen Entwicklung bis hin zur Pubertät.« Sie haben eine höhere Stoffwechselrate, eine niedrigere renale Konzentrationsfähigkeit und nicht zuletzt eine im Verhältnis zum Körpervolumen große Oberfläche. Dadurch ist beispielsweise der Wasserumsatz um ein Vielfaches höher als bei Erwachsenen. Alles in allem sind Wasser-, Elektrolyt- und Wärmehaushalt so störanfällig wie in keinem anderen Lebensabschnitt. Die sich ändernden Körperkompartimente, die Gewebeverteilung und Körperoberfläche spielen besonders in der Medikation eine Rolle. Auch in der Abwehr von Infektionen gibt es Unterschiede. Zunächst wird das Neugeborene vom unspezifischen angeborenen Immunsystem geschützt, dann aber entwickelt sich rasch das lernende, spezifische adaptive Immunsystem, weiß Neonatologe Rodeck.

Im Mutterleib ist das Ungeborene vor Pathogenen gut geschützt. Nach der Geburt muss das Immunsystem erst einmal lernen, mit der Flut an Viren und Bakterien umzugehen. Das betreffe insbesondere die Säuglingszeit sowie dann, wenn Kleinkinder vermehrt soziale Kontakte mit Gleichaltrigen haben, also in Kita und Kindergarten. Deshalb die schlechte Nachricht kurz und schmerzlos: Acht bis zehn kleinere Infekte pro Jahr wie ein grippaler Infekt sind für Kinder (leider!) ganz normal. Ein Patentrezept zur Vorbeugung kennt selbst Rodeck nicht. Von Nahrungsergänzungsmitteln zur »Immunstärkung« und Prophylaxe rät er allerdings ab. Denn die Kombinationspräparate enthalten meist Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente, womit normal ernährte Kinder jedoch vollkommen ausreichend versorgt sind. Dass manche Kinder heftigere Symptome zeigen, während anderen nur ein bisschen die Nase läuft, sei schlichtweg Individualität.

Die typischen Virusinfekte schlagen besonders in der »Winterreifen-Zeit« zu. Hat ein Kind von Oktober bis Ostern einen Infekt nach dem nächsten, kann Rodeck die besorgten Eltern also beruhigen: »Sie haben zwar das Gefühl, ihr Kind kommt aus der Infektionsschiene gar nicht mehr heraus. Aber Minorinfektionen sind auch in dieser Häufigkeit normal.«

Geringere Schwelle

»Wir müssen akzeptieren, dass Kinder in dieser Lebensphase immer wieder Infekte haben«, erklärt der Kinder- und Jugendarzt. Glüht dabei das Köpfchen und hängt das Kind schlapp im Kinderwagen, ahnen es Eltern meist vor der Messung: Fieber! Dabei ist Fieber keine eigenständige Erkrankung. Die Thermoregulation findet wegen eines Infekts, einer Entzündung oder beispielsweise einer Impfung auf einem höheren Temperaturniveau statt. Es ist ein komplexes Zusammenspiel von Immunsystem, endokrinem System und Gehirn. Auf Molekularebene spielen verschiedene Zytokine wie Interleukin-1, Interleukin-6 und Tumor-Nekrose-Faktor-α eine Schlüsselrolle. Diese Botenstoffe treten durch die Blutbahn in das Gehirn über und steigern mittels Cyclooxygenase-2 die Produktion von Prostaglandin-2. Dadurch verstellt sich im Hypothalamus der Sollwert für die Körperkerntemperatur nach oben. Der Körper interpretiert die normale Temperatur dann als Unterkühlung: Im Fieberanstieg produziert er mithilfe von Schüttelfrost Wärme und drosselt die Wärmeabgabe, indem sich die Gefäße zusammenziehen. Die Haut an Armen und Beinen ist dann kühl und marmoriert. In diesem Fall verzichten Eltern besser auf einen Wadenwickel. Im Fieberabfall erscheinen Arme und Beine dann wieder warm, die Kinder schwitzen stark und die Temperatur sinkt. Gerade Kinder fiebern besonders schnell, sie haben sozusagen eine niedrigere »Fieberschwelle« als Erwachsene.

