Fit fürs Leben |
Caroline Wendt |
03.07.2025 12:00 Uhr |
Gespräch auf Augenhöhe: Die Vorsorgeuntersuchungen können Jugendliche bereits allein wahrnehmen und ein vertrauliches Arztgespräch führen. / © Adobe Stock/Studio Romantic
Jugendliche sind seltene Apothekenkunden. Dennoch kommt es vor, dass Teenager oder deren Eltern mit Anliegen, die über Husten, Schnupfen und Heiserkeit hinausgehen, das Beratungsgespräch suchen. Die Pubertät ist schließlich eine Zeit großer Veränderungen. Daher ist es sinnvoll, wenn PTA und Apotheker auf die Möglichkeiten der Vorsorgeuntersuchungen beim Kinder- und Jugendarzt hinweisen. Diese sind nicht nur bei konkreten Problemen zu empfehlen, sondern können allen Jugendlichen von Nutzen sein.
Die Untersuchungen J1 und J2 sind allerdings nur wenig bekannt. Während noch nahezu alle Eltern mit ihren Babys und Kleinkindern regelmäßig an den sogenannten U-Untersuchungen teilnehmen, sinkt die Zahl derjenigen, die auch in der Jugend an Vorsorgeuntersuchungen denken, rapide. So berichtete beispielsweise die AOK Nordwest, dass im Jahr 2023 lediglich 15,6 Prozent der Jugendlichen in Schleswig-Holstein an der J1 teilnahmen. Die Möglichkeit der J2 nutzten sogar nur 4,8 Prozent. Dabei bieten diese Checks eine gute Gelegenheit, den allgemeinen Gesundheitszustand zu überprüfen.
Die J1 steht im Alter von 12 bis 14 Jahren an. Den Termin können die Jugendlichen – wenn sie möchten – auch alleine wahrnehmen. So kann der Arzt auch sensible Themen wie familiäre oder soziale Probleme, Alkohol- oder Tabakkonsum, Medienverhalten sowie Fragen zu Sexualität und Verhütung mit den Heranwachsenden besprechen. Die Inhalte des Gesprächs bleiben vertraulich – auch gegenüber den Eltern. Es gilt die ärztliche Schweigepflicht. Wird im Verlauf der Untersuchung eine schwerwiegendere Krankheit festgestellt, werden die Eltern natürlich informiert.
Ob Kinder oder Jugendliche ohne Begleitung eines Elternteils zum Arzt gehen können, hängt nicht allein vom Alter ab, sondern von ihrer sogenannten Einwilligungsfähigkeit. Dabei handelt es sich um eine Einschätzung des behandelnden Arztes: Er beurteilt, ob das Kind über die nötige »geistige und sittliche Reife« verfügt, um medizinische Entscheidungen eigenständig treffen zu können. Die jungen Patienten müssen in der Lage sein, die Bedeutung und Tragweite einer Behandlung zu verstehen sowie Nutzen und Risiken abzuwägen.
In der Regel sind Jugendliche ab etwa 14 Jahren reif genug, um einen einfachen Arztbesuch selbstständig zu bewältigen. Bei medizinischen Eingriffen mit größerer Tragweite – etwa einer Operation – bleibt die Entscheidung jedoch weiterhin den Erziehungsberechtigten vorbehalten.
Für Jugendliche ist es wichtig, auch bei gesundheitlichen Fragen einbezogen zu werden und mit entscheiden zu dürfen. Nur so lernen sie, wie sie zu mündigen (erwachsenen) Patienten heranwachsen, die auf Augenhöhe mit dem Arzt kommunizieren können.
Mit dem Anamnesegespräch und der körperlichen Untersuchung sollen chronische Erkrankungen wie eine Schilddrüsenfehlfunktion oder Diabetes entdeckt werden, um sie so früh wie möglich zu behandeln. Der Arzt tastet Hals und Bauch ab und schaut in Hals und Ohren. Auch die Wirbelsäule, Muskeln und Gelenke werden begutachtet, indem er die Jugendlichen ein paar Schritte gehen oder bestimmte Bewegungen ausführen lässt. So können beispielsweise durch Wachstumsschübe verursachte Fehlhaltungen oder Wirbelsäulenprobleme erkannt werden. Neben der körperlichen Entwicklung stehen oft auch Hautprobleme, das eigene Körpergewicht, Essstörungen oder Stimmungsschwankungen im Fokus der Untersuchung.
Bei den meisten Kindern beginnt in diesem Alter die Pubertät. Der Körper verändert sich, und vieles ist auf einmal peinlich oder unangenehm. Daher kann es sein, dass Jugendliche mit Angst oder Scham an die bevorstehende körperliche Untersuchung bei der J1 denken. Gut zu wissen: Niemand muss sich vollständig ausziehen. Die Beurteilung der äußeren Genitalien erfolgt so diskret wie möglich – mit nur einem kurzen Blick in die Unterhose, und das auch nur mit dem Einverständnis des Kindes. Weitergehende Untersuchungen, wie das Abtasten der Brust bei Mädchen oder die Untersuchung von Penis und Hoden bei Jungen, sind ebenfalls freiwillig. Vieles kann auch im Gespräch geklärt werden.
Bei der J1 wird außerdem der Impfstatus auf mögliche Lücken überprüft. Im Alter von 9 bis 14 Jahren empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut (RKI) allen Mädchen und Jungen eine Impfung gegen das Humane Papillomavirus (HPV), um Gebärmutterhalskrebs und Peniskarzinomen vorzubeugen. Zudem ist zwischen dem 9. und 16. Lebensjahr in der Regel eine Auffrischung mit dem Kombinationsimpfstoff gegen Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten und Polio vorgesehen.
Im Alter von 16 bis 17 Jahren steht die J2 an. Dies ist eine freiwillige Vorsorgeuntersuchung, die jedoch von vielen Krankenkassen übernommen wird. Ähnlich wie bei der J1 werden körperliche, soziale und psychische Aspekte betrachtet. Neben der körperlichen Untersuchung geht es darum, gesundheitliche Probleme frühzeitig zu erkennen, bevor sie sich im Erwachsenenalter bemerkbar machen. Auch der Impfstatus wird erneut überprüft und gegebenenfalls ergänzt.
Für einen gesunden Start ins Erwachsenenleben gehört es dazu, eventuelle Pubertäts- und Sexualitätsstörungen zu erkennen und zu behandeln. Zudem stehen in dieser Lebensphase viele wichtige Entscheidungen an – etwa die Berufswahl. Auch hier kann ein Gespräch mit dem Arzt hilfreich sein, zum Beispiel wenn chronische Erkrankungen oder Allergien die Berufswahl einschränken könnten. Bei Jugendlichen mit chronischen Krankheiten kann auch das Thema »Schwerbehinderung« und Beantragung derselben ein zu besprechendes Thema sein. Ein solcher Ausweis bietet zwar Vorteile, allerdings müssen Eltern und Kind gut abwägen, weil sich die Schwerbehinderung auf die Berufsaussichten auch nachteilig auswirken kann.