Normaltemperatur bis 37,4 °C
Erhöhte Temperatur (subfebril) 37,5 °C - 38,4 °C
Fieber 38,5 °C - 38,9 °C (Neugeborene* ab 38,0 °C)
Hohes Fieber > 39 °C
* In den ersten vier Wochen nach Geburt

Um die Körperkerntemperatur möglichst genau zu erfassen, ist die Messung an einer Körperoberfläche wie beispielsweise Stirn oder Achsel mitunter ungenau. »Die beste, zuverlässigste Methode ist nach wie vor die rektale Messung«, erklärt Rodeck. Dafür liegt das Kind am besten mit angezogenen Beinen auf der Seite oder auf dem Rücken. Wird lieber im Mund gemessen, sollten Eltern ihren Kindern oder die Kinder sich selbst das Thermometer tief genug unter die Zunge schieben und zuvor nichts trinken. Zwar gibt es Schnullerthermometer. Sie messen jedoch funktionsbedingt im vorderen Mundbereich und damit eher zu tiefe Werte. Da es kontaktlos und blitzschnell auch beim schlafenden Kind funktioniert, bevorzugen viele Eltern ein Ohrthermometer. Für zuverlässige Werte muss der Infrarotsensor direkt auf das Trommelfell zeigen, indem durch leichten Zug an der Ohrmuschel der Gehörgang begradigt wird. Bei kleinen Babys mit zu engem Gehörgang, zu viel Ohrenschmalz oder einer Mittelohrentzündung können trotzdem Fehlmessungen auftreten. Im Zweifel sollten sich Eltern immer vom Zustand des Kindes leiten lassen und Anwendungsfehler nicht ausschließen.

Fieber ist gut!

»Wir wissen, dass das Immunsystem bei höheren Temperaturen effektiver arbeitet«, erinnert der Experte. »Fieber ist also grundsätzlich gut.« Gerade deshalb könne man erhöhte Temperaturen durchaus zunächst beobachten. Ohne weitere Symptome kann es sich zum Beispiel als harmloses Dreitagefieber entpuppen, es kann aber auch ein Harnwegsinfekt dahinterstecken, der behandelt werden muss. Zum Glück entwickeln Eltern mit der Zeit ein Gefühl dafür, wann ihr Kind ernsthaft krank ist und sollten sich auf dieses verlassen. Als Orientierung empfiehlt Rodeck, Fieber bei Kindern unter zwei Jahren vom Arzt abklären zu lassen, wenn es länger als 24 Stunden anhält. Ältere Kinder dürfen durchaus bis zu drei Tage fiebern, sofern sie ansonsten relativ fit wirken. Entscheidend dabei ist jedoch immer die Verfassung des Kindes.

Wirkt der Nachwuchs trotz Fiebersenkung schwerkrank, müsse sofort genauer hingesehen werden. Das gilt auch bei sehr hohem Fieber, also bei Werten über 39 °C, falls es nicht nur die kurze Fieberspitze ist. Aufatmen können Eltern, wenn das Kind nach der Fiebersenkung wieder munter spielt: »Das ist immer ein Zeichen dafür, dass das Fieber die Krankheitssymptome auslöst und nicht die zu Grunde liegende Krankheit das eigentliche Problem darstellt.«

Fieber stellt gerade bei den ganz Kleinen den Wasser- und Elektrolythaushalt gefährlich auf die Probe. Sie dehydrieren viel schneller und werden dann schläfrig, das Bewusstsein trübt ein. Eltern sollten diesen bedrohlichen Zustand unbedingt von normalem Schlaf unterscheiden können. Genug trinken und genau beobachten ist deshalb das A und O, besonders bei begleitendem Durchfall und/oder Erbrechen. Mittel mit Dimenhydrinat und Diphenhydramin (Vomex®, Emesan®, Vomacur®) haben unter drei Jahren nichts in der Selbstmedikation verloren. Nachdem tödliche Nebenwirkungen aufgetreten waren, dürfen sie nur noch nach strenger Indikationsstellung durch einen Arzt abgegeben werden.

Die Dosis finden

Mittel erster Wahl zur Fiebersenkung sind Ibuprofen oder Paracetamol. Eine Kombinationstherapie erwies sich in Studien nicht überlegen, sodass Rodeck am ehesten eine Monotherapie mit Ibuprofen empfehlen würde. Da diese Mittel jahrelang erprobt sind, ist die korrekte Dosierung kein Hexenwerk: »Üblicherweise dosiert man nach Gewicht«, erklärt er. Bei anderen Arzneimitteln ist die passende Dosis eine wahre Kunst. Denn Arzneimittelstudien an Kindern stellen Pharmaunternehmen vor große rechtliche und ethische Hürden für einen nur kleinen Personenkreis. Kein Wunder, dass Kinderärzte oft Wirkstoffe außerhalb ihrer Zulassung verordnen müssen. Lesen Eltern dann im Beipackzettel, er sei für Kinder nicht zugelassen, sind sie natürlich verunsichert. Dabei ist der sogenannte off-label-Gebrauch gerade in der Kinderheilkunde alltäglich, unvermeidbar und in der Hand eines erfahrenen Pädiaters durchaus sicher. Die richtige Dosis entscheidet er mithilfe pädiatrischer Dosistabellen basierend auf Literaturangaben. Grundsätzlich berechnet er sie auf Basis des Gewichts oder der Körperoberfläche.

Das dient aber nur der groben Orientierung, denn ein Mensch wächst nicht linear. Die Reifung der Organfunktion wie auch die altersbedingte Veränderung ihrer Körperzusammensetzung ist ein dynamischer Prozess und beeinflusst jeden Aspekt der Pharmakokinetik. In den ersten Monaten entleert sich der Magen verzögert und hat einen höheren pH-Wert. Die Haut von jungen Patienten ist dünner und besser durchblutet. So werden Wirkstoffe unerwünscht über die Haut resorbiert, die nur lokal wirken sollen. Gerade bei Glucocorticoiden, Salicylaten oder auch Desinfektionsmitteln (Alkohol) können Eltern getreu dem Motto »viel hilft viel« leider in guter Absicht ihr Kind vergiften.

Abbau altersabhängig

Je nach Alter variiert insbesondere der Abbau von Arzneimitteln. In den ersten Lebenswochen werden Arzneistoffe nur sehr langsam metabolisiert. Leber und Niere reifen aber rasch, und bereits im Alter von wenigen Monaten verstoffwechseln sie Wirkstoffe sogar schneller als Erwachsene. Kleinkinder benötigen deshalb häufig eine höhere Dosis pro Kilogramm Körpergewicht als Erwachsene, während Früh- und Neugeborene nur einen Bruchteil dessen bekommen. Bei »schwierigen Arzneistoffen« wie Theophyllin messen Ärzte daher regelmäßig den Wirkstoffspiegel im Blut. Auch veränderte Rezeptoraffinitäten beeinflussen die Wirkung: So wirken Beta-Sympathomimetika schwächer, Neuroleptika stärker, und bestimmte Nebenwirkungen wie Dyskinesien unter Metoclopramid, einem D2-Hemmer, treten bei Kindern öfter auf.

Im Apothekenalltag werden meist Arzneimittel mit großer therapeutischer Breite eingesetzt. Trotzdem gehört am HV-Tisch eine kurze Überprüfung der Dosierung auf Plausibilität dazu, denn schnell verrutscht im stressigen Alltag ein Komma. Die richtige Therapie ist aber nicht nur eine Frage der Dosis. Tetracycline lagern sich bei Kindern zum Beispiel dauerhaft in Knochen und Zähnen ein. Auch Acetylsalicylsäure hat gegen Fieber bei Kindern nichts zu suchen und gilt als Reservemittel, da es das lebensbedrohliche Reye-Syndrom auslösen kann.

